08.08.2024, 22:22
Sie wollen die erste olympische Teamsport-Medaille für ihr Land
Mit einem annähernd makellosen Auftritt stürmte Slowenien durch das Olympia-Viertelfinale gegen Norwegen. Die Platzierung unter den besten vier Mannschaften ist bereits jetzt ein historischer Erfolg, doch Dean Bombac, Miha Zarabec und Co. wollen mehr: Das erste olympische Edelmetall im Teamsport für ihr Land.
Nach dem (bislang) größten Erfolg bei den Olympischen Spielen in der Geschichte des Handballs stand Miha Zarabec in den Katakomben des Stade Pierre Mauroy und wurde ein bisschen wehmütig. "Für viele von uns ist es eine der letzten Chancen, eine Medaille zu gewinnen", sagte der 32-Jährige.
Der Altersschnitt im slowenischen Team liegt bei 30,1 Jahren; neben Zarabec haben auch Blaz Blagotinsek (30), der neue Rekordtorschütze des Landes Jure Dolenec (35), Tilen Kodrin (30), Matej Gaber (33), Klemen Ferlin (35), Dean Bombac (35), Borut Mackovsek (31) und Urban Lesjak (33) sowie Reservist Nejc Cehte (31) die 30-Jahre-Marke überschritten.
Offiziell bekannt gegeben hat keiner der Spieler seinen Rücktritt aus der Nationalmannschaft, aber in dieser Konstellation ist das Ende altersbedingt absehbar. Das wissen auch die Spieler. "Das bringt uns noch mehr zusammen, diese Energie spüren wir", formulierte es Zarabec. "Wir sind eine gute Truppe und es ist schade, dass wir nur noch ein paar Spiele zusammen spielen."
Seit der Bronzemedaille bei der Weltmeisterschaft 2017 fehlte der Generation jedoch der zählbare Erfolg. Die WM 2019 und die Olympischen Spiele 2020 verpasste man gar; beste Platzierungen waren ein 4. Platz (EM 2020) und ein 6. Platz (EM 2024). Doch nun kann die Mannschaft ausgerechnet auf der größten Bühne ihres Sports seinen größten Erfolg feiern: Slowenien greift bei den Olympischen Spielen nach einer Medaille.
In dem stark besetzten Feld galt Slowenien vorher nicht als Kandidat für ein Top-Vier-Platzierung. "Als wir hergekommen sind, hat keiner hat uns in uns geglaubt", unterstrich auch Dean Bombac. "Nur diese 14, 17 Jungs - wie viele auch immer wir sind - und der Trainer haben das geglaubt. Wir hatten eine Vision." Die ersten beiden Ziele - der Einzug in die K.O.-Runde und dem Einzug ins Halbfinale - hakte Slowenien erfolgreich ab.
Dass man im Gruppenfinale gegen Deutschland möglicherweise nicht unabsichtlich verlor, um Frankreich aus dem Weg zu gehen, sorgte in der Öffentlichkeit für Kritik, doch die Taktik ging auf. Das Team von Uros Zorman dominierte seinen Viertelfinalgegner Norwegen über 60 Minuten. "Wir haben stark performt von der ersten Sekunde als Mannschaft zusammen und verdient gewonnen“, sagte auch Zarabec.
Der Spielmacher war hin und weg von der Leistung. Man habe "keine schwarze Minute" gehabt, strahlte er und ergänzte: "Wir haben das Spiel kontrolliert. Ich kann nicht einen Fehler sehen. Unser Trainer findet sicher einen, aber ich habe das Gefühl, dass wir so performt haben wie noch nie."
Dem stimmte Coach Zorman zu. "Wir haben unser bestes Spiel in diesem Turnier gespielt", lobte er und ergänzte, angesprochen auf Zarabecs’ Vermutung, lachend: "Natürlich habe ich einen oder zwei Fehler gesehen, aber was soll ich nach einem Sieg wie diesem sagen?" Auch Bombac hatte nicht viel zu sagen: "Der Kopf ist der Grund für den Sieg. Wir haben ans uns geglaubt, den Ball nicht verloren und eine fantastische Defensive gespielt."
Im Halbfinale wartet nun - aufgrund der Niederlage im Vorrundenfinale gegen Deutschland - der dreimalige Weltmeister Dänemark auf die Slowenen. Doch die geben sich selbstbewusst: "Im Halbfinale gibt es keine Favoriten", kündigte Zarabec an. "Wir haben gesehen, dass hier alles passieren kann und wir gehen in das Spiel, um Dänemark zu schlagen." Auch Bombac präsentierte sich kämpferisch: "Warum sollten wir nicht gewinnen?", fragte er. "Im Januar haben wir das schon geschafft."
Bei der EHF EURO 2024 schlug Slowenien in der Tat die zweite Reihe der Dänen in der Hauptrunde. Und auch, wenn es jetzt gegen die beste Formation geht, kündigte Bombac einen großen Kampf an. "Wir hissen nicht die weiße Flagge, sie können einen schlechten Tag haben", grinste er. "Wir sind hier und wollen keine Schritt zurückweichen. Wenn sie an uns vorbei und gewinnen wollen, müssen sie zeigen, dass sie besser sind als wir."
Denn nachdem Slowenien seine ersten beiden Ziele erreicht hat - siehe oben - winkt nun das dritte Ziel. "Wir wollen mit einer Medaille nach Hause kommen", unterstrich Bombac. Sollte das gelingen, wäre das ein historischer Erfolg - nicht nur für den slowenischen Handball, dessen beste Olympia-Platzierung bisher der 6. Rang war, sondern für das ganze Land. Noch nie gewann Slowenien bei Olympia in einer Teamsportart eine Medaille.
"In Tokio haben die Basketballer das Halbfinale erreicht, aber sie sind Vierter geworden", weiß Bombac um die Bedeutung. "Wir müssen jetzt nur einen Schritt mehr machen und einen Medaille nach Hause bringen. Wir sind ein kleines Land mit nur zwei Millionen Einwohnern. Wir wollen diese Geschichte für unsere Nation schreiben, davon träumen wir." Es wäre bei ihrer (vielleicht) letzten Chance die Krönung ihrer gemeinsamen Zeit in der Nationalmannschaft.
jun