06.07.2024, 08:00
Gelingt der große Wurf?
Bundestrainer Markus Gaugisch hat sich frühzeitig festgelegt: 14 + 3 Spielerinnen reisen nach Paris und werden Deutschland im Frauenhandball bei den Olympischen Spielen vertreten. Die Vorbereitung läuft bereits. Aber: Ist der Kader auch reif für eine Medaille?
Die Bilanz von Deutschlands Frauennationalteam bei den Olympischen Spielen ist überschaubar. Zum fünften Mal überhaupt qualifizierte sich eine Mannschaft des DHB für Olympia, zuletzt 2008.
Die größten Erfolge gab es dabei gleich bei den ersten beiden Auftritten mit jeweils Platz 4 in Los Angeles 1984 und acht Jahre später 1992 in Barcelona. Die Mannschaft von Atlanta 1996 um Andrea Bölk erreichte Rang 6, das Team von Peking 2008 schied als WM-Dritter in der Vorrunde aus und beendete das Turnier als Vorletzter.
Erfolgreicher war da schon die DDR, die Mannschaft um Waltraud Kretzschmar und Kristina Richter, einzige deutsche Handballerin als Fahnenträgerin, gewann bei der Olympiapremiere 1976 in Montreal Silber und vier Jahre später 1980 in Moskau Bronze.
Aber genug vom Blick in den Olympia-Rückspiegel, mit Platz 6 bei der vergangenen Handball-WM holte man das beste Ergebnis seit vielen Jahren. Ein sechster Platz war zuletzt bei der Handball-EM 2016 herausgesprungen, übrigens schon damals mit Emily Bölk, Meike Schmelzer und Dinah Eckerle. Halbfinals erreichte man zuletzt in der Ära unter Armin Emrich in den Jahren 2006-2008 mit der WM-Medaille 2007 und zwei vierten Plätzen.
Bundestrainer Markus Gaugisch vertraut nun auf den Stamm seiner Mannschaft, dreizehn Spielerinnen bestritten die letzte Handball-WM und lediglich die damals verletzte und siebenmeterstarke Julia Maidhof konnte noch auf den Olympiazug aufspringen. Als Reserve reist mit Amelie Berger eine weitere Spielerin aus dem WM-Kader mit nach Paris. Und die weiteren Ersatzspielerinnen? Dinah Eckerle hatte die WM aufgrund einer Babypause verpasst, Mia Zschocke fehlte ebenfalls verletzungsbedingt.
Deutschland hat eine schwierige Vorrundengruppe mit gleich drei Halbfinalisten der letzten WM erwischt. Norwegen holte nicht nur Silber im Dezember, sondern ein Jahr vorher den EM-Titel; im Finale 2022 gegen Dänemark, das sich bei der WM mit Bronze belohnte. Und Schweden lief als Vierter bei der WM und Fünfter der EM ein.
Damit ist klar, dass die DHB-Frauen sich keine Patzer gegen Slowenien und Südkorea leisten dürfen, um die Vorrunde zu überstehen. Im Viertelfinale droht dann gleich ein Duell mit Gastgeber und Weltmeister Frankreich oder den Niederlanden, Fünfter der letzten WM und Sechster der letzten EM.
Für realistische Medaillenchancen muss man entweder in der Vorrunde mindestens einen oder zwei Außenseitersiege einfahren und so ein vermeintlich leichteres Los im Viertelfinale erreichen oder dann ab dem Viertelfinale vor allem Nervenstärke beweisen.
Dass die Mannschaft das spielerische Potential besitzt, hatte sie bei der 28:30-Niederlage gegen Dänemark bei der WM bewiesen. Bei der 20:27-Niederlage im Viertelfinale gegen Schweden und auch im Spiel um Platz 5 gegen die Niederlande hatte man allerdings nach einer verpatzten Anfangsphase praktisch nicht den Hauch einer Chance.
Die Trumpfkarte im deutschen Spiel ist die Abwehr, das hat man auch in der Olympiaqualifikation gegen Slowenien, WM-Elfter und EM-Achter, und Montenegro, den WM-Siebten und EM-Dritten, bewiesen. Bei der Handball-WM kassierte man im Schnitt 25 Gegentore pro Partie, holte fast sechs Steals pro Spiel. Werte, bei denen man durchaus auf Augenhöhe mit Weltmeister Frankreich ist. Das große Minus waren vor allem die Zeitstrafen und die verursachten Siebenmeter. Hier haben die Topnationen teilweise noch ein Plus.
Das Torhüterinnengespann Katharina Filter und Sarah Wachter funktionierte, zeigte sowohl bei der WM wie auch bei der Olympiaqualifikation überdurchschnittliche Leistungen. Dennoch haben hier vor allem die anderen Topnationen noch ein leichtes bis deutliches Plus auf ihrer Seite.
Die Schwachstelle bei der letzten Handball-WM war am ehesten noch die Offensive, vor allem in den Schlüsselspielen gegen Schweden und die Niederlande. Bundestrainer Markus Gaugisch bevorzugt die Durchbruchaktionen in der Offensive, weil sie eine höhere Erfolgsquote versprechen - aber hier patzte das DHB-Team mit 3 Toren bei 14 Versuchen ebenso wie bei den Würfen aus der Distanz (6/23). Auch die Erfolgsquote von außen (15/34) genügte in diesen Partien nicht den internationalen Ansprüchen.
Eine Nervenfrage, die man bei der Olympiaqualifikation zumindest teilweise im Griff hatte. Da überzeugte die Offensive in den Duellen mit Slowenien und Montenegro beim Durchbruch (7/9), konnte auch auf Außen (13/19) zwei von drei Würfen versenken. Auch bei den Distanzwürfen (13/32) fehlt ein Schritt zu den Topnationen.
Nr. | Name | Pos. | Geb. | Verein |
---|---|---|---|---|
42 | Katharina Filter | TW | 04.02.1999 | Brest Bretagne Handball/FRA |
24 | Sarah Wachter | TW | 16.12.1999 | Borussia Dortmund |
29 | Antje Döll | LA | 03.10.1988 | HB Ludwigsburg |
95 | Johanna Stockschläder | LA | 11.02.1995 | vereinslos |
30 | Jenny Behrend | RA | 20.01.1996 | HB Ludwigsburg |
20 | Emily Bölk | RL | 26.04.1998 | Ferencvaros Budapest/HUN |
11 | Xenia Smits | RL | 22.04.1994 | HB Ludwigsburg |
4 | Alina Grijseels | RM | 12.04.1996 | CSM Bukarest/ROU |
23 | Annika Lott | RM | 07.12.1999 | Brest Bretagne HB//FRA |
27 | Julia Maidhof | RR | 13.03.1998 | SCM Ramnicu Valcea/ROU |
77 | Viola Leuchter | RR | 15.06.2004 | HB Ludwigsburg |
7 | Meike Schmelzer | KM | 19.07.1993 | HC Dunarea Braila/ROU |
9 | Lisa Antl | KM | 21.06.2000 | Borussia Dortmund |
93 | Julia Behnke | KM | 28.03.1993 | TuS Metzingen |
Nr. | Name | Pos. | Geb. | Verein |
---|---|---|---|---|
12 | Dinah Eckerle | TW | 16.10.1995 | Thüringer HC |
3 | Amelie Berger | RA | 22.07.1999 | HSG Bensheim/Auerbach |
18 | Mia Zschocke | RL | 28.05.1998 | SCM Ramnicu Valcea/ROU |
chs