08.04.2024, 13:25
Deutschlands Handball-Hoffnung vor Sprung ins Ausland?
Juri Knorr ist der Hoffnungsträger im deutschen Handball - aber, steht der bei der WM 2023 als bester junger Spieler und bei der EM 2024 als Spielmacher ins All-Star Team gewählte Akteur der Rhein-Neckar Löwen nun vor dem Sprung ins Ausland? Medien berichten über entsprechende Angebote und zum Typ Juri Knorr würde eine solche Entscheidung passen. Doch wer ist Juri Knorr? In der Bock auf Handball sprach er über Sachen abseits des Parketts wie Familie, Ernährung, seine Haare, sein erstes Trikot und seine Verbindung zu Fußball-Stadien.
"Seinen Moment" wollte Juri Knorr diesmal ganz besonders auskosten. Wenn er im Tunnel steht. Und sein Name im weiten Rund aufgerufen wird. "Da probiere ich, es für mich zu genießen", sagt der Spielmacher der Handball-Nationalmannschaft, "aber ich kann nicht versprechen, dass es mich nicht überkommen wird, wenn ich vor 50.000 auflaufe".
Mit Deutschland startete Juri Knorr in die Handball-EM im eigenen Land in Düsseldorf in einer ausverkauften Fußball-Arena, der Hype um den Spielmacher im deutschen Team war entsprechend groß. Die Augen waren über das gesamte Team auf ihn gerichtet, teils auch kritisch. Neben viel Spielzeit im Verein gab es auch bei Alfred Gislason für Knorr nur wenig Ruhephasen.
Der 23 Jahre alte Ausnahmekönner ist Deutschlands größtes Handball-Versprechen seit vielen Jahren - scheint im Nationalteam wie bei den Rhein-Neckar Löwen alternativlos zu sein. Doch zumindest im Verein könnte sich das nun schlagartig ändern, Medien berichten von einem bevorstehenden Abschied und einem Wechsel ins Ausland - womit er dann auch auf Vereinsebene in der Champions League auf der großen Handball-Bühne spielen würde, die derzeit bei den Rhein-Neckar Löwen in weite Ferne gerückt ist.
Juri Knorr, dessen Stern im Nationalteam bei der WM vor einem Jahr so richtig zu leuchten begann, gilt als DER deutsche Hoffnungsträger. Er, der mit einem enormen Talent gesegnet ist, dessen Würfe variantenreich und hart sind, und dessen Angriffsspiel so unberechenbar wie anarchisch ist. Knorr ist Taktgeber der Löwen und der DHB-Auswahl. Und ihr Torjäger zugleich.
Der Spielmacher versuchte, sich vor und während der Handball-EM von der Bürde der großen Erwartungen frei zu machen. Wer ihn kennt, der weiß: Juri Knorr will eigentlich nur spielen. "Ich weiß nicht, was immer erwartet wird. Wir zerreißen uns auf der Platte. Natürlich wollen wir gewinnen", haderte er nach dem Unentschieden gegen Österreich mit der Stimmung in der Presse und den sozialen Medien.
In dieser Partie stand er ausnahmsweise nicht in der Startformation, kam erst nach einer knappen Viertelstunde, weil er aufgrund einer Erkältung "ein bisschen schlapp" gewesen und sich "wer weiß wie viele Medikamente, die ich sonst nicht kenne, reingeworfen" habe. Und kam am Ende auf 43 Minuten Spielzeit.
Einige Tage zuvor hatte er eingeräumt, dass ihm beispielsweise auch die Kritik von Handball-Legenden wie Stefan Kretzschmar, Michael Kraus und Pascal Hens getroffen hätten. "Ich nehme mir das natürlich zu Herzen und finde es in dem Moment einfach schade. Ich bin absolut kritikfähig und ich weiß ja auch, dass es nicht mein bestes Spiel war. Aber ich habe jetzt auch häufig genug gesagt, dass ich nicht bei 100 Prozent meiner Kräfte war", so Juri Knorr.
Sein früherer Mitspieler und Auftaktgegner Andy Schmid hatte ihm bereits vor dem EM-Turnier gewünscht: "Dass er diesem Druck standhalten kann, dem ihm auch die Öffentlichkeit manchmal zu Unrecht auferlegt." Mit Deutschland stieß Juri Korr ins EM-Halbfinale vor, mit dem vierten Platz wurden aber eine Medaille und die direkte Olympia-Quali verfehlte - diese wurde dann im März in Hannover nachgelöst. Und Juri Knorr steht im Sommer erneut im Fokus.
Olympia - ein Traum, der in der Familie liegt. Denn das Handball-Spielen wurde Juri Knorr de facto in die Wiege gelegt. Sein Vater Thomas absolvierte 501 Bundesliga- sowie 83 Länderspiele und gewann unter anderem vier Mal die Deutsche Meisterschaft und den Europapokal - und war bei den Olympischen Spielen 1996 in Atlanta für Deutschland im Einsatz.
Kein Wunder also, dass der kleine Juri in die Fußstapfen seines Papas treten wollte. Doch das war gar nicht so einfach - selbst der berühmte Name half ihm nicht weiter. "Ich ging mit fünf das erste Mal zum Training, aber sie haben mich nicht reingelassen. Ich musste mich bis zu meinem sechsten Geburtstag gedulden...", erinnert sich Juri Knorr in der Bock auf Handball an den Beginn seiner Handball-Karriere bei den Minis des VfL Bad Schwartau.
"Mein erstes Wort war wirklich Ball“, verrät Juri Knorr, der sich mit Lesen vom Sport ablenkt. Allerdings gelingt dies nicht immer. "Ich ärgere mich häufig, dass ich kein richtiges Hobby habe, das nichts mit Sport zu tun hat, und dass ich irgendwo permanent in dieser Sportblase lebe. Und ich ärgere mich wirklich darüber, dass ich so viel Sport konsumiere", gesteht der Mittelmann.
Das Wirtschaftspsychologie-Studium ist derzeit aufgrund des Handballs in den Hintergrund getreten. Einen noch höheren Stellenwert haben nur seine Familie und seine Freunde. Neben Papa Thomas und Mama Franziska zählen Juris kleine Schwester Vibe und natürlich seine Freundin Friederike zu seinem engsten Umfeld. "Meine Familie und meine Freunde stehen für mich über allem."
Juri Knorr braucht es nicht, im Mittelpunkt zu stehen. Sportlich ist er enorm zielstrebig, überzeugt mit Leistung. Abseits des Feldes wirkt er unaufgeregt und geerdet. Als "schönste Form der Anerkennung" bezeichnete er es bei Handball-Inside einmal, wenn Kinder ein Trikot mit seinem Namen tragen. In der Bock auf Handball berichtete er, dass sein erstes Trikot das von Lars Christiansen war.
Ein Stück seiner Art hat Juri Knorr sicherlich auch von Andy Schmid. Der Schweizer, der als einer der besten Spielmacher der Bundesliga-Geschichte gilt, war Knorrs Teamkollege bei den Rhein-Neckar Löwen. Mehr noch. Schmid, so sagen es manche in der Branche, habe Knorr zu dem gemacht, was er heute ist.
"Andy ist für mich sicherlich ein ganz besonderer Handballspieler, aber als Mensch war er für mich wichtiger", sagt Juri Knorr. Gerade neben dem Platz habe er ihm im ersten Löwenjahr enorm geholfen, ihm zur Seite gestanden. Man habe zuletzt auch telefoniert und geschrieben. "Ich konnte ihm ein, zwei Sachen mitgeben. Und er konnte mir auch ein paar Sachen mitgeben", so Schmid. Knorr ist in seinen Augen "ein fantastischer Spieler. Ein Mensch mit sehr viel Tiefe".
Andy Schmid, der 2022 nach zwölf Jahren bei den Löwen zurück in die Heimat nach Luzern gewechselt war, erfüllte sich mit der EM-Teilnahme mit der Schweiz und dem Spiel gegen Deutschland im Fußball-Stadion einen Traum. Ohne die Aussicht auf dieses Turnier hätte er, der inzwischen 40-Jährige, "vermutlich im Sommer 2022 aufgehört". Die EM habe er "über alles andere gestellt".
"Wir hatten ein sehr gutes Jahr zusammen. Nicht nur auf dem Feld, sondern vor allem auch neben dem Feld", sagte auch Andy Schmid. Für den Schweizer markiert die EM das Ende, er beendete direkt im Anschluss seine Karriere und wechselte direkt auf den Posten des Nationaltrainers. Juri Knorr ist noch ganz am Anfang, auch wenn er seit der WM 2023 im Mittelpunkt steht.
In der vor der EM erschienenen Ausgabe von Bock auf Handball gab Juri Knorr unterdessen noch tiefere Einblicke, auch in seine Kindheit, seine Familie oder sein Leben neben dem Handball.
Zudem spricht Juri Knorr auch über seine Haare. "Ich fand lange Haare schon immer irgendwie cool", sagt er. Um auf dem Spielfeld deswegen nicht den Durchblick zu verlieren, hat er die Haare dort zu einem Zopf zusammengebunden und mit einem Haargummi fixiert. Die Zeiten, in denen er ein Stirnband trug, sind dagegen vorbei.
Um seine Entzündungswerte im Körper zu reduzieren, hat Juri Knorr übrigens eine ganze Zeit lang auf Fleisch verzichtet - aber Fisch gegessen. Allerdings sei bei der Erstellung eines großen Blutbildes, wie er es regelmäßig machen lässt, zuletzt herausgekommen, "dass mir ein bisschen Fleisch guttun würde. Deshalb esse ich jetzt rund alle zwei Wochen wieder ein gutes Stück Fleisch. Ansonsten aber verzichte ich im Alltag weiterhin darauf."
Juri Knorr wechselte nach dem Abitur 2018 für ein Jahr in die Akademie des FC Barcelona, spielte dort in der zweiten Mannschaft und machte seine ersten Schritte im Profihandball. Ein Jahr später feierte er im Trikot von GWD Minden seine Bundesliga-Premiere, und abermals zwei Jahre später wechselte er zu den Rhein-Neckar Löwen, wo er bis heute spielt.
Im Alter von 20 Jahren feierte Juri am 5. November 2020 sein Debüt in der deutschen A-Nationalmannschaft. Und wurde schnell der Hoffnungsträger des deutschen Handballs - spielte vor einem Millionenpublikum am TV, wurde ins All-Star Team gewählt und feierte mit dem DHB-Team bei der EM einen Zuschauer-Weltrekord vor gut 53.000 Zuschauern im Fußball-Stadion in Düsseldorf.
Große Stadien kennt Juri Knorr übrigens. Anstatt auf Konzerte zu gehen, war der Handballer in seiner Jugend häufig mit seinen Kumpels in Fußballstadien unterwegs, oft per Zug in Hamburg oder Bremen, manchmal auch in Dortmund. "Ich bin kein Fan, aber Dortmund-Sympathisant", so Juri Knorr.
In der Bock auf Handball verriet er: "Meine beiden besten Kumpels waren Schiedsrichter, deshalb kamen sie kostenlos rein. Und der eine hatte noch einen Bruder, der auch Schiedsrichter war. Ich habe dann in seinem Schiedsrichterausweis mein Passbild über seines drüber geklebt und mich auch reingemogelt." Und nun stand er erst selbst bei der Heim-EM im Tunnel und nun vor großen Aufgaben bei Olympia.
cie mit Material SID, dpa und Bock auf Handball