29.11.2024, 15:00
Statt Oberliga-Spieler nun Leistungsträger in Hüttenberg
Eigentlich hatte er für diese Saison schon einem Oberligisten zugesagt, nun steht er doch in der 2. Handball-Bundesliga zwischen den Pfosten - und sorgt da mit dem TV Hüttenberg für Furore. Im handball-world-Interview äußert sich Torhüter Simon Böhne u.a. zu dem Wahnsinn, den er zuletzt erlebt hat, erklärt das TVH-Erfolgsrezept und spricht über seinen Aufstiegstraum.
handball-world: Simon, noch bis Ende Mai sah es so aus, als würdest du jetzt Oberliga spielen. Nun stehst du aber doch in der 2. Liga zwischen den Pfosten. Erklär mal, was ist da passiert?
Simon Böhne: Ich habe fast die ganze Rückrunde bei Hüttenberg gespielt, weil Leonard Grazioli nach Wetzlar musste, da sich dort Anadin Suljakovic verletzt hatte. Also wurde ich von der Drittliga-Mannschaft der HSG Wetzlar in die Zweitliga-Mannschaft des TV Hüttenberg geholt. Ich war dann erstmal hinter Finn Rüspeler. Dann hat Finn eine Stammzellspende gemacht und war, glaube ich, auch verletzt oder krank davor. Ganz genau weiß ich das nicht mehr.
Aber durch verschiedene Umstände habe ich also die Chance bekommen, als erster Torhüter in Hüttenberg zu spielen - und das eigentlich mit dem Wissen: Ich bin nächstes Jahr hier weg. Dann habe ich mir gesagt: 'Komm, du genießt einfach nochmal die letzten Spiele.' Ich habe dann gute Leistungen gezeigt. Ende Mai kam Hüttenberg nochmal auf mich zu und hat gesagt: 'Du hältst gerade so gut, hast du jetzt nicht nochmal Interesse bei uns weiterzumachen?' Dann haben wir uns zusammengesetzt - und ich habe einen Zweijahresvertrag unterschrieben.
Wie war das, als du erfahren hast, dass du doch in Hüttenberg bleiben darfst?
Ich habe mich mega gefreut. Ich war schon echt enttäuscht, als im Dezember die Absage kam. Weil das Abenteuer Profi-Sport dann für mich zu Ende war. So habe ich mich dann einfach umso mehr gefreut, dass ich doch weitermachen kann. Ich hatte zwar schon Pläne, im Sommer in den Urlaub zu fahren. Das ging dann nicht. Aber das war definitiv das kleinere Übel.
Du wurdest zum Spieler des Monats September gewählt, hast u.a. eine Riesenleistung mit 23 Paraden auf die Platte gebracht. Welches Feedback hast du da bekommen?
Nach dem Nordhorn-Spiel war medial schon mords was los. Auf Instagram, die HBL hat gefühlt ständig was gepostet. Ich habe ein, zwei TikToks gesehen, von FOM oder so mit Dyn. Das war schon krass und cool. Aber da darf dir halt der Erfolg nicht zu Kopfe steigen. Theoretisch war es nur ein Spiel und danach ging es weiter. Die darauffolgenden Spiele habe ich nicht mehr so gut gehalten.
Bist du da vielleicht sogar in ein kleines Loch dann gefallen, nach diesem großen Hype, weil es eben für dich auch noch etwas völlig Neues war?
Ich bin dann schon in ein kleines Loch gefallen, ja. Die Erwartungshaltung ist dann groß. Viel besser ging es ja danach nicht mehr. Aber ja, so ist es im Sport: Mal läuft es gut, mal läuft es nicht gut. Aber momentan läuft es auch wieder besser.
Du zählst mit einer Fangquote von über 34 Prozent statistisch zu den Top-Torhütern der 2. Liga. Wie erklärst du dir diese Leistungsexplosion?
Man muss sagen, die 34 Prozent habe ich vor allem wegen dieses Nordhorn-Spiels. Wenn du guckst, was ein Van der Merwe, Simonsen oder andere Torhüter wie Grupe über mehrere Spiele halten: Immer konstant 30, 40 Prozent. Das ist mir so noch nicht gelungen, mit dieser Konstanz und über einen langen Zeitraum. Man muss sagen: Aktuell muss ich das auch gar nicht, weil neben mir Yahav Shamir auch super funktioniert. Von einer Leistungsexplosion würde ich nicht sprechen, da ich schon in der Rückrunde der vergangenen Saison meine 30 Prozent gehalten habe. Jetzt gab es eben einen Ausreißer nach oben.
Lass uns nochmal auf das Nordhorn-Spiel schauen. 23 Paraden, wie läuft das? Hält man sich da in einen Rausch?
Ich komme gut ins Spiel rein, halte glaube ich zwei dankbare Bälle aus dem Rückraum - auch mit Block. Dann kommen noch Durchbrüche dazu - und dann, genau wie du sagst, komme ich in diesen Rausch-Zustand. Ich hatte dann zum Teil auch ein bisschen Glück bei manchen Würfen, die hätten zum Beispiel auch durch die Beine gehen können. Das kommt auch noch hinzu, aber so ein Glück muss man sich halt auch erarbeiten.
Dann sind die Werfer einfach eingeschüchtert, gerade in Hüttenberg, wo es sehr laut ist und die ganze Halle gegen dich. Man hält sich absolut in einen Rausch und das Selbstvertrauen bei den Gegnern wird ja auch immer kleiner - und das bedingt sich ja so ein bisschen.
Auch für euch als Mannschaft läuft es bisher hervorragend. Was macht euch so stark? Ist es die bekannte Hüttenberger 3:2:1-Abwehr?
Also wir sind definitiv defensiv sehr gut aufgestellt. Ich glaube, wir sind eine der Mannschaften mit den wenigsten Gegentoren (Anm. d. Red.: zweitwenigste der Liga, 327). Die 3:2:1-Abwehr ist gut, da wissen die Spieler oft nicht, was sie dagegen machen sollen. Ich muss aber auch sagen, wir als Torhüter - Yahav und ich -, egal wer spielt, wir funktionieren beide. Einer von uns ist immer gut drauf.
Außerdem haben wir ein gutes Tempospiel und sind im Angriff schwerer auszurechnen. Letzte Saison war es oft Ian Weber, der Verantwortung übernommen hat. Das hat er auch gut gemacht, aber der Gegner konnte sich vielleicht leichter darauf einstellen. Jetzt haben wir mehr Optionen. Da kannst du nicht sagen, der eine Spieler ist für uns ausschlaggebend. Bei uns muss man quasi auf alle achten - weil man nie weiß, wer von uns einen guten Tag hat. Wir werfen für Hüttenberger Verhältnisse auch sehr viele Tore. In den letzten Jahren war das bei uns relativ schwierig. Aber wir haben jetzt oft auch 30 Tore oder mehr geworfen.
Am Samstag (30. November) steht das Topspiel gegen Minden an. Zweiter gegen Vierter. Was ist diese Saison für euch drin?
Wenn mir jemand vor der Saison gesagt hätte, dass wir da oben stehen, hätte ich gesagt: 'Glaube ich nicht.' Wir hatten ein brutales Auftaktprogramm: Nordhorn zu Hause, BHC zu Hause, Balingen zu Hause. Das war schon echt hart. Aber wir haben es super gelöst. Wir haben Spiele zu Hause gewonnen. Wir stehen nur da, wo wir jetzt stehen, weil wir so eine Heimmacht sind. Auswärts sind wir noch nicht so gut in die Saison gekommen. Aber das kriegen wir auch noch hin.
Das ist einfach ein sehr, sehr gutes Jahr für uns. Wir spielen guten Handball. Die Halle ist bei uns immer sehr voll. Klar, der Aufstieg wäre schön. Da sagt man ja nie nein. Wenn du jetzt auf Tabelle guckst, sagst du: 'Einstelliger Tabellenplatz wäre schon sehr gut.' Du liebäugelst natürlich ein bisschen mit dem Aufstieg. Aber die Saison ist noch jung. Mal gucken, wo wir am Ende des Winters stehen.
bec