11.11.2024, 10:30
Schiedsrichter-Talente träumen vom Nachwuchskader
Als Spieler liefen Pit Hegebart und Leon Schönberger gemeinsam in der Jugendbundesliga auf, jetzt stehen sie in der gleichen Liga als Schiedsrichter auf dem Feld. Ihre aktive Erfahrung hilft ihnen an der Pfeife. Ihr großer Traum: Der Aufstieg in den Nachwuchskader.
Das erste Ziel ihrer Schiedsrichterkarriere haben Pit Hegebart und Leon Schönberger nicht nur erreicht, sondern bereits übertroffen. "Wir wollten mindestens so hoch pfeifen, wie wir gespielt haben", verrät Schönberger lachend. "Und jetzt", ergänzt Hegebart mit einem Lächeln, "pfeifen wir bereits schon höher." Am 07. September 2024, fast auf den Tag genau zwei Jahre nach ihrem Debüt in der Jugendbundesliga, waren sie das erste Mal in der 3. Liga der Männer angesetzt.
Die größte Aufregung gab es jedoch schon vor dem Spiel: Auf dem Weg nach Melsungen landeten die beiden 26-Jährigen in einer Vollsperrung. 20 Fahrminuten von der Halle entfernt ging es weder vor noch zurück, der Anpfiff rückte unerbittlich näher und obwohl sie doch mehr als rechtzeitig losgefahren waren, geriet die Premiere in Gefahr.
"Wir haben gezittert, weil wir nicht wussten, ob wir es schaffen", erinnert sich Schönberger. Der Delegierte, der sie beim Debüt unterstützen sollte, übernahm die technische Besprechung - und endlich löste sich auch die Vollsperrung. 20 Minuten vor dem Anpfiff kamen Hegebart/Schönberger in der Stadtsporthalle an und konnten vor 100 Zuschauern doch noch ihr Debüt geben.
"Den Sprung von der Jugendbundesliga in die 3. Liga merkst du auf dem Feld sofort", fasst Hegebart den ersten Eindruck zusammen. "Die Spieler sind abgezockter und wissen ganz genau, wie sie mit den Schiedsrichtern umgehen müssen. Das hebt so ein Spiel für dich auf ein ganz anderes Level." Der Schritt von der höchsten Liga des Landesverbandes in die Jugendbundesliga sei hingegen, da sind sich beide einig, nicht annähernd eine so große Herausforderung gewesen.
Allerdings, und auch das betonen die beiden Unparteiischen unisono, profitierten sie in der höchsten deutschen Jugendspielklasse von ihren eigenen Erfahrungen auf dem Feld. Von 2016 bis 2018 liefen Rechtsaußen Hegebart und Rückraumspieler Schönberger für die HSG VfR Eintracht Wiesbaden in der Jugendbundesliga auf - unter anderem zusammen mit einem inzwischen deutschlandweit bekannten Mitspieler namens Johannes Golla.
Es war das zweite Mal in ihrer Karriere, dass Hegebart und Schönberger zusammenspielten. Ihre erste gemeinsame Station war die JSG Eltville/Bad Schwalbach gewesen, in der D-Jugend lernten sie sich dort kennen. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft war es jedoch (vorerst) nicht. "Im ersten Training haben wir uns direkt gehasst", erinnert sich Schönberger mit einem Grinsen. "Wir hatten damals die gleiche Position und waren beide Anführertypen, der andere war nur Konkurrenz - es hat gar nicht harmoniert."
Während Hegebart bei der TG Eltville blieb und schließlich Rechtsaußen wurde, wechselte Schönberger zum Nachbarverein HSG Schierstein/Dotzheim. Als die HSG VfR Eintracht Wiesbaden in der B-Jugend die talentierten Spieler aus der Region zu einem Sichtungstraining einlud, um eine leistungsorientierte Jugendabteilung aufzubauen, trafen sie sich wieder - und verstanden sich auf einmal bestens.
"Pit war meine erste Bezugsperson in Wiesbaden", sagt Schönberger heute. Die neu zusammengewürfelte Mannschaft wurde von der hessischen Trainerlegende Fritz-Peter Schermuly ein Jahr geschliffen und schaffte die Qualifikation zur Jugendbundesliga. "Das kam relativ überraschend", erinnert sich Hegebart. "Wir wollten es genießen und das Gefühl ausreizen, dass wir zu den besten 50 Mannschaften des Landes gehören."
Ambitionen auf eine Profikarriere machten sich weder Hegebart noch Schönberger. "Wir konnten realistisch einschätzen, dass es nicht für ganz oben reichen wird", sagt Schönberger. "Dennoch war die Jugendbundesliga für uns ein großer Anreiz. Wir wollten gucken, wie hoch es gehen kann und einen Schritt in unserer Entwicklung machen."
Das erste Jahr in der Jugendbundesliga lief so gut, dass sich das Team direkt den Startplatz für die kommende Saison sichern konnte. "Für mich war das Wichtigste, dass wir die Zeit mit unseren Freunden genießen konnten, das waren tolle Jahre zusammen", schwärmt Schönberger. "Wir kannten uns ja alle schon vorher, wenn auch als Gegenspieler", erklärt Hegebart. "Wir waren auf einmal eine Mannschaft aus den besten Spielern der kleinen Vereine in unserer Region."
Nach der Saison 2017/18 endete die Jugendzeit; Schönberger zog für ein Lehramtsstudium nach Gießen und legte eine Handball-Pause ein. Hegebart absolvierte eine Ausbildung zum Schreiner, kehrte zur TG Eltville zurück, für die er bis heute aufläuft - und widmete sich der Schiedsrichterlaufbahn, die er bereits zwei Jahre zuvor im Kinderhandball begonnen hatte. Als sein erster Gespannpartner aufhörte, "habe ich Leon bequatscht, dass er mit mir pfeift", fasst der 26-Jährige zusammen.
Gesagt, getan: Schönberger absolvierte die Lizenzprüfung und zur Saison 2018/19 stieg das neue Duo im Bezirk Wiesbaden-Frankfurt ein. Die jungen Unparteiischen verkauften sich gut und erhielten für das Frühjahr 2020 eine Einladung zum renommierten Sichtungsturnier des Deutschen Handballbundes nach Biberach. Der Ausbruch der Corona-Pandemie stoppte die Laufbahn; das Turnier fand nicht statt und das Duo befand sich auf einmal in der Warteschleife.
Ganz vom Zettel des Perspektivkaders verschwanden die beiden jedoch nie und als ein Sichter zu einem ihrer Oberligaspiele nach Pohlheim reiste, konnten sie ihn überzeugen. Zur Saison 2022/23 wurden Hegebart/Schönberger in den Perspektivkader aufgenommen. "Die Freude war riesig, weil wir damit unser erstes Ziel erreicht hatten", sagt Schönberger.
Im September 2022 gaben sie beim Spiel Rhein-Neckar Löwen gegen HG Oftersheim/Schwetzingen ihr Debüt, Endstand 31:27 für den Nachwuchs des Bundesligisten. "Mehr Freude als Aufregung" sei es gewesen, formuliert Hegebart. Große Anpassungsprobleme hatten sie nicht. "Das A-Jugend-Feeling hat uns in die Karten gespielt", sagt Schönberger. "Wir wussten aus eigener Erfahrung, wie sich die Spieler fühlen, was diese Liga für einen Wert für sie hat und wie sie wollen, dass der Schiedsrichter mit ihnen spricht."
Ihre eigene Spielerkarriere half ihnen nun an der Pfeife. "Wir hören in Coachings immer wieder, dass das Spielverständnis unsere Stärke ist", erklärt Schönberger. "Wir pfeifen relativ spät, weil wir erkennen können, in welchen Situationen der Ball noch weitergeleitet werden kann und lassen auch viel Körperkontakt zu, wenn der Pass noch kommen kann. Wir wollen ein Spiel ermöglichen, wie wir uns das selbst gewünscht hätten."
Mit Erfolg: In den vergangenen zwei Jahren lieferten sie ihre Leistung ab und wurden im Januar 2024 für das Finale des Deutschland-Cups der Mädchen nominiert. Im Sommer folgte der Aufstieg in den "Perspektivkader plus", der auch in der 3. Liga eingesetzt wird; in einem Monat geht es nach Kassel zum Deutschland-Cup der Jungen des Jahrgangs 2008.
Neben den Aufstiegen und dem Endspiel beim Deutschland-Cup gehören auch die Teilnahme am Quirinius-Cup („es hat uns gereizt, dort das erste Mal Jugendteams aus anderen Ländern zu pfeifen und viele Schiedsrichterkollegen kennenzulernen.“) und das Lokalderby zwischen der TSG Münster und der HSG Breckenheim Wallau/Massenheim um den Aufstieg in die 3. Liga („Volle Halle und gute Stimmung.“) zu den Karrierehighlights. Und der nächste große Traum steht auch schon fest: Hegebart/Schönberger wollen den Aufstieg in den Nachwuchskader des Deutschen Handballbundes schaffen.
Zweieinhalb Jahre haben sie Zeit, die Coaches und Verantwortlichen von sich zu überzeugen. Sollte es gelingen, wäre es die nächste Stufe auf ihrer Handball-Karriereleiter. "Wir haben es als Spieler nicht in die 3. Liga geschafft und sind unheimlich stolz, dass wir jetzt als Schiedsrichter dort stehen", betonen sie. "Wenn wir es sogar noch bis in die 2. Bundesliga schaffen sollten, wäre das unglaublich!"
33 Gespanne pfeifen in der Saison 2024/25 im Perspektivkader (PK). Sechs von ihnen besitzen den Status "PK plus", was bedeutet, dass sie bereits in der 3. Liga eingesetzt werden.
Anne Baabbouz / Karen Baabbouz
Thilo Bauer / Lars Pohlmann
David Beschorner / Arne Morawitz
Florian Börner / Alexander Knoche
Jonas Brühl / Nils Knacksteht
Julian Burdack / Lukas Oestmann
Paolo D`Oria / Julius Hlawatsch (PK plus)
Georgios Dalampakis / Levin Wanders
Bjarne Deiters / Jesper Stumpfe
Tom Deupert / Nico Hecker
Till Egler / Simon Weißbrod
Philipp Etzold / Lennard Zerlin (PK plus)
Nico Feilbach / Finn Reinstädtler
Noah Fikus / Jonas Schmidt (PK plus)
Luis Füllner / Felix Schütze
Jasper-Thorben Gierke / Daniel Harder
Pit Hegebart / Leon Schönberger (PK plus)
Rebana Hettich / Sabrina Müller
Lionel Kleber / Benjamin Klose
Christoph Krick / Julian Scholl
Finn Kröhnert / Leon Kröhnert
Elias Langer / Lukas Schneider
Niklas Linke / Kay Alexander Wenzel
Nico Lippoldes / Arthur Punte
Yeray López Arauco / Thimo Rustenbach
Roby Lüdemann / Sven Mühlenberg
Nikolai Luis / Patrick Verheyen
Robert Mischock / Christopher Riebesam (PK plus)
Oliver Muttach / Nick Schillinger
Cedric Pignot / Tobias Zinn
Marel Priesett / Nico Schöttelndreier (PK plus)
Kay Reimann / Marius Timm
Dominik Zahs / Nils Zahs
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