13.08.2024, 12:45
Von der Reserveliste zu Olympia-Gold
Europameister 2008 und 2012. Weltmeister 2019 und 2023. Champions-League-Sieger 2013. European-League-Sieger 2018 und 2023. Deutscher Meister 2011. DHB-Pokalsieger 2010. Und nun, im Alter von 43 Jahren, folgte auch noch der letzte große Titel: Der Olympiasieg 2024. Nur Lasse Svan, Thierry Omeyer, Nikola Karabatic, Daniel Narcisse und Niklas Landin gelang dieser "Golden Slam" der Handballtitel ebenfalls.
"Das ist surrealistisch", suchte ein sichtlich überwältigter Hans Lindberg nach der Siegerehrung im Stade Pierre Mauroy in Lille nach Worten. "Vor zwei Monaten war ich kein Teil der Mannschaft, ich habe gedacht, dass ich einen langen Sommerurlaub genießen sollte."
In der Tat sah es zunächst gar nicht danach aus, dass Lindberg überhaupt nach Paris fahren würde. In seinem 17er-Kader berücksichtigte Nationaltrainer Nikolaj Jacobsen den 43-Jährigen Anfang Juli nicht; erst nach der Verletzung von Linkshänder Mads Hoxer im Training wurde Lindberg zwei Wochen vor dem Start der Olympischen Spiele nachnominiert.
"Auf einmal bin ich rein ins Feuer geschmissen worden und jetzt stehen wir da als Mannschaft mit der Goldmedaille", sagte Lindberg. "Seitdem wir im Trainingslager waren, hatten wir nur Gold im Blick und jetzt hängt es wirklich um den Hals. Das macht große Freude."
Das 39:26 im Finale gegen Deutschland war eine Machtdemonstration des Turnierfavoriten Dänemark. "Ich glaube, das ist das beste Spiel, was ich je von unserer Nationalmannschaft gesehen habe und auf jeden Fall das Dominanteste", zeigte sich Lindberg von der Leistung seiner Mannschaft beeindruckt. "In so einem Finale so ein Level erreichen, in so einem wichtigen Spiel, ist phänomenal."
Er verglich es mit dem WM-Finale 2019, als Dänemark vor eigenem Publikum mit 31:22 gegen Norwegen gewann und den ersten seiner drei WM-Titel in Serie holte. "Wir wissen, dass wir gut sind, dass wir auf jeder Position Topspieler haben, aber das trotzdem so rauszuholen und auf das Feld zu bringen in einem Finale, ist klasse und macht mich natürlich sehr stolz", strahlte der Rechtsaußen.
Für den 43-Jährigen blieb bei dem Turnier die Reservistenrolle hinter Niclas Kirkelökke, der aufgrund seiner Defensivqualität auf der Halbposition verteidigen kann. So kann Mathias Gidsel auf der Außenposition in der Abwehr "geschont" werden und seine Qualitäten im Umschaltspiel ausspielen. Lindberg kam hingegen nur auf 1:18 Stunde Spielzeit und drei Tore.
Der Rechtsaußen nahm die Rolle gelassen an. "Obwohl ich weniger Spielzeit gekriegt habe als andere, macht es einfach Spaß, Teil so einer Mannschaft zu sein", schwärmte er. "Wie gut wir sind, wie seriös wir damit umgehen und was für ein hohes Level wir erreichen, macht Spaß. Jede Trainingseinheit ist inspirierend."
Während das Olympia-Finale für Mikkel Hansen und Niklas Landin das letzte Spiel im Nationaltrikot war, verzichtet Lindberg auf einen offiziellen Rücktritt. "Ich habe seit 2019 gedacht, dass ich mein letztes Nationalmannschaftsspiel abgeliefert habe und ich bin trotzdem noch da", grinste er und betonte: "Ich werde immer zu Verfügung stehen."
Das Nationalteam ist, das war zu spüren, eine Herzensangelegenheit. "Ob Nikolaj mich nutzen kann oder nicht, ist nicht meine Verantwortung, aber ich würde niemals Nein sagen zur Nationalmannschaft", unterstrich Lindberg, der vor 21 (!) Jahren sein Debüt in der Nationalmannschaft gegeben hatte.
Ob Nikolaj Jacobsen ihn für die Heim-Weltmeisterschaft 2025 einplant, ist offen, aber für Lindberg geht es auf jeden Fall in die Heimat. Nach 17 Jahren in der Bundesliga wird er künftig bei seinem Heimatverein HØJ Håndbold auflaufen. "Ich freue mich auf unser neues Haus, wo ich bisher noch nicht war und ich freue mich riesig, [nach Dänemark] zurückzukommen", erklärte er in Lille und strahlte: "Ich freue mich einfach riesig darauf, ein neues Kapitel anzufangen."
Julia Nikoleit