18.02.2025, 10:44
Auswärtsspiel mit besonderer Geschichte
Der VfL Gummersbach spielt am heutigen Abend in der EHF European League auswärts bei MOL Tatabanya KC. Und im Reisegepäck werden Verein und mitreisende Fans auch immer wieder die Erinnerungen an den Unfall von Joachim Deckarm haben. Am 30. März wird sich dieses tragische Ereignis bereits zum 46. Mal jähren.
Erinnerungen an den Tag, der sein Leben auf dramatische Weise veränderte, hat Joachim Deckarm, der einer von sechs Handballern in der Hall of Fame des deutschen Sports ist, nicht. Und auch die Videobilder von dem tragischen Unfall, der seine Karriere auf brutale Weise vorzeitig beendete, hat sich der einst weltbeste Handballspieler und Weltmeister von 1978 aus Selbstschutz nie angeschaut. "Depressionen habe ich nie gehabt", erklärte der seit jenem 30. März 1979 auf Pflege angewiesene Deckarm einmal.
Beim Europacupspiel mit dem VfL Gummersbach im ungarischen Tatabanya knallte der damals 25-jährige Rückraumspieler nach einem unglücklichen Zusammenstoß mit Lajos Pánovics mit dem Kopf auf den Betonboden, der nur mit einer dünnen PVC-Schicht belegt war. Die Folge: ein doppelter Schädelbasisbruch, ein Gehirnhautriss und schwere Gehirnquetschungen.
Spieler und Betreuer tragen ihn vom Feld, Joachim Deckarm fällt ins Koma. Heiner Brand, der die fürchterlichen Ereignisse mit ansehen muss, sprach vom "Schlimmsten", was er in seiner Karriere erlebt habe. Den Unfall habe er "eigentlich nie so richtig verdaut", so der Gummersbacher, der - nach dem gemeinsamen WM-Titel mit Joachim Deckarm - als Trainer mit dem DHB-Team diesen Erfolg 2007 wiederholen konnte.
131 Tage lag Deckarm danach im Koma. Als er aufwachte, musste er praktisch alles neu erlernen. Seinem Gegenspieler hat der begnadete Techniker, der damals als bester Handballer der Welt galt, dennoch nie einen Vorwurf gemacht. Im Gegenteil. "Wir beide wissen, dass der Zusammenprall keine absichtliche Aktion war. Dennoch hat ihn das Unglück seelisch tief getroffen", sagte Deckarm einmal in einem Interview des Magazins "Handball Inside".
Für eine Dokumentation reiste Joachim Deckarm 2014 nach Tatabanya, traf vor Ort den am damaligen Unfall völlig schuldlosen Lajos Panovics. Heiner Brand, der ihn begleitete, berichtete, dass es "einmal mehr emotional bewegend" für alle Beteiligten war. "Wir waren auch in der Halle und in der Umkleidekabine, Lajos erklärte noch einmal wie und wo es passierte - die Erinnerungen von damals aber tun der Freundschaft zwischen Joachim und Lajos keinerlei Abbruch." Fünf Jahre später erinnerte auch das ZDF Sportstudio an die tragischen Ereignisse und sprach mit Zeitzeugen.
Seinen Lebensmut hat Deckarm durch den Schicksalsschlag nie verloren. Sein Lebensmotto lautete stets: "Ich will, ich kann, ich muss." Nachdem er viele Jahre in Saarbrücken lebte - erst im Elternhaus bei seiner Mutter, nach deren Tod dann in einer Betreuungseinrichtung -, zog Deckarm Ende 2018 nach Gummersbach in ein Seniorenheim um. Längst kann er sich nur noch im Rollstuhl fortbewegen. Seine Lebens- und Leidensgeschichte ist in dem Benefiz-Buch "Teamgeist - Die zwei Leben des Joachim Deckarm" beschrieben.
chs, mit Material dpa