21.02.2024, 13:58
Zweite Welle - Deine Handball-Kolumne
Der offene Brief der Flensburger Fanclubs hat die Diskussion um die Ticketpreise beim REWE Final Four neu angeheizt. Sind die Preise überzogen? Ist das Pokalfinale nur noch ein Handball-Event für Besserverdiener? Und warum wird hier plötzlich wieder in D-Mark gerechnet? Handball-Autor Daniel Duhr präsentiert in seiner Kolumne "Zweite Welle" Alternativen zum Final Four-Erlebnis vor Ort.
Das günstigste Ticket für das REWE Pokal Final Four Mitte April kostet rund 75 Euro. 75 Euro? Das sind ja fast 150 Mark! Hat sich der Deutsche im Allgemeinen nach 22 Jahren doch ganz gut mit dem Euro arrangiert, so verfällt er bei Dingen, die ihm a) persönlich wichtig und b) persönlich zu teuer sind wieder in D-Mark-Zeiten und hyperventiliert lautstark einen empörten Mark-Vergleich in sein Umfeld.
Für 75 Euro kann man sich heute einen halben Einkaufswagen vollmachen, einmal den Tank vollmachen oder zweimal in die Sauna. Vieles ist teurer geworden. So auch die Karten für Handballspiele. Doch die Flensburger Fanclubs haben in ihrem offenen Brief nicht nur die hohen und ihrer Meinung nach zu hohen Ticketpreise kritisiert.
Zumal ja das Rechenbeispiel mit den 75 Euro auch nur in der günstigsten und in diesem Fall auch billigsten Preiskategorie greift - in den anderen reicht die Preisspanne von rund 130 bis weit über 600 Euro. Nein, die Flensburger Fanvertreter monieren auch das Rahmenprogramm, das sie atmosphärisch irgendwo zwischen Jahrmarkt und Großraumdisko ansiedeln.
Frank Bohmann, der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, argumentiert die Preise betreffend, dass man dafür aber auch vier Spiele der weltbesten Teams zu sehen bekomme. Und beim Rahmenprogramm zeigt er sich durchaus gesprächsbereit.
Das Final Four solle ein Riesenerlebnis für alle Fans sein - vor dem Bildschirm, vor allem aber auch in der Lanxess Arena. Beim Ablauf und der Musikwahl beispielsweise gehe man gerne in einen konstruktiven Dialog.
Heute wird beinahe jede Veranstaltung zu einem Event erklärt. Alles hat immer einen Mehrwert. Bei den großen Handball-Events schießen Maskottchen mit einer Kanone Trikots in die Ränge, die Besucher können sich im Foyer in ihrer eigenen Wurfgeschwindigkeit messen und aus den Boxen animieren Sweet Caroline und die Höhner die Handball-Familie zur Handball-Party.
Das ist toll für all die, die Handball genau als dieses Rundum-Spektakel haben möchten, die gerne mal ein Event besuchen, bei dem praktischerweise auch Handball läuft und die genug Scheine im Portemonnaie haben, um auch in den Preiskategorien, in denen man kein Fernglas braucht, aktiv werden zu können.
All jene, die schon beim Wort "Rudelgucken" dankend abwinken und choreographierte Eröffnungsfeiern mit Tüchern und Bändern wedelnden Volunteers überflüssig finden, hätten lieber die puristische Handball-Variante ohne Chichi, dafür aber auch ohne eine Hypothek für die Karte aufzunehmen.
Ganz offensichtlich gibt es aber genug Fans, die das aktuelle Setting gut finden. Sonst wären die Tickets - auch die obszön teuren - nicht mit der Regelmäßigkeit milosavljevscher Paraden so schnell ausverkauft.
Dass es aus Fansicht natürlich wünschenswert wäre, mehr als die 2.500 Karten - rund ein Achtel aller Tickets - zum noch vertretbaren Preis von 75 Euro anzubieten, steht außer Frage. Der Rest der Diskussion ist einmal mehr Geschmackssache.
Ich für meinen Geschmack bin gerne mal in Köln. Mal. Wissend, dass mich dort neben Spitzenhandball auch Handball-Karneval erwartet. Viel lieber noch bin ich aber beispielsweise in der Essener Sporthalle "Am Hallo", beim TuSEM. Für 20 Euro bekomme ich da neben meinem Steher noch ein Pils und eine Bratwurst.
Übrigens: Statt mit seinem Partner zusammen für dann mindestens 150 Euro zum Final Four zu gehen, kann man sich auch ein Dyn-Jahresabo holen. Da bekommt man zum gleichen Preis dann alle Spiele zu sehen.
Mit FOM, Kretzsche und Annett Sattler statt der sweeten Caroline und den Höhnern an den Mikros. Und für 15 Euro mehr gibt es dann zuhause statt Kölsch aus dem Plastikbecher eine eiskalte Kiste Flensburger.
In Zweite Welle schreibt Bestseller-Autor Daniel Duhr regelmäßig über aktuelle Handball-Themen auf und neben der Platte. Und lädt euch damit zur Diskussion ein. Welchen Standpunkt vertretet ihr? Wir freuen uns auf eure Meinungen!
Daniel Duhr ist Autor der Reihe "Handballhölle", die allesamt zu Bestsellern geworden sind. Ebenso wie das kurz vor der EM erschienene Buch "Bock auf Handball", in dem Persönlichkeiten aus dem Handball wie Silvio Heinevetter oder Bob Hanning interessante Geschichten aus dem Handball erzählen und Bennet Wiegert beispielsweise über eine Auswärtstour nach Sibirien berichtet.
Daniel Duhr