05.03.2024, 08:08
Bundestrainer unterschreibt bis 2027
Der DHB hat die Zusammenarbeit mit Bundestrainer Alfred Gislason bis zum Februar 2027 verlängert - sofern die Olympia-Qualifikation gelingt. Doch ist die Vertragsverlängerung das richtige Signal für das "Jahrzehnt des Handballs"? Ein Kommentar von Sebastian Mühlenhof.
Nun ist es also offiziell. Bundestrainer Alfred Gislason bekommt wie vermutet einen neuen Vertrag. Sein Engagement verlängert sich bis zum 28. Februar 2027 - zumindest, wenn sich die Nationalmannschaft in Kürze für die Olympischen Sommerspiele in Paris qualifiziert. Bei zwei zu vergebenen Tickets dürfte das eigentlich nur eine Formsache sein.
Der Verband setzt somit sein ganzes Vertrauen in den Isländer, damit dieser das große Ziel vom Sieg bei der Heim-WM 2027 erreicht. Mit Platz vier bei der Heim-EM wähnt sich das DHB-Präsidium, indem mit Uwe Schwenker ein enger Vertrauter Gislasons sitzt, anscheinend auf dem richtigen Weg.
Mit der Integration von jungen Spielern wie Juri Knorr, Julian Köster und Renars Uscins hat er den Grundstein bereits gelegt. Diese Generation, zu der auch Justus Fischer, Nils Lichtlein und David Späth gehören, wird die Basis für das Turnier in drei Jahren sein und dürfte bis dahin wichtige Erfahrungen sammeln, sofern die Schlüsselspieler gesund bleiben. Das ist zweifelsfrei auch der Arbeit von Gislason zu verdanken.
Doch zur Wahrheit gehört auch, dass die Kritik am 64-Jährigen im Nachgang an die EM größer geworden ist - und das, obwohl ihm die beste Platzierung in seiner vierjährigen Amtszeit gelungen war.
Im Zentrum der Kritik steht nicht zuletzt seine Fokussierung auf wenige Spieler. Er setzt auf einen kleinen Stamm, der im besten Fall 50+ Minuten abspult und nur wenige Auszeiten bekommt. Diese Strategie führte dazu, dass Knorr als Dreh- und Angelpunkt der Offensive in der entscheidenden Turnierphase stehend K.O. wirkte.
Dass Gislason Lichtlein oder aber dem erfahrenen Philipp Weber wenig Vertrauen schenkte, sei in diesem Zusammenhang nur wenig nachvollziehbar, wie zuletzt Bob Hanning behauptete. Damit schien er einen Nerv getroffen zu haben. Gislason reagierte ungewohnt dünnhäutig und bezeichnete ihn als "keine Koryphäe im Welthandball". Seine Botschaft: Kritik an seinen Entscheidungen ist unerwünscht.
Dabei liefert er genug Ansatzpunkte, für die man ihn durchaus kritisieren kann. Seine Auszeiten sind längst nicht mehr so stark wie einst. Es fehlen offensive Lösungen. Dass er immer wieder Spieler einbezieht, was offensiv gespielt wird, mag den Profis gefallen, doch nährt es auch Zweifel.
Selbige Zweifel gibt es auch an seinem Coaching während der Partie und seiner Strategie in Offensive und Defensive. Das Experiment mit Christoph Steinert als Rechtsaußen ist offensiv längst gescheitert, doch Gislason setzt auf dieser Position lieber als Aushilfe auf ihn anstatt einen in starker Form agierenden Bundesliga-Spieler wie Tim Hornke zu nominieren.
Der gerne genutzte Vergleich mit Dänemark hinkt dabei enorm. Während Steinert bei der EM nur zwei von fünf Würfen von außen traf, nutzte Niclas Kirkeløkke sieben seiner zehn Chancen - und ist damit fast doppelt so treffsicher.
Dabei haben die letzten zwei EM-Spiele bewiesen, dass er eine bessere Lösung im Kader hat. Mit Renars Uscins gibt es einen Halbrechten, der sowohl offensiv wie auch defensiv starke Ansätze gezeigt hat. Es wird daher Zeit, dass der U21-Weltmeister nun im DHB-Team die Nummer eins wird - und auf Außen gelernte Profis dauerhaft zum Einsatz kommen.
Uscins ist längst ein Sinnbild dafür geworden, dass der Bundestrainer eben doch nicht konsequent auf die Jugend setzt, wie er es nach außen oft erzählt. Mit Hanne, Späth, Lichtlein, Fischer und Uscins befinden sich gleich fünf hochveranlagte Spieler unter den sieben Nationalspielern mit den wenigsten Einsatzzeiten bei der EM - nur Philipp Weber und der nachnominierte Lukas Zerbe kamen genauso sporadisch zum Einsatz.
Diese Kritik hat nach der Nominierung für die Olympia-Qualifikation neue Nahrung erhalten. Mit Steffen Weinhold und Hendrik Pekeler befinden sich zwei Alt-Stars im 35er-Kader, die ihre Karriere im Nationalteam eigentlich bereits beendet haben. Dass Weinhold trotz seines Rücktritts sogar gleich mehrmals vom Bundestrainer angerufen wurde, dürfte für andere Spieler, die gerne ins Nationaldress wollen, ein Schlag in die Magengrube sein.
Zuletzt gab es schon die erste prominenten Stimmen, die Bennet Wiegert als neuen Bundestrainer ins Spiel brachten. Der Trainer des SC Magdeburg kann sich den Job zwar nicht "kurzfristig" vorstellen, aber dennoch hätte man bestimmt eine Lösung im Sinne für den Sport finden können.
Stattdessen geht der Verband lieber den einfachen Weg - eine Lösung, die Schwenker und Co. im Falle eines Misserfolgs um die Ohren fliegen könnte.
Sebastian Mühlenhof