25.01.2024, 10:26
Deutschland blickt nach Schweden
Die deutsche Handball-Nationalmannschaft träumt vom Europameister-Titel im eigenen Land. Der Blick in die Geschichte des Wettbewerbs macht allerdings nur bedingt Hoffnung - doch mit dem Einzug ins Halbfinale ist das Team bereits weiter als viele Gastgeber zuvor.
WM-Titel wurden im eigenen Land tatsächlich schon häufiger gefeiert. Darunter 1954 in Schweden, 2001 in Frankreich, natürlich 2007 beim "Wintermärchen" in Deutschland, 2013 in Spanien, 2017 wieder in Frankreich und 2019 in Dänemark - vor vor fünf Jahren war Deutschland allerdings Co-Gastgeber.
Doch wie sieht es bei den erst seit 1994 ausgetragenen Europameisterschaften aus? Es gelang tatsächlich nur einer einzigen Mannschaft, wenn auch einer ganz besonderen. Und selbst das Finalwochenende erreichte zuletzt Dänemark 2014. Doch der Reihe nach.
1994 richtete Portugal als erste Nation eine Handball-Europameisterschaft aus - und ging gnadenlos unter. Die Portugiesen wurden in ihrer in Porto ausgetragenen Vorrundengruppe punktlos Letzter. Weit weg von ihrem besten Ergebnis, einem sechsten Platz bei der EM 2020. Dicht dran waren 1996 die Spanier - erst im Finale wurden die Iberer von Russland (22:23) ausgebremst.
Ein ähnliches Fiasko wie Portugal bei der ersten erlebte Italien 1998 bei der dritten Ausgabe: Die Italiener wurden in Gruppe A mit nur einem Sieg aus fünf Spielen Letzter. Es war die einzige Teilnahme Italiens, die auf Rang elf von zwölf endete.
Im Jahre 2000 wurde Kroatien bei der Heim-EM nur Sechster, auf dem Thron landete wie schon 1994 und im Jahr zuvor Schweden. Die legendäre Mannschaft um Magnus Wislander, der von der IHF zum "Welthandballer des Jahrhunderts" gewählt wurde, machte 2002 den Titel-Hattrick sowie den vierten Titel in nur acht Jahren perfekt - und das im eigenen Land. Ein Kunststück, das in der Folge keinem Team mehr gelingen sollte. Das Finale gegen Deutschland war an Dramatik kaum zu überbieten (33:31 n.V.).
Zwei Jahre später gelang Deutschland selbst der große Wurf, 2004 wurde nämlich Gastgeber Slowenien auf Platz zwei verwiesen. EM-Silber war das bis heute beste Abschneiden der stolzen Handball-Nation. Nicht wirklich von ihrem Heim-Vorteil profitieren konnten 2006 die Schweizer, die mit nur einem Punkt aus drei Spielen in der Vorrunde ausschieden und lediglich zwei der 16 Teams hinter sich ließen.
Nur bedingt vom Publikum getragen wurde 2008 auch Gastgeber Norwegen, der das Spiel um Platz fünf nach der zweiten Verlängerung gegen Schweden verlor. 2010 wurde Österreich am Ende Neunter.
Ein denkwürdiges Turnier im eigenen Land erlebten 2012 dagegen die Serben, die mit riesigem Abstand ihr bestes EM-Ergebnis überhaupt erzielten. Das Team um Superstar Momir Ilic, zum MVP des Turniers gewählt, drang bis ins Finale vor, wo sich Dänemark am Ende doch knapp durchsetzte (21:19). Davor und danach kam nicht viel - Platz zwölf war 2018 noch das beste Abschneiden nach EM-Silber sechs Jahre zuvo
Ganz nah dran am Titel im eigenen Land war 2014 auch Dänemark. Die Dänen surften auf der Euphoriewelle bis ins Finale. Dort allerdings spielten die Franzosen den Gastgeber und Titelverteidiger in einem denkwürdigen Spiel mit 41:32 her. 2016 folgte überraschend der zweite deutsche EM-Titel beim Wettstreit in Polen, das das kontinentale Turnier als Siebter beendete. Ihr bestes Abschneiden hatten die Polen bereits sechs Jahre zuvor mit Rang vier gefeiert.
Zum zweiten Mal den Gastgeber gaben 2018 die Kroaten, die allerdings nur Fünfter wurden und mit den Medaillen nichts zu tun hatten. Den Heimvorteil spürten 2020 Österreich - bestes Ergebnis mit Platz acht - und Norwegen - bestes Ergebnis mit EM-Bronze -, während der dritte Co-Gastgeber Schweden als Rekord-Europameister nur auf einem enttäuschenden siebten Rang einlief.
Bei der letzten EM im Januar 2022, die besonders beim deutschen Team von Corona überschattet wurde, enttäuschten die Gastgeber Ungarn (15.) und Slowakei (18.). Ein besonderes Jahr war es dagegen für die Schweden, die nach dem Hattrick 2002 erstmals wieder die europäische Krone ihr Eigen nennen durften.
Eine Garantie für Erfolg ist eine Heim-EM also beileibe nicht. Und dennoch ist ein großer deutscher Wurf nach schwedischem Vorbild keine reine Utopie. Und mit dem Einzug ins Halbfinale ist Deutschland so nah dran wie nur wenige Gastgeber zuvor.
Maximilian Schmidt