24.05.2024, 12:05
Zwei Leistungsträger im direkten Duell
Am Samstagabend stehen sich im zweiten Halbfinale der European League Füchse Berlin und Rhein-Neckar Löwen gegenüber. Im Fokus? Besonders die beiden Rechtsaußen-Routiniers Hans Lindberg und Tobias Reichmann.
Die Gemeinsamkeiten sind zahlreich. Beide sind 1,88 m groß. Beide haben ihren handballerischen Zenit eigentlich überschritten. Beide haben sich bei Verein und Nationalmannschaft außergewöhnlich verdient gemacht. Beide waren in der letzten Saison eigentlich gar kein Thema bei ihren Vereinen. Beide werden ihre Clubs nach der Saison aller Voraussicht nach verlassen. Beide sind eine Art Lebensversicherung. Und beide sind die überragenden Siebenmeterschützen ihrer Mannschaft.
Grund genug also, die beiden Rechtsaußen genau unter die Lupe zu nehmen. Warum sind Hans Lindberg und Tobias Reichmann so wichtig für ihre Mannschaften? Da ist zunächst einmal die Erfahrung zu nennen. Lindberg ist der erfolgreichste Torschütze der Handball Bundesliga aller Zeiten. Reichmann hat einen überdurchschnittlich vollen Trophäenschrank für die schwächelnden Löwen.
Nicht so voll wie Lindbergs, versteht sich. Generell muss sich Reichmann in ganz vielen Statistiken dem Dänen beugen. Der ist schließlich je zweimal Welt- und Europameister, Champions League-Sieger (Reichmann hat hier drei Titel), European League-Gewinner, Super Globe-Titelträger und (teilweise mehrfacher) Torschützenkönig in Bundesliga, Champions League, European League und DHB-Pokal.
Gerade auf seiner Position ist der 42-jährige dabei unverzichtbar. Stefan Kretzschmar, der jüngst eine Absage für ein mögliches weiteres Füchse-Jahr Lindbergs gab, schwärmte: "Der kann ja gar nicht mehr springen, der macht alles mit Auge. Dieser Typ ist ein absolutes Phänomen." Beim Vodcast „Kretzsche & Schmiso" erklärte der Füchse Boss daraufhin, mit welchen Finten Lindberg die gegnerischen Torhüter verlädt.
Hinter Lindberg stehen die jungen Füchse im Startblock. Bisher konnten aber weder Hakun West Av Teigum noch Valter Chrintz Sphären erreichen, die den Dänen auch nur ansatzweise ersetzen könnten. Bei zweiterem liegt das besonders an seiner außergewöhnlich bitteren Verletzungshostorie. Av Teigum, der im Sommer von Skanderborg Aarhus kam, liegt es auch an mangelnder Spielzeit. Und wenn er dann mal spielt, dann gehen mit 58,62 % Wurfquote auch einfach zu wenige Würfe ins Tor.
Eine weitere Unersetzbarkeit Lindbergs sind seine Siebenmeter. 112 Mal netzte der Däne in der laufenden HBL-Spielzeit bereits vom Strafwurfstrich, das macht eine Quote von 86 %. In der European League sind es 24 Tore aus 31 Versuchen, die meisten aller Final4-Spieler.
Siebenmeter. Ein Wort, das bei einigen Löwen-Fans bis zum Jahreswechsel für Schweißausbrüche gesorgt haben wird. In der HBL-Hinserie verwarfen die Mannheimer nämlich an die Hälfte ihrer Strafwürfe. Und dann kam: Tobias Reichmann. Der Rechtsaußen, der 2022 bei der MT Melsungen keinen Platz mehr hatte und kurzerhand in die 3. Liga ging.
Und dann - Vorhang auf, (vor?)letzter Akt - zauberten die Rhein-Neckar Löwen den Linkshänder Ende Januar aus dem Hut. Seitdem ist Reichmann, sieben Jahre jünger als Lindberg, zum absoluten Leistungsträger avanciert. Fast 80 %-Trefferquote bei den Siebenmetern, insgesamt 70 Bundesliga-Tore, davon 34 aus dem Feld.
In 13 HBL-Spielen spielte sich Reichmann also zu fast neuneinhalb Stunden Einsatzzeit, ist inzwischen fünftbester Werfer und hat den besten Toreschnitt des ganzen Teams (5,4/2,8 Tore / Spiel). Auch in der European League netzte Reichmann bereits 40 Mal, 17 Tore stammen aus Siebenmeterwürfen.
Grund genug also, den auslaufenden Vertrag zu verlängern und auch nächste Saison mit Reichmann zu bestreiten, oder? Anscheinend nicht. Anfang Mai offenbarte der 35-jährige, dass der Verein noch nicht auf ihn zugekommen sei. Lust auf Handball habe er trotzdem. Nur wo? Einen Club, bei dem Rechtsaußen ein Platz frei wird, kann Reichmann sich am Samstag dann ganz aus der Nähe anschauen. Und die spielen sogar Champions League…
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Maximilian Otte