30.01.2025, 13:00
"Das war kein Rückschlag"
Nach dem bitteren Viertelfinal-Aus gegen Portugal nahm Bundestrainer Alfred Gislason seine Mannschaft bewusst in Schutz. Der Coach sprach über Fitness, Trefferquote, den rechten Rückraum sowie von "einem Schritt nach vorn" und dass das frühe WM-Aus "kein Rückschlag" sei. Hat er Recht?
Gislason: Dieses Turnier ist "ein Schritt nach vorn" gewesen.
Diese Aussage ist mindestens fragwürdig. Nach dem Gewinn der Olympia-Silbermedaille im vergangenen Sommer schließt die DHB-Auswahl die WM nun als Sechster ab. Allein von der Platzierung her ist das also ein klarer Schritt zurück anstatt nach vorne. Auch mit der Art und Weise ihrer Auftritte wusste das Team aus verschiedenen Gründen nur selten zu überzeugen. In der Handball-Weltrangliste ging es allerdings bei der WM um zwei Positionen nach oben, weil Spanien und Schweden in der Hauptrunde scheiterten.
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Gislason: "Das war kein Rückschlag."
Das sahen die Ex-Profis Mimi Kraus und Stefan Kretzschmar kurz nach dem Abpfiff gegen Portugal ganz anders. "Natürlich ist es ein Rückschlag für den deutschen Handball", sagte Kretzschmar im "Harzblut"-Talk. Gegen starke Portugiesen kann man zwar ausscheiden, klar. Insgesamt bleibt aber festzuhalten, dass im gesamten Turnier an die teils starken Olympia-Leistungen nicht angeknüpft werden konnte.
Gislason: "Meine Mannschaft hat wirklich gut gespielt."
Das sagte Gislason in Bezug auf das Portugal-Spiel. Allein in Bezug auf den Auftritt in der ersten Halbzeit darf man diese Aussage hinterfragen. Gerade mal neun Tore warf die DHB-Auswahl vor der Pause, was ein klares Indiz für die unübersehbaren technischen Fehler und die Harmlosigkeit im Angriff war. Dass sie zunächst nicht noch mehr Treffer kassierte (als die 13, die es zur Halbzeit waren), lag allein am überragenden Andreas Wolff.
Nach der Pause wurde es zwar besser, aber "wirklich gut" war das Team nur in wenigen Teilen des Spiels. "Es ist eine Thematik, die sich im Prinzip seit den Vorbereitungsspielen gegen Brasilien durchzieht", so ZDF-Experte Sven-Sören Christophersen. "Ausgenommen, das Tunesien-Spiel, da muss man den Gegner deutlich schlechter einordnen."
Gislason: "Wir sind nicht ganz so fit, wie wir im Sommer waren."
Stimmt. Das dritte große Turnier innerhalb eines Jahres ging auch an den in der Bundesliga schon unter Dauerbelastung stehenden deutschen Profis nicht spurlos vorbei. Mehrere Schlüsselspieler wie Johannes Golla, Juri Knorr oder Julian Köster wirkten alles andere als fit, hinzu kamen schwere Erkältungen beim ein oder anderen. Aber: Mit dem Belastungsproblem haben alle großen Nationen zu kämpfen - und trotz der Schonung im Spiel gegen Tunesien kam Johannes Golla auf über 5 Stunden Spielzeit in 7 Spielen und spielte im Viertelfinale die 70 Minuten praktisch durch (stand genau 69:12 Minuten auf der Platte).
Gislason: "Wir haben das Problem im Turnier, dass Renars so gut wie alleine auf der Rückraum-Rechts-Position war."
Die Verletzung von Franz Semper, der seit Sommer eine wichtige Stütze des DHB-Teams war, hat der deutschen Mannschaft ohne Frage geschadet. Der Leipziger konnte einzig gegen Italien mitwirken, verletzte sich dort aber erneut. Abseits davon fungierte Renars Uscins als Alleinunterhalter im rechten Rückraum und bekam auch in Spielen, in denen er in schwacher Form war, kaum Pausen.
Das hätte aber nicht so sein müssen. Mit Nils Lichtlein und Christoph Steinert hatte Gislason noch zwei weitere Linkshänder für Halbrechts im Kader - wobei beide nicht auf der rechten Rückraum-Position eingeplant waren. Zudem hatte der Isländer die Möglichkeit, einen Halbspieler aus dem 35er-Kader nachzunominieren. Gerade Max Beneke wäre als Shooter ein anderer Spielertyp gewesen - warum Gislason keinen Wechsel tätigte, ist offen.
Gislason: "Wir leisten uns im Angriff zu viele Fehlwürfe"
Die offizielle Statistik der IHF weist für Deutschland 220 Tore bei 337 Würfen aus. Das ein Prozentwert von 65,2 - und Platz 13 in der Effektivitätstabelle. Diese führen mit den Niederlanden und Slowenien allerdings zwei Teams an, die in der Hauptrunde ausschieden. Titelfavorit Dänemark folgt als Dritter mit 69,1 Prozent, Frankreich mit 68,5 - allerdings haben beide auch mit Abstand die meisten Tore erzielt.
Gislason: "Am Ende haben es die Portugiesen heute wahrscheinlich verdient."
Wer am Ende ein Tor mehr erzielt hat den Regeln des Spiels entsprechend besser gespielt und verdient den Sieg. Portugal legte einen Blitzstart hin, verkraftete auch den Ausfall von Luis Frade vom FC Barcelona durch eine harte Rote Karte und setzte am Ende den entscheidenden Treffer, den das DHB-Team im letzten Angriff der regulären Spielzeit verpasst hatte.
Nach Siegen gegen die USA und den späteren Überraschungsviertelfinalisten Brasilien, schaltete Portugal durch ein 31:28 gegen Norwegen, ein 37:37 gegen Spanien und ein 35:29 gegen Spanien bereits vor dem abschließenden Erfolg gegen Chile drei große Namen im Handball aus und ließ mit Deutschland gestern den vierten folgen. Insofern steht das Team auch verdient im Halbfinale.
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