24.07.2024, 18:54
Wer ist Goldfavorit, wer Außenseiter?
Zwölf Handball-Teams kämpfen bei Olympia in Paris um die Medaillen bei den Frauen. Schon in der Vorrunde werden die Weichenstellungen für die Endplatzierungen vorgenommen. Das mussten Deutschlands Frauen zuletzt 2008 bitter erfahren, als man mit drei Ein-Tore-Niederlagen und einem Sieg am Ende nur auf Rang 11 einlief. Sechzehn Jahre später will man die Vorrunde überstehen, Favoriten auf die Medaillen sind andere. Unser Power-Ranking vor dem Turnierstart.
Tests gab es im Vorfeld der Olympischen Spiele nur vereinzelt und teils ließen sich die Trainer nicht zu tief in die Karten schauen - da es bei Olympia zum erneuten Aufeinandertreffen kommen könnte. Die Favoriten auf die vier Tickets in das Viertelfinale sind klar auszumachen, die Position entscheidet dann über die Gegner in den Überkreuzduellen im Viertelfinale. Überraschungen scheinen möglich, auf die Gruppensiege und auch die Finalteilnahme scheinen zwei Teams von der Papierform her aber erste Anwärter zu sein.
Deutschlands Auftaktgegner Südkorea hat mit Eun-Hee Ryu auf der rechten Rückraumposition eine aktuelle Champions-League-Siegerin, doch die Linkshänderin ist auch schon in die Jahre gekommen und nur zweite Wahl in Györ. Der Großteil spielt in der heimischen Liga, wird die körperliche Unterlegenheit versuchen mit einer offensiven Abwehr auszugleichen.
Die Testspiele gegen Spanien und die Niederlande gingen allesamt verloren, allerdings war man auch nicht hoffnungslos unterlegen. Dennoch, Platz 22 bei der letzten WM mit einem vergleichbaren Kader gibt einen Blick auf den klaren Außenseiterstatus in der Gruppe A.
Angola ist ganz klar der Außenseiter in der Gruppe B, zumal die Afrikanerinnen mit Isabel Guialo noch eine Leistungsträgerin ersetzen müssen. Routiniers wie Natalia Bernardo und Azenaide Carlos werden ihren letzten großen Auftritt haben.
Gegen die starke Konkurrenz wäre schon jeder Punktgewinn ein Erfolg - der letzte Platz in der Gruppe B mit Frankreich, Ungarn, Niederlande, Spanien und Brasilien dürfte aber im Normalfall gebucht sein.
Slowenien wurde von Deutschland in der Olympia-Qualifikation klar beherrscht. Auch mit Rang 11 bei der letzten WM und Platz 8 bei der vergangenen EM geht das Team von Dragan Adzic als Außenseiter in die schwere Vorrundengruppe. Topstar Ana Gros ist Champions-League-Siegerin und Stammkraft im rechten Rückraum von Györ gewesen.
Nach dem Auftakt gegen Dänemark wird das Spiel gegen Südkorea am zweiten Spieltag bereits ein richtungsweisendes für Slowenien, bei einem Sieg könnte ein Erfolg im Morgen-Spiel gegen Deutschland bereits die Weichen in Richtung Viertelfinale stellen, bevor es gegen Norwegen und Schweden geht.
Brasilien hatte sich beim ersten Test mit Deutschland in guter Verfassung präsentiert, das zweite Testspiel verlor man hingegen. Der Sieger der Panamerican Games kam bei der letzten WM auf Rang 9 ins Ziel. Die Mannschaften werden sich auf die individuelle Qualität von Champions-League-Siegerin Bruna de Paula einstellen.
Auch im rechten Rückraum könnte man qualitative Probleme haben, gegen Deutschland spielte Cristiano Silva auch mal mit einer Rechtshänderin. Mit Ungarn und Spanien wird man um zwei Plätze für das Viertelfinale kämpfen - mehr kann nicht gelingen. So oder so, die Selecao ist das beste nichteuropäische Team.
Spanien war auf Augenhöhe mit den Niederlanden in der Olympia-Qualifikation vor heimischer Kulisse, die letzten Großturniere hatten die Guerreras allerdings mit Platz 9 bei der EM und Rang 13 bei der WM 2023 nicht zufriedenstellend abgeschlossen.
Trainer Ambros Martin setzt auf Erfahrung, doch schon das Viertelfinale zu erreichen wird eine große Herausforderung - mit Siegen in den beiden ersten Spielen gegen Brasilien und Angola könnte das Team aber früh die Weichen in Richtung K.O.-Runde stellen und dann mit Rückenwind in die Duelle mit den Niederlanden, Ungarn und Frankreich gehen.
Mit Platz 6 bei der WM im vergangenen Jahr und Rang 7 ein Jahr zuvor wäre Deutschland ein natürlicher Kandidat für das Viertelfinale. In der direkten Vorbereitung gab es nach einer 31:36-Niederlage gegen Brasilien ein 30:29 gegen Ungarn und eine erfolgreiche 27:20-Revanche gegen die Südamerikanerinnen.
Für den Sprung nach oben muss das Team von Markus Gaugisch allerdings schon in der Vorrunde mindestens einen, wenn nicht sogar zwei der Gegner aus Skandinavien schlagen, denn sonst droht ein frühes Duell mit Goldfavorit Frankreich. Ein Schlüsselspiel ist dabei das Auftaktduell mit Südkorea, dann geht es gegen Schweden und zu ungewohnter Uhrzeit um 9 Uhr gegen Slowenien bevor Duelle gegen die Schwergewichte aus Dänemark und Norwegen warten.
Ungarn hat sich mit dem Sieg bei der Olympia-Qualifikation über Schweden in eine gute Ausgangslage gebracht, nach Platz 10 bei der WM und Rang 11 ein Jahr zuvor sind die Magyarinnen in aufsteigender Form. Mit Deutschland war man in den Testspielen auf Augenhöhe, allerdings damals auch geschwächt mit dem Ausfall der einzigen Rechtsaußen und der frühen Roten Karte gegen die eigentlich halbrechts spielende Kathrin Klujber.
Nach dem Auftakt gegen Olympia-Gastgeber Frankreich warten auf Ungarn mit Brasilien und Angola zwei Gegner, die auf dem Weg ins Viertelfinale geschlagen werden müssen. Gelingt dies, kann das Team in den Duellen mit Spanien und den Niederlanden die Ausgangslage verbessern.
Als WM-Vierter und EM-Fünfter reist Schweden an die Seine. Die Tre Kronor haben im Vergleich zum letzten Großturnier mit Olivia Mellegård, Anna Lagerquist und Nina Dano drei Ausfälle zu beklagen. Dennoch schicken die Skandinavierinnen eine erfahrene Mannschaft ins Turnier.
Das einzige Testspiel gegen die Niederlande verlor Schweden mit 29:30. Mit Norwegen wartet auf Schweden gleich ein schwerer Gegner - und die Chance auf eine Überraschung. Danach wird gegen Deutschland eine wichtige Weiche für den weiteren Turnierverlauf gestellt. Nach dem Duell gegen Dänemark sollen gegen Südkorea und Slowenien dann zum Abschluss vier Punkte folgen.
Die Niederlande waren Fünfter bei der letzten WM und Sechster bei der Europameisterschaft vor eineinhalb Jahren. Die Mannschaft von Per Johansson ist seit Jahren eingespielt. Linksaußen Zoe Sprengers fällt mit einer Oberschenkelverletzung allerdings kurzfristig aus.
In der Vorrunde hat das Team der Niederlande gute Chancen auf Rang 2 mit Frankreich, Spanien, Ungarn, Brasilien und Angola - doch unter Umständen könnte dennoch bereits im Viertelfinale dann ein Duell mit Schweden oder Deutschland warten.
Als Vizeeuropameister und WM-Dritter geht Dänemark mit großen Ambitionen ins olympische Turnier. Mit Mette Tranborg und Kathrine Heindahl kehrten zwei Leistungsträgerinnen aus Verletzungen zurück. Kurz vor dem Start des olympischen Turniers musste man mit Simone Petersen allerdings den Ausfall einer Rückraumspielerin hinnehmen. Großer Pluspunkt sind vor allem die Torhüterinnen und die Kreisläuferinnen, wo Dänemark Weltklasse verkörpert.
In der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele gab es zwei Niederlagen gegen Norwegen, auf ein 24:26 folgte im zweiten Duell nach einem 16:19 zur Pause ein 24:35. Nach dem Auftakt gegen Slowenien kommt es zum erneuten Aufeinandertreffen, das angesichts der Favoritenrolle in den weiteren Duellen gegen Schweden, Deutschland und Südkorea, vielleicht bereits über den Gruppensieg und die optimale Ausgangslage für die K.O.-Phase entscheidet.
Der amtierende Europameister und Vizeweltmeister Norwegen ist stets unter den Medaillenkandidaten zu finden. Stine Bredal Oftedal will nicht nur als amtierende Champions-League-Siegerin ihre Karriere beenden und nach Kiel zu Lebensgefährte Rune Dahmke ziehen. Abgesehen von Routinier Camilla Herrem auf Linksaußen spielte der komplette Kader in der vergangenen Saison in der Champions League.
In der Vorbereitung gewann Norwegen zwei Duelle gegen Dänemark, das erneute Aufeinandertreffen am zweiten Spieltag der Vorrunde könnte bereits über den Gruppensieg entscheiden. Zum Auftakt besteht allerdings Stolpergefahr gegen Schweden, bevor es gegen die Außenseiter aus Südkorea und Slowenien sowie zum Abschluss Deutschland geht.
Titelverteidiger, Gastgeber und Weltmeister Frankreich geht als Topfavorit in das Handball-Turnier der Frauen bei Olympia. Erfahren ist vor allem Nationaltrainer Olivier Krumbholz, die siebte Olympiateilnahme ist wohl der Abschluss der erfolgreichen Karriere. Bei der Qualität im Kader kann man es sich leisten Spielerinnen wie Grace Zaadi Deuna nur als Reserve zu nominieren.
Für Frankreich geht es an den ersten beiden Spieltagen gegen europäische Gegner, nach den Duellen mit Ungarn und den Niederlanden folgen dann Brasilien und Angola als Pflichtaufgaben bevor es zum Abschluss gegen Spanien geht. Gelingt der Gruppensieg geht es gegen den Vierten aus der Gruppe A - mit dem Rückenwind des Gastgebers als Pluspunkt in den K.O.-Spielen.
chs