30.11.2024, 06:00
Kurtagic und Hanning im Doppel-Interview
Am Sonntag treffen die Füchse Berlin und der VfL Potsdam erstmals in der Bundesliga aufeinander. Also der aktuelle Klub von Bob Hanning und der Klub, den er letzte Saison überhaupt erst ins Handball-Oberhaus geführt hat. Wie es ihm vor diesem besonderen Duell geht, erzählt er im Doppel-Interview mit seinem selbst ausgewählten Nachfolger als Potsdam-Trainer: Emir Kurtagic.
handball-world: Bob, Emir - wann habt ihr das letzte Mal zusammen gesessen?
Bob Hanning: Wir haben uns zuletzt am Donnerstag gesehen und zusammen eine Tasse Kaffee getrunken.
Und dann gemütlich beim Kaffee den Ausgang des Spiels festgelegt?
Bob Hanning: Nein, weil wir das gar nicht nötig haben.
Weil du eh weißt, wie es ausgeht?
Bob Hanning: Weil ich glaube zu wissen, wie es ausgeht. Also, das Spiel ist relativ einfach erzählt. Wenn wir als Füchse Berlin auch nur im Ansatz an unser Champions-League-Niveau kommen, dann können wir doch nur gewinnen. Alles andere ist unmöglich. Potsdam hat nur eine Chance, wenn die Füchse nicht auf ihr Emotionslevel kommen und der VfL über sich hinauswächst. Das ist die Minimalchance.
Das hört sich nicht gerade nach rosigen Aussichten für euch an, Emir.
Emir Kurtagic: Über das, was Bob sagt, brauchen wir nicht diskutieren. Jetzt geht es halt gegen den großen Bruder, und wenn man das mal auf die Familie übertragen würde, dann sind die Kämpfe zwischen Brüdern immer sehr, sehr hitzig. Also werden auf jeden Fall viele Emotionen im Spiel sein. Wir werden wie in jedem Spiel die maximale Leidenschaft auf die Platte bringen.
Es dürfte allein schon emotional werden, weil es ein Derby ist. Aber um Ausschreitungen macht ihr euch keine Sorge, oder?
Bob Hanning: (lacht) Die Hooligans auf beiden Seiten halten sich in Grenzen.
Emir Kurtagic: Ich glaube nicht, dass die beiden Vereine für schlechtes Benehmen oder für irgendwelche Ausschreitungen bekannt sind. Und das wird in diesem Spiel jetzt auch nicht der Fall sein.
Emir, macht dir irgendetwas Hoffnung auf eine Sensation? Wirst du die Füchse mit einem Taktikkniff überraschen?
Emir Kurtagic: Dass wir uns jetzt für Berlin irgendwas Besonderes überlegen? Nee, also ganz ehrlich, wir werden versuchen, unser Spiel zu spielen. Es bringt doch nichts, zu sehr den Fokus auf Berlin zu legen. Die sind in ganz anderen Dimensionen unterwegs und spielen um die Meisterschaft mit. Wir wollen den maximalen Fokus auf unsere Abwehr, auf unser Rückzugsverhalten legen und unsere Fehler minimieren. Alles andere interessiert uns nicht.
Bob, du hast schon wahnsinnig viele Spiele erlebt, aber das muss doch jetzt ein absolutes Highlight sein, oder?
Bob Hanning: Für mich ist das natürlich ein besonderes Spiel, weil es schon sehr, sehr emotional ist. Und weil ich total stolz bin auf das, was wir gemeinsam in den letzten Jahren bewegt und erlebt haben.
Warum sitzt du morgen nicht wie sonst ganz normal in der Halle, sondern bist als Fernsehexperte dabei?
Bob Hanning: Weil ich keine Lust habe, mir ständig eine Kamera ins Gesicht halten zu lassen und die Interpretation der Experten den Experten zu überlassen. Dann kommentiere ich lieber selbst.
Könntest du deinen Spielern bei den Füchsen überhaupt böse sein, wenn sie gegen Potsdam verlieren?
Bob Hanning: Ja. Und zwar richtig! Weil das ein Thema ist, was natürlich nie passieren darf - aber auch nie passieren wird.
Aber du sagst immer, Potsdam ist ein Herzensprojekt. Könntest du dich dann nicht auch ein wenig über die ersten Punkte für Potsdam freuen?
Bob Hanning: Darum geht es nicht. Wir sind alle professionell genug, um zu wissen, was das für die Füchse heißt. Potsdam hat in den letzten Jahren unglaublich am Projekt der Füchse partizipieren dürfen. Ich bin den Füchsen sehr dankbar, dass ich in dieser intensiven und von den Füchsen bezahlten Zeit mithelfen durfte, in Potsdam etwas aufzubauen. Das ist ja nicht selbstverständlich, dass ein Arbeitgeber seinen Geschäftsführer mal eben als Trainer beim Nachbarverein arbeiten lässt. Darum liebe ich auch jeden Spieler beim VfL und kann mich total mit diesem Klub identifizieren.
Aber?
Bob Hanning: Am Sonntag habe ich natürlich nur die Interessen meines Arbeitgebers im Kopf. Also die Interessen der Füchse Berlin. Das kann mir beim VfL keiner auch nur im Ansatz übel nehmen.
Emir, sollten die Füchse euch haushoch besiegen, wärst du Bob also nicht böse?
Emir Kurtagic: Bob ist einfach eine Persönlichkeit und ein Mensch, den man gerne an seiner Seite hat. Er hat ja gerade gesagt, wie sehr ihm die Jungs vom VfL am Herzen liegen, und das ist bei mir genauso. Bob und ich haben eine besondere Beziehung, ähnlich besonders wie die Beziehung dieser beiden Vereine zueinander.
Ihr habt eure ersten zehn Spiele alle verloren. Hat Bob sich da nie bei dir beschwert oder Verbesserungsvorschläge gemacht?
Emir Kurtagic: Überhaupt nicht. Wir besprechen jedes unserer Spiele im Nachgang gemeinsam. So werden wir das sicher jetzt auch nach dem Spiel gegen Berlin machen. Aber bis jetzt hat er sich überhaupt nicht in meine Arbeit eingemischt - und wenn, dann nur mit Rat und Tat, wenn ich was wissen wollte.
Werdet ihr nach dem Spiel zusammen ein Glas Rotwein trinken oder einen Kaffee? Oder geht dann jeder seiner Wege?
Emir Kurtagic: Ich glaube, dass Bob am Wochenende was anderes zu tun haben wird, als mit mir ein Glas Wein zu trinken (lacht). Aber wenn er das Bedürfnis hat, dann stehe ich zur Verfügung.
Wie groß ist denn deine Lust, deinen Mentor zu ärgern?
Emir Kurtagic: Auf jeden Fall sehr, sehr groß. (lacht) Die Ausgangslage ist natürlich klar, aber das heißt ja nicht, dass wir das Spiel herschenken. Wenn ich jetzt sagen würde, wir hätten keine Chance, wäre ich am falschen Platz.
Trotzdem habt ihr bisher keinen einzigen Punkt gesammelt. Geht schon ein bisschen die Sorge um, dass ihr alle 34 Spiele verlieren könntet?
Emir Kurtagic: Da sage ich ganz klar Nein! Dafür sind die Jungs einfach zu gut, wir waren schon oft nah dran. Irgendwann werden wir uns die Belohnung dafür abholen, weil wir so viel dafür investieren. Die Frage ist nur, wann das sein wird. Ich bin absolut überzeugt davon, dass wir unsere Punkte noch sammeln.
Wie siehst du das, Bob?
Bob Hanning: Eins mal vorweg: Obwohl der VfL noch keine Punkte hat, bin ich unglaublich zufrieden mit der Arbeit von Emir, seinem Trainerteam und den Jungs. Wir wussten, dass es eine Herkulesaufgabe wird. Auf der anderen Seite waren sie oft gar nicht weit weg. Es ist eine Frage der Zeit, bis die Punkte kommen. Darum werde ich keinen dieser Spieler und auch nicht den Trainer nur im Ansatz in Frage stellen.
Eine abschließende Frage noch: Habt ihr Angst, dass einige Spieler morgen in die falsche Umkleidekabine abbiegen?
Bob Hanning: (lacht) Ich hoffe nicht. Ich glaube, jeder kennt seine Aufgabe und seinen Verein. Es gibt außer den Füchsen keinen Spitzenklub in der Bundesliga, der so viel für den Nachwuchs tut. Und es gibt keinen anderen Bundesligisten als den VfL Potsdam, der so viel für den Nachwuchs tut. Also es ist eigentlich am Sonntag ein Fest für den Nachwuchs und den deutschen Handball.
Sascha Klahn