08.05.2024, 08:17
Wurzeln in Jugoslawien, A-Lizenz als Jahrgangsbester
Der 1. VfL Potsdam hat nach dem feststehenden Aufstieg am heutigen Tag Emir Kurtagic als neuen Chefcoach und Nachfolger von Aufstiegscoach Bob Hanning präsentiert. Wir blicken auf die Karriere und auch sein Trainergen.
Emir Kurtagic wurde am 21. August 1980 in Sarajevo (heute Bosnien-Herzegowina) geboren. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien hat die Familie ins Oberbergische gebracht, mit 14 Jahren kam er in den Gummersbacher Vorort Derschlag, im Jahr 2000 wechselten Vater Esad, Bruder Sead und auch Emir vom ehemaligen Erstligisten TuS Derschlag dann zum VfL Gummersbach.
Esad Kurtagic war beim VfL Gummersbach Co-Trainer unter Arno Ehret, beerbte dann hinterher den Weltmeister von 1978 für einige Monate als Interimscoach. Seine Schützlinge damals waren unter anderem Kyung-Shin Yoon, Jörg Zereike, Francois-Xavier Houlet, Tomas Axner und Ian-Marko Fog.
Nach der Saison kehrte Esad Kurtagic dann wieder in die 2. Reihe als Co-Trainer unter Thomas Happe zurück. Seine Söhne Sead und Emir schafften hingegen als Außenspieler den Sprung in die Bundesligamannschaft. Emir Kurtagic kam auf der linken Außenbahn zu sieben HBL-Einsätzen, spielte dann noch in Köln beim TV Jahn Wahn.
Aufgrund einer schweren Verletzung endete die Karriere als Spieler frühzeitig. Die A-Lizenz erwarb er bereits mit 27 Jahren als damals Jahrgangsbester - beim Nachwuchs des VfL Gummersbach hatte er bereits 2004 mit Gründung der Handball-Akademie seine Trainerlaufbahn begonnen. 2007 arbeitete er als Torwarttrainer unter Alfred Gislason beim VfL Gummersbach, um dann ab 2008 Co-Trainer von Sead Hasanefendic zu werden.
Wie sein Vater sollte auch Emir Kurtagic dann während der Saison sein Cheftrainerdebüt beim VfL Gummersbach geben. Im Dezember 2011 übernahm er die Oberberger damals auf einem Abstiegsplatz und schloss die Saison letztlich mit 29:39 Zählern auf Rang 11 ab, 22 Zähler hatte Gummersbach unter Kurtagic geholt.
Der VfL verlängerte den Vertrag als Chefcoach, obwohl man eigentlich schon Jan Gorr vom TV Hüttenberg verpflichtet hatte und ihn als Sportlichen Leiter vorgesehen hatte. "Er hat in einer unglaublich schwierigen Situation Verantwortung übernommen und alle eines Besseren belehrt, die es einem jungen Trainer nicht zugetraut hatten, dass er den VfL wieder aus dem Keller führen kann", so Axel Geerken, damals Geschäftsführer des VfL Gummersbach.
Bis zum März 2017 coachte Kurtagic den VfL Gummersbach, auf einen Saisonstart von 12:12 Zählern war eine Negativserie mit lediglich einem Sieg und einem Remis aus elf Spielen ausschlaggebend. Ausgerechnet sein Vorgänger Sead Hasanefendic wurde damals sein Nachfolger. Für die neue Saison hatten die Oberberger mit Dirk Beuchler allerdings auch schon einen neuen Chefcoach unter Vertrag.
Kurtagic übernahm im Oktober desselben Jahres dann den TV Hüttenberg, wurde Nachfolger von Adalsteinn Eyjolfsson bei den Mittelhessen. Den Abstieg des Traditionsvereins konnte auch Kurtagic nicht verhindern, 2019 holte ihn dann der TuS N-Lübbecke.
"Mit Emir bekommen wir einen jungen Trainer mit reichlich Bundesligaerfahrung. Er hat in Gummersbach gezeigt, dass er sowohl mit gestandenen Spielern arbeiten, als auch junge Talente an den Profibereich heranführen und einbauen kann", so Armin Gauselmann, beim TuS N-Lübbecke der Vorsitzende des Beirats damals. Kurtagic schaffte im zweiten Jahr mit den Ostwestfalen den Aufstieg, der Klassenerhalt in der Beletage gelang aber nicht.
"Emir hat hier tolle Arbeit geleistet und die Mannschaft in vielen Bereichen mit seinem akribischen Engagement weiterentwickelt", so der Sportliche Leiter Rolf Hermann damals. Beim TuS sollte mit Michael Haaß "ein frischer Impuls" gesetzt werden.
Kurtagic musste nicht lange auf ein neues Engagement warten, im September desselben Jahres wurde er Nachfolger von Erik Wudtke beim Deutschen Handballbund und übernahm die Jugend-Nationalmannschaft und erreichte mit dieser im vergangenen Jahr das Viertelfinale der U19-Weltmeisterschaft, wo man gegen den späteren Weltmeister Spanien knapp unterlag.
"Emir Kurtagic lebt und atmet Handball”, so DHB-Sportvorstand Axel Kromer. "Dass Emir Kurtagic seit mehr als zehn Jahren als Trainer im Profihandball arbeitet und an allen Stationen einen besonderen Wert auf die Entwicklung von Spielern des Anschlusskaders gelegt hat, wird unseren Top-Talenten auf ihrem Weg sehr helfen."
Für das HBL-Magazin 7Meter hat Kurtagic im September 2021 seine Traumsieben zusammengestellt. Im Tor gab er damals Henning Fritz den Vorzug gegenüber Thierry Omeyer. Auf den Außenbahnen waren Stefan Kretzschmar und Irfan Smajlagic gesetzt. Im Rückraum wählte er Nikola Karabatic, Talant Dujshebaev und Kyung-Shin Yoon aus, am Kreis bekam Max Wislander das Vertrauen.
Christian Stein