24.07.2024, 14:24
Basketball- und Handball-Kapitän im Zwiegespräch
Vor dem Olympia-Start haben sich Johannes Voigtmann, Kapitän der deutschen Basketball-Nationalmannschaft, und Johannes Golla, Kapitän der deutschen Handballer, für den kicker eine Stunde Zeit genommen. Es entstand ein kurzweiliges Gespräch über Faszination, Regeln und Zimmerübergaben.
Bis ins Teenageralter spielte Johannes Voigtmann Handball, ehe er die Tore für Körbe eintauschte und den größeren Ball mit den Querrillen bevorzugte. Seitdem hat der 2,11-Meter-Mann, der jüngst zweimal mit Olimpia Milano italienischer Meister wurde, eine eindrucksvolle Karriere hingelegt. Vor allem im Nationalteam. Als Vize-Kapitän gewann er mit der DBB-Auswahl bei der Heim-EM 2022 Bronze, um im September 2023 in Manila den Sensationscoup zu landen: Weltmeister! Bei den Olympischen Spielen in Paris strebt die Mannschaft von Gordon Herbert nun die nächste Medaille an.
Doch zunächst trifft Voigtmann im kicker-Interview auf Namensvetter und Basketball-Sympathisant Johannes Golla. Einem Podiumsplatz jagt der Kapitän mit seiner Handball-Nationalmannschaft bisher vergeblich hinterher. Fünfter und Siebter bei seinen ersten EM-Teilnahmen, Zwölfter und Fünfter bei der WM und zuletzt Vierter bei der Heim-EM im Januar 2024 - so lautet die Bilanz des 1,95-Meter-Kreisläufer-Kraftpakets, das 2019 mit seinem Klub SG Flensburg-Handewitt Deutscher Meister geworden ist.
Bei Olympia 2021 in Tokio war für das Team von Trainer Alfred Gislason - wie auch für Voigtmann und die Basketballer - im Viertelfinale Endstation gewesen. Ein Gespräch über die Besonderheiten der zwei großen Ballsportarten, die bei den olympischen Turnieren mit je zwölf Teams mal wieder aus dem Schatten von König Fußball hervortreten.
Was haben Sie am Sonntag, dem 10. September 2023, gemacht, Herr Golla?
Johannes Golla: Puh, schwierige Frage, wissen Sie das denn?
Johannes Voigtmann schmunzelt schon. An diesem Tag sind die deutschen Basketballer gegen Serbien Weltmeister geworden.
Golla: Ah (lacht) - das Spiel habe ich natürlich geschaut, aber den Tag wusste ich nicht mehr.
Haben Sie mitgefiebert?
Golla: Ja klar, es war ein Riesenhype damals. Als Sportler verfolgt man alles so ein bisschen. Und bei Sportarten, die sich in gewisser Weise ähneln, kann man auch am besten nachvollziehen, wie es für die Teams ist. Es war damals mega cool zu sehen, dass sich Deutschland auch für andere Sportarten abseits des Fußballs so begeistern kann.
Herr Voigtmann, Sie haben als Teenager selbst noch Handball gespielt. Was macht man dann im Januar 2024 bei einer Handball-Heim-EM trotz des eigenen vollen Spielplans mit Mailand in der Euroleague und der italienischen Liga?
Johannes Voigtmann: Ich habe es natürlich verfolgt, wann immer es ging, die Spiele gesehen. Ich habe meine Kinder überzeugt, dass es eine gute Idee wäre, dass wir das jetzt zusammen gucken.
Golla: Das ist eine gute Idee, das müssen wir zu Hause auch mal probieren in zwei, drei Jahren, wenn die Kinder etwas älter sind (lacht).
Voigtmann: Solltet ihr (lacht). Und wenn ich irgendwas nicht verfolgen konnte, dann habe ich es im Re-Live gesehen, das mache ich auch ganz gerne. Dann plane ich meinen Tag so und sage allen wichtigen Leuten Bescheid, dass ich das Ergebnis nicht wissen will. Und dann habe ich es meistens am Abend geschaut.
Herr Golla, am 6. Juli war die deutsche Handball-Nationalmannschaft beim Basketball-Testspiel in Köln gegen Frankreich in der Halle. Gibt es Verbindungen zwischen den Teams oder wie kam das zustande?
Golla: Zuerst gibt es die Verbindung, dass sich beide Mannschaften gerade auf die Olympischen Spiele vorbereiten. Dass das Spiel nur eine halbe Stunde von unserem Trainingsort Hennef entfernt stattfand, war ein weiterer Grund hinzugehen. Unsere Verantwortlichen haben sich dahintergeklemmt, dass wir noch Tickets bekommen. Und die Lanxess Arena in Köln ist in gewisser Weise ja auch zu unserem Wohnzimmer geworden, wir haben viele wichtige Spiele dort bestritten.
Haben manche Handball- und Basketball-Nationalspieler einen persönlichen Draht zueinander?
Golla: Nicht, dass ich wüsste, aber es gibt bei uns tatsächlich eine sehr, sehr große Basketball-Begeisterung. Es gibt extrem viele Jungs, die tatsächlich auch nachts NBA gucken, die sich da informieren. Auch bei den ganzen aktuellen Trades sind die immer auf dem neuesten Stand. Speziell für die war das dann auch ein Riesenhighlight.
Voigtmann: Einige von euch habe ich Courtside sitzen sehen.
Golla: Genau, das waren unsere Experten, für die ist echt ein Traum in Erfüllung gegangen. Das ist super schön zu sehen, dass Sportler, die in ihrer Sportart auch schon relativ weit gekommen sind, plötzlich leuchtende Kinderaugen haben und zu Fans werden.
Sie beide waren schon bei den Spielen in Tokio 2021 dabei. Da sind Sie sich im Olympischen Dorf doch bestimmt mal begegnet.
Voigtmann: Wir haben uns mit Sicherheit mal gesehen, aber nicht mehr als zwei Sätze gewechselt. Obwohl wir im gleichen Haus gewohnt haben und die Krafteinheiten zum Teil hintereinander hatten, hat man aneinander vorbei gelebt. Damals hieß es ja auch wegen der strengen Corona-Auflagen, dass wir so wenig Kontakte wie möglich haben sollten.
Das klingt nicht nach dem berühmten Olympischen Flair. Ist die Vorfreude auf das Drumherum deshalb jetzt noch größer?
Voigtmann: Die Vorfreude ist riesig, aber ein wenig getrübt dadurch, dass wir unsere drei Gruppenspiele in Lille haben und zunächst komplett dort sind. Ihr hört in Lille auf, oder?
Golla: Genau, wir starten in Paris und verpassen uns wohl leider ziemlich genau. Vielleicht sehen wir uns zumindest bei der Zimmerübergabe im Olympischen Dorf oder in Lille.
Voigtmann: Das wäre doch was (schmunzelt). Ansonsten ist schon ein bisschen bitter, dass wir nicht von Anfang an das Olympische Dorf erleben können. Gleichzeitig ist es für uns eine gute Zusatzmotivation, es in die Endrunde in Paris zu schaffen. Grundsätzlich bin ich aber Sportfan. Für mich lebt Olympia davon, dass du dich mit anderen Sportlern austauschst, dass du andere Wettkämpfe besuchst, dass du das deutsche Team irgendwie anfeuerst, egal welche Sportart. Und das wird uns leider erst mal genommen.
Werden Ihre Familien in Paris dabei sein?
Voigtmann: Ja, besonders die Jungs, die bald vier und sechs werden freuen sich sehr drauf, fragen schon die ganze Zeit, wann es endlich losgeht. Dass mich die Kinder bei Olympischen Spielen sehen können, ist super schön.
Golla: Meine Frau hatte überlegt, mit nach Paris zu kommen, aber sie hat sich dagegen entschieden, unsere Kinder sind erst ein und drei Jahre alt. Das wäre vor allem für meine Frau sehr viel Stress und würde den Kindern auch noch keinen Spaß machen.
Herr Voigtmann, Sie sind erst im Teenageralter vom Handball zum Basketball gewechselt. Was hätte aus Ihnen werden können: ein Rückraumschütze wegen der 2,11 Meter oder besser ein Turm am Kreis?
Voigtmann: Da bin ich mir jetzt nicht so sicher (lacht). Am Kreis wäre schwierig geworden. Mein Vater war Torhüter. Ich habe selber nie im Tor gespielt, wäre aber wohl ein solider Torhüter geworden. Am Ende bin ich ziemlich froh, dass ich den späten Wechsel noch gemacht habe.
Gab es bei Ihnen Basketball-Ambitionen, Herr Golla?
Golla: Ambitionen nicht. Aber ich habe damals in einer WG in Kassel gewohnt mit einem Kollegen, der war basketballverrückt. Er hat mich so ein bisschen zum Basketball gebracht. Wir haben gemeinsam viel NBA verfolgt. An freien Tagen sind wir auch bei uns in den Park gegangen und haben da ein bisschen Basketball gespielt. Da wir beide Profisportler waren, waren wir den anderen deutlich überlegen, so dass es sich immer ganz gut angefühlt hat (lacht).
Aber wie viele Schritte haben Sie beim Basketball mit dem Ball in der Hand gemacht?
Golla: Wahrscheinlich immer einen zu viel, weil das beim Handball erlaubt ist.
Voigtmann: Wo du gerade die Schritte ansprichst: Mit 15 bin ich ins Sportinternat nach Jena gewechselt und habe dort direkt angefangen, Basketball zu spielen. Nach dem ersten Training hat mir der Trainer gesagt: 'Wir kümmern uns jetzt mal ein Jahr nur darum, dass wir das mit den Schritten hinkriegen'. Das war meine Aufgabe im ersten Jahr, dann hatte ich es aber verinnerlicht
Und die Körperlichkeit könnte ein Problem gewesen sein, oder?
Voigtmann: Ja. Basketball ist auch sehr körperlich, aber an anderen Stellen und mit ganz anderen Regeln. Das war das Schwierigste.
Golla: Das ist bei uns auch ein Riesenproblem. Bei uns wird oft Fußball zum Aufwärmen gespielt, aber auf Basketball hätten auch viele Lust. Das kriegen wir aber bei uns nicht hin, weil es immer ausartet. Manchmal wird mit Handballregeln gespielt und das funktioniert vorn und hinten nicht. (beide lachen).
Wer ist denn der talentierteste Basketballer im DHB-Team?
Golla: Man muss schon sagen, bei unserem Jüngsten, Marko Grgic, sieht das schon ganz gut aus. Grundsätzlich haben es die Rückraumspieler durch die Bewegungen einfacher.
Voigtmann: Grgic kenne ich ein bisschen genauer, weil er in meiner Heimat Eisenach spielt und ich dieses Jahr ungefähr 95 Prozent der Eisenach-Spiele gesehen habe. Man sieht, wie er sich bewegt und dass daraus auch beim Basketball etwas werden könnte.
Und welcher Basketballer hätte die größten Chancen im Handball?
Voigtmann: Ein richtig guter Handballer wäre Johannes Thiemann. Er ist sehr stark, ziemlich schnell, athletisch, hat eine gute Größe (2,06 Meter, Anm. d. Red.) und wäre auf jeden Fall eine Maschine.
Körperlichkeit ist das Stichwort. Johannes Golla ist mit 1,95 Meter und 112 Kilogramm gelistet, Johannes Voigtmann mit 2,11 Meter und 115 Kilogramm. Woher kommt trotz des Gewichts diese Spritzigkeit, diese Explosivität, Herr Golla?
Golla: Beim Handball musst du mit allen Voraussetzungen, die dein Körper hergibt, irgendwie deine Position finden. Und bei mir war es halt so, dass ich als Kind immer doch ein paar Kilo mehr auf den Rippen hatte und deshalb wurde ich auch irgendwann an den Kreis gestellt. Durch die gesammelten Erfahrungen habe ich mein optimales Gewicht gefunden, um meine Position wie gewünscht interpretieren zu können.
Und doch gibt es im Gegensatz zum Basketball beim Handball auf allerhöchstem Level immer noch Spieler mit offensichtlich deutlichem Übergewicht, wie etwa Österreichs Kreisläufer Tobias Wagner.
Golla: Du hast im Handball eben die Möglichkeit, einen Abwehr-Angriff-Wechsel vorzunehmen. So gibt es Spieler, die körperlich nur eine Seite des Feldes bespielen können. Auch die Außenpositionen bedeuten in der Abwehr deutlich weniger Arbeit.
Voigtmann: Am Kreis ist es beim Kampf um die Position sicherlich nicht so ein großer Nachteil, wenn du Extra-Kilos hast. Im Basketball ist es schwierig umzusetzen. Auch durch die ganzen Sprünge macht das nicht so viel Sinn. Der Kraft-Aspekt im Handball ist aber schon beeindruckend. Wir waren schon einige Male nacheinander beim Krafttraining. Und wenn die Handballer zuerst da waren, haben wir immer erst einige Scheiben von den Hantelstangen runternehmen müssen. Das war echt beeindruckend und auch ein bisschen niederschmetternd, aber da sieht man auch die verschiedenen Schwerpunkte in den Mannschaftssportarten.
Sie schauen trotz vollem Spielplan und zweier Kinder fast alle Eisenach-Spiele. Was macht für Sie die Faszination am Handball aus, Herr Voigtmann?
Voigtmann: Es ist ein unglaublich schnelles und körperliches Spiel. Aber wenn du es länger verfolgst, siehst du auch die ganzen taktischen Feinheiten, die ich super interessant finde. Eisenach ist da für mich ein Paradebeispiel, weil Trainer Misha Kaufmann immer wieder neue und unkonventionelle Dinge ausprobiert. Dazu ist die Stimmung in den Hallen wahnsinnig gut. Dadurch, dass mein Vater und viele andere in der Familie Handballer waren, ist es meine zweite Liebe.
Und was macht den Basketball faszinierend, Herr Golla?
Golla: Der Basketball ist ein Sport der Perfektion. Viele Bewegungen und Abläufe sehen einfach richtig gut aus. Beim Handball sehen Tore häufig schon auch mal nach Kampf und Krampf aus, gerade am Kreis. Der Basketball genügt oft einem ästhetischen Anspruch. Und wenn man dann bedenkt, dass viele Spieler deutlich über zwei Meter groß sind und es trotzdem schaffen, sich so grazil zu bewegen, ist das an sich schon faszinierend.
Enorme Größe und Ästhetik passen zum 20 Jahre alten, 2,24 Meter großen NBA-Shootingstar und französischen Nationalspieler Victor Wembanyama, der Topscorer beim Testspiel in Köln war. Wie sehr hat Sie dessen Spielweise beeindruckt?
Golla: Das ist schon Wahnsinn. Er schafft es trotz der Größe mit relativ wenigen Fehlern zu spielen. Und es sieht alles noch nach geplanten Bewegungen aus. Wenn man weiß, wie sich derart große Spieler zum Teil bewegen und dann Wembanyama sieht, muss ich den Hut ziehen. Das ist einer unter Milliarden, der das so hinbekommt.
Wie war es auf dem Feld, Herr Voigtmann?
Voigtmann: Ich hatte vorher schon mal gegen ihn gespielt. Das war damals in der Euroleague, da war er noch sehr jung. Heute ist er gefühlt nochmal einen Kopf größer. Das große Problem ist, dass du in der Verteidigung oder in deinem Positionsspiel bestimmte Abstände zum Gegner verinnerlicht hast. Diese vermeintlichen Gesetzmäßigkeiten ändern sich mit ihm zu 100 Prozent. Das macht es so schwer, weil du die ganze Zeit hellwach sein musst. Was zudem wirklich sehr beeindruckend ist: Er spielt quasi wie ein Aufbauspieler im Körper eines Riesen. Für Olympia müssen wir uns irgendwas ausdenken, was wir gegen ihn machen können.
Ausdenken ist ein gutes Stichwort. Gibt es eigentlich eine Regel im jeweils anderen Sport, die Ihnen in der eigenen Sportart gefallen würde?
Voigtmann: Als schlechter Verteidiger plädiere ich auf jeden Fall auf den Abwehr-Angriff-Wechsel, den brauchen wir unbedingt (lacht). Gleichzeitig macht das die Einzigartigkeit beim Basketball aus, dass du beides können musst.
Golla: Ich bin grundsätzlich ein Fan davon, eine Sportart nicht zu viel zu verändern. Der Handball lebt auch von seiner Ursprünglichkeit. Es macht keinen Sinn, den Handball mehr in Richtung Basketball zu entwickeln.
Wäre nicht die Angriffsuhr aus dem Basketball wichtig, um die Zeitspiel-Grenze unbestechlich klar zu definieren?
Golla: Das Zeitspiel wurde im Handball zumindest ein bisschen besser eingegrenzt, auch wenn es immer noch keine ganz klaren Regeln gibt, was Anzahl der möglichen Pässe oder Freiwürfe betrifft. Das könnte noch deutlich präziser werden, aber alles in allem sollte man den Handball so belassen.
Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, welche anderen Sportarten Sie in Paris unbedingt live sehen möchten?
Voigtmann: Bei uns ist es relativ einfach. Wir machen erstmal unser Ding in Lille. Was danach hoffentlich in Paris kommt, werden wir sehen.
Golla: Wir sind zwar in Paris, aber von verschiedenen Faktoren abhängig. Wie weit sind die Wege? Wann haben wir Training? Die Zeiten werden uns zugeteilt. Grundsätzlich wollen wir aber alle Chancen nutzen, um mal in andere Sportarten reinzuschnuppern.
Gegenbesuche bei Handball und Basketball dürften durch den Ortswechsel nur schwer möglich sein.
Golla: Bei uns war die Enttäuschung darüber relativ groß, dass wir mit den Basketballern kaum Zeit am gleichen Ort haben, weil es auch wahnsinnig cool wäre, deren Olympia-Spiele zu sehen.
Sind Sie eigentlich froh, dass diesmal kein Männer-Fußballteam Aufmerksamkeit auf sich zieht? Gerade Ihre Sportarten könnten noch mehr im Fokus stehen.
Voigtmann: Ich hatte in Tokio und auch davor als Zuschauer das Gefühl, dass der Fußball bei Olympia keine Sonderrolle einnimmt. Gerade bei den Olympischen Spielen versuchen die Leute, allen Sportarten eine Chance zu geben.
Golla: Das sehe ich genauso. Als Kind habe ich bei Olympia früher vor dem Fernseher gesessen und geschaut, was gerade lief. Es wurde immer dorthin geschaltet, wo Entscheidungen gefallen sind. So lernt man viele Sportarten kennen. Der Fußball hat da nicht groß dominiert. Ich finde es eher schade für die jetzige U21, dass die Jungs nicht die Möglichkeit kriegen, bei Olympia dabei zu sein.
Nur dabei sein wird Ihren beiden Teams nicht reichen. Die Basketballer treffen im Gruppenfinale auf Frankreich. Im Doppeltest im Juli gab es je einen Sieg für beide, bei der Heim-EM 2022 hat das DBB-Team gegen die Franzosen gewonnen. Wie ist der Gastgeber einzuschätzen, Herr Voigtmann?
Voigtmann: Das Team hat sich allgemein verändert. Sie sind sehr athletisch, sehr groß. Für Wembanyama als großen Superstar ist es natürlich auch eine große Sache. Bei der WM sind sie unter ihren Möglichkeiten geblieben. Einige Spieler, die seitdem dazukamen, heben sie auf ein höheres Level.
Zuvor geht es wie beim siegreichen WM-Auftakt gegen Japan, dann gegen Brasilien. Wie schätzen Sie die Gruppe ein?
Voigtmann: Wir haben die vermeintlich einfacheren Spiele zu Beginn. Aber das wird trotzdem wieder ein Kampf werden. Die asiatischen Teams spielen einen anderen Stil. Damit hatten wir in den ersten zehn Minuten bei der WM auch unsere Probleme. Bei Brasilien weißt du immer nicht so genau, was du erwarten kannst. Mit Marcelo Huertas haben sie einen 41-Jährigen, der immer noch auf allerhöchstem Niveau spielt. Dazu kommen viele Talente. Auch Brasilien ist gefährlich.
Für die Handballer geht es zum Start in ein schon sehr entscheidendes Spiel gegen die Schweden, gegen die man zuletzt bei der Heim-EM und in einem Vorbereitungsspiel verloren hat. Was stimmt Sie positiv, dass es bei Olympia besser läuft, Herr Golla?
Golla: Man könnte sagen: Irgendwann muss es ja so weit sein. Aber natürlich gehört Schweden zu den besten drei Nationen im Moment. Sie sind top besetzt, haben eine Spielphilosophie, die uns nicht so gut liegt, weil sie einfache Fehler extrem schnell bestrafen. Dazu kommen gute Torhüter, an denen wir zu oft gescheitert sind. Es ist schon klar, dass wir ein sehr gutes Spiel brauchen, um zu gewinnen. Wenn wir das schaffen, hätten wir gute Voraussetzungen für den Rest des Turniers.
Frankreich und Dänemark geht das DHB-Team erstmal aus dem Weg. Sind das die Topfavoriten?
Golla: Absolut. Die Schweden kommen als nächstes. Für uns kommt es auch ein bisschen auf den Weg an. Unser Ziel ist, durch eine möglichst gute Platzierung in der Sechsergruppe Frankreich und Dänemark im Viertelfinale noch möglichst zu vermeiden.
Die Franzosen und die Dänen verlieren durch das Karriereende von Nikola Karabatic und Mikkel Hansen absolute Legenden. Was hat dieses Duo dem Handball gegeben?
Golla: Seit 20 Jahren sind das schon die bekanntesten Gesichter für die Handballfans. Sie haben verschiedene Generationen geprägt und immer sehr, sehr vorbildlich auf dem Spielfeld ihre Leistung gebracht. Auch als aktiver Spieler muss man anerkennen, dass es fast einzigartig ist, über so einen langen Zeitraum so konstant Leistung zu bringen, so viele Titel zu gewinnen. Deswegen ist es sehr schön, dass man das als Fan und Gegenspieler erleben durfte, das muss ich klar sagen. Diese Namen werden auch in Zukunft nicht vergessen werden.
In der deutschen Gruppe warten noch Japan, Kroatien, Spanien und Slowenien. Wie sind diese Gegner einzuschätzen?
Golla: Spanien ist auf einem ähnlichen Niveau wie Schweden, aber liegt uns vom Stil her ein bisschen besser. Slowenien hatte wie wir viele Veränderungen im Kader, da muss man den Start ins Turnier abwarten. Kroatien und Japan müssen wir schlagen, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen.
Dänemark hat nur knapp sechs Millionen Einwohner und ist trotzdem die Weltmacht im Handball. Drei WM-Titel in Folge gab es zuvor noch nie. Haben Sie einen Erklärungsansatz für diese Dominanz, Herr Golla?
Golla: Handball ist ganz klar die Sportart Nummer eins in Dänemark. Mikkel Hansen hat dort den Bekanntheitsgrad vergleichbar zu einem Fußball-Nationalspieler in Deutschland. Dänemark hat eine viel bessere Sportinfrastruktur für die Jugendlichen. Allein schon, dass die Sporthallen rund um die Uhr geöffnet sind, ist ein enormer Vorteil. Kinder können sich in Dänemark früh ausprobieren, was sie am besten können, und werden darin gefördert. So entsteht dieser riesige dänische Talentepool. Vielleicht ist es aber auch ein bisschen einfacher, das alles in so einem beschaulichen Land zu bewerkstelligen.
Der krasse Kontrast zu Dänemark ist die Basketball-Macht USA mit ihrer glitzernden, milliardenschweren Superstar-Liga NBA. Nach nur Platz 4 bei der WM wollen die USA bei Olympia zurückschlagen. Was erwarten Sie sich vom neuen Dream Team um die ganz großen Namen Lebron James, Kevin Durant und Steph Curry?
Voigtmann: Erstmal sind wir natürlich ein bisschen stolz darauf, dass wir durch unseren Halbfinalsieg gegen die USA bei der WM einer der Gründe waren, warum die jetzt so auffahren. Wenn du dir das Team anguckst, ist das schon absurd, wer da alles dabei ist. In jeglicher Hinsicht ist das ein Superlativ. Die einzige Frage wird sein, wie sie es als Kollektiv hinkriegen. Beim Blick auf den Kader ist selbst bei mir - und ich bin kein großer NBA-Fan - ein Leuchten in den Augen.
Golla: Es wird, wie Johannes schon sagt, interessant sein zu sehen, wie die sich zusammenraufen. Und wie sie gegen Mannschaften auftreten, die zeigen wollen, dass sie durch Geschlossenheit, durch ein gutes System und Aggressivität den USA Paroli bieten können.
Basketball ist neben Fußball die große Weltsportart, etwa auch auf den Philippinen, in Zentralafrika oder in Australien populär. Was ist der limitierende Faktor beim Handball?
Golla: Der Zugang zum Basketball ist deutlich leichter. Du kannst draußen anfangen zu spielen, du kannst allein üben, einen Korb zu treffen, du kannst allein dribbeln üben und dadurch schon ein gewisses Niveau erreichen. Beim Handball brauchst du eigentlich immer jemanden, der sich mindestens ins Tor stellt und dann ist dieses Eins-gegen-eins, wenn du das trainieren willst, ein deutliches Stück körperlicher. Nur mit Trockenübungen wirst du nicht weit kommen.
kicker-Kolumnist Bob Hanning hat die Handball-Bundesliga mal mit der NBA verglichen, weil es in der Sportart die beste Liga der Welt ist. Manche Unterschiede sind dennoch gravierend: Franz Wagner hat gerade für 224 Millionen Dollar einen Fünfjahresvertrag unterschrieben, die mediale Aufmerksamkeit ist ein anderes Universum. Wie kann der Handball ansatzweise an diese Strahlkraft heranreichen?
Golla: Das ist ganz schwierig zu beantworten. Erstmal ist es unrealistisch, dass der Handball irgendwann so global wird. Viele sagen, die einzige Möglichkeit wäre, dass die USA auf den Geschmack kommen und für die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles groß in den Handball investieren. Ich glaube aber nicht, dass das passiert. Am Ende ist es eben ein europäischer Sport. Wir haben eine gewisse Blase, in der es uns gut geht. Wir haben nicht diese verrückten Gehälter, aber mit unserem Hobby auch ein gutes Einkommen und volle Hallen in Deutschland. Ich bin überzeugt, dass die Sportarten, die global ganz vorn sind, weiter führend bleiben werden.
Im Basketball ist das Drei-gegen-Drei-Format zum zweiten Mal olympisch. Es geht auf einen Korb mit modifizierten Regeln. Gibt es irgendein Format, mit dem man den Handball straßentauglicher bekommen könnte, Herr Golla?
Golla: Es gibt dieses Jahr erneut ein Show-Event vom Beachhandball, der auf einem kleineren Feld im Sand praktiziert wird. Es sind auch ein bisschen andere Regeln, es ist vielleicht massentauglicher, weil man es leichter am Strand spielen kann, es ist auch ohne Körperkontakt. Aber insgesamt sind die Möglichkeiten sicher begrenzt.
Dafür gibt es in Deutschland fast doppelt so viele Handball- wie Basketballvereine. Was ist denn nun hierzulande die Sportart Nummer zwei nach dem Fußball?
Voigtmann: Für mich gibt es drei Teamsportarten, die darum konkurrieren: Basketball, Handball, Eishockey. Am Ende kommt es darauf an, wen du fragst. Ich werde als Sportfan keine abschließende Meinung abgeben, ich gucke alle Sportarten gerne.
Vielleicht ist es am Ende auch ein wenig abhängig von der Jahreszeit.
Golla: Damit und den Worten von Johannes ist es richtig zusammengefasst. Ich glaube, die Nationalmannschaft, die gerade spielt, zieht immer. Der Erfolg erhöht dann natürlich Aufmerksamkeit und Unterstützung im breiten Publikum. Ansonsten ist es doch einfach schön, dass in Deutschland jede Sportart ihre Fanbase hat. Eine Abstufung braucht es deswegen nicht.
Interview: Maximilian Schmidt, Carsten Schröter-Lorenz