vor 9 Stunden
Torhüter begeistert mit Italien
Domenico Ebner sorgt mit Italien bei der Handball-WM 2025 für Furore. Bereits vor dem abschließenden Vorrundenspiel ist der Einzug in die Hauptrunde sicher. Vom Viertelfinale wagt der Torhüter des SC DHfK Leipzig aber trotz zwei Siegen noch nicht zu träumen.
Es war ein Experiment mit ungewissem Ausgang: Als der italienische Verband 2017 bei Domenico Ebner anklingelte, besaß der damals 23 Jahre alter Torhüter nur einen deutschen Pass - und der Handball war im Heimatland seiner Mutter neben Fußball, Volleyball und Wasserball allenfalls eine Randnotiz. "Der italienische Handball war am Boden", so formuliert es Ebner heute.
Dennoch entschied sich Ebner für das Abenteuer und beantragte die doppelte Staatsbürgerschaft. Im Dezember 2017 lief er erstmals für Italien auf, seine Mitspieler mussten für ihn dolmetschen. "Immerhin die Hymne habe ich mit Inbrunst mitgesungen", versicherte der Torhüter damals in der Stuttgarter Zeitung und flachste: "Die habe ich davor zu Hause mit meiner Mutter immer wieder geübt."
Acht Jahre später ist klar, dass sich das Risiko für Ebner ausgezahlt hat: Er nimmt mit Italien an der Handball-Weltmeisterschaft in Dänemark, Norwegen und Kroatien teil; das erste Mal seit 38 Jahren sind die Südeuropäer für eine WM qualifiziert. "Als ich mich damals für Italien entschieden habe, habe ich immer wieder gesagt: Ich möchte bei einem Großturnier mit Italien dabei sein", erinnert sich Ebner nach dem zweiten Sieg gegen Algerien.
Diese Traum ging jetzt - nach mehreren gescheiterten Qualifikationen - endlich in Erfüllung. "Meine Freundin hat mir vor dem ersten Spiel ein Video geschickt mit Familienangehörigen und Freunden und in einem wahnsinnig tollen Intro gesagt: Du hast immer daran geglaubt, acht Jahre lang hart gearbeitet, genieß es", verrät Ebner. "Das hat mir wirklich die Tränen in die Augen getrieben."
Es sei "ein unglaubliches Gefühl, jetzt hier dabei zu sein", schwärmt der 30-Jährige, der seit 2023 beim SC DHfK Leipzig unter Vertrag steht. "Wenn man hier auf der Platte steht und sieht, wie diese Mannschaft Spaß hat, wie wir zusammengewachsen sind und was in den letzten Jahren entstanden, da geht mir das Herz auf. Das ist einfach schön."
Mit seinen frechen und unbekümmerten Auftritten gegen Algerien und Tunesien hat sich Italien nicht nur vorzeitig in die Hauptrunde, sondern auch in die Herzen vieler Handball-Fans gespielt. "Es ist schön, dass der italienische Handball gerade so positive Schlagzeilen macht", freut sich Ebner über die Welle der Begeisterung. "Wir müssen daran denken, wo wir herkommen und weiter hart arbeiten."
Er sei vor acht Jahren immer wieder gefragt worden, warum er sich für die italienische Nationalmannschaft entschieden habe, erinnert sich Ebner. Diese Auftritte in Herning kann man das als Antwort auf diese Frage: sehen. "Wenn man jetzt hier sieht, was entstanden ist, ist das einfach grandios", betont Ebner. "Wir machen immer mehr auf uns aufmerksam und ich bin davon überzeugt, dass wir in Zukunft noch mehr italienische Nationalspieler in der Bundesliga sehen werden."
Neben Ebner läuft aktuell Simeone Mengon (ThSV Eisenach) in der 1. Bundesliga auf; Leo Prantner (HBW Balingen-Weilstetten) und Mikael Helmersson (HSC 2000 Coburg) stehen in der 2. Bundesliga unter Vertrag.
Es wird auch auf die Erfahrung dieses Quartetts oder anderen Legionären wie Tommaso De Engelis (BM Benidorm) ankommen, wenn es am Samstag (18. Januar, 20.30 Uhr) gegen Dänemark um den Gruppensieg in der Vorrunde B geht.
"Diese Erfahrung ist enorm wichtig", weiß auch Ebner. "Dänemark wird ein krasses Spiel für alle Jungs, viele haben noch nie vor so einer Kulisse gespielt. Die Jungs, die in Deutschland, Frankreich oder Spanien gespielt haben, kennen das aber." In der italienischen Serie A ist das Zuschauerinteresse geringer.
Gerade Ebner nimmt in der Nationalmannschaft einen besonderen Platz ein - als Leistungsträger zwischen den Pfosten, aber auch als emotionaler Leader. Diese Rolle soll er auch auf Wunsch von Nationaltrainer Riccarco Trillini annehmen.
"Riccardo hat einmal zu mir gesagt: Wenn du den Kopf hängen lässt, lassen die jungen Spieler auch den Kopf hängen, weil sie auf dich schauen", beschreibt Ebner. "Wenn ich aber vorangehe und mit meinen Emotionen zeige, dass ich gewinnen möchte, gehen die jungen Spieler mit."
Diese Erkenntnis sei "sehr wichtig für meine Entwicklung gewesen", wie der 30-Jährige betont. "Diese Position, diese Verantwortung möchte ich einnehmen." Entsprechend geht Ebner auf dem Spielfeld mit: Er jubelt nach jeder Parade, stürmt auch mal nach einem herausgeholten Siebenmeter bis in den gegnerischen Neun-Meter-Kreis und interagiert auch mit den Fans. "Wer die Italiener kennt, weiß: Sie mögen Emotionen", lacht Ebner. "Ich glaube, deswegen haben mich viele Italiener sehr ins Herz geschlossen."
Dass man gegen Gastgeber und Weltmeister Dänemark in der Außenseiterrolle ist, ist allen Italienern klar. "Wir haben keinen Spieler, der Champions League oder European League spielt, Dänemark hat nur Spieler, die dort spielen", lacht Ebner. "Das muss man in Relation setzen und ich denke, wir tun daran, Spaß zu haben in diesem Spiel."
Abschenken, das macht das ganze Team klar, werde man das Spiel aber nicht. "Wir wissen um die Stärke von Dänemark und da müssen wir aufpassen, aber wir wollen keine Laufkundschaft sein", sagt auch Ebner. "Wir wollen uns nicht präsentieren wir Airbodys in der Abwehr, wir wollen zeigen, was der italienische Handball kann."
Der Torhüter sieht es vielmehr als Chance. "Ich war schon länger überzeugt, dass wir mit größeren Mannschaften mithalten können", sagt Ebner. "Es ist eine Chance, zu zeigen, was der italienische Handball kann und ich hoffe, dass wir das Publikum einfach wieder ein bisschen begeistern können."
Er setzt auf das Wohlwollen der Fans, die den Underdog gegen Tunesien und Algerien unterstützten: "Ich hoffe, sie gehen entspannt mit uns um", lacht Ebner. "Und ich hoffe, dass wir die dänischen Herzen ein bisschen für uns erobern."
Denn unabhängig vom Ergebnis werden Ebner und Co. auch in der kommenden Woche noch dreimal in Herning auflaufen - in der Hauptrunde dürfte Italien zusätzlicher Support willkommen sein.
Durch die beiden Siege gegen Tunesien und Algerien nimmt das Trillini-Team auf jeden Fall zwei Pluspunkte mit. Geht es dann vielleicht sogar noch einen Schritt weiter, ins Viertelfinale?
"Ich traue mich überhaupt nicht, das Wort auch nur in den Mund zu nehmen", winkt Ebner mit einem Lächeln ab und atmet durch. "Da kann ich gar nicht daran glauben. Wir tun gut daran, sehr demütig zu bleiben und weiter hart zu arbeiten. Wenn wir abheben, würden wir unsere Mentalität verlieren, die wir gezeigt haben."
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