25.07.2024, 13:30
Neuer Streaming-Dienst sieht noch Verbesserungspotenzial
Andreas Heyden, CEO von Dyn Media, zieht im exklusiven Interview mit dem kicker ein Fazit zur Premierensaison des Streaming-Dienstes.
Dyn Media ist am 23. August 23 mit der Übertragung des Handball-Super-Cup erstmals live gegangen. Wie haben Sie diesen Moment persönlich erlebt?
Live-Sport ist aus meiner Sicht der Mount Everest der Unterhaltung, einfach das Allergrößte! Insofern war es für mich persönlich ein sehr bedeutsamer Moment, weil es der erste Tag des "echten" Dyn war. Wir haben in diesen eineinhalb Jahren auf etwas hingearbeitet, was nicht das Ziel, sondern der Start von etwas gänzlich Neuem war. Einen neuen Sender beziehungsweise eine Streaming-Plattform launcht man nicht so oft in seinem Leben, darauf bin ich und ist unser gesamtes Team schon auch stolz. Als dann über den Tag verteilt sowohl bei Social Media als auch bei den Registrierungen auf unserer Plattform peu à peu alle Zahlen nach oben gegangen sind, wussten wir, dass wir auf einem guten Weg sind, ehe wir um 19 Uhr schließlich erstmals live waren.
Inzwischen hat Dyn die komplette Premierensaison in allen Sportarten hinter sich gebracht. Zeit für ein Fazit: Was waren rückblickend die für Sie wichtigsten Meilensteine des ersten Jahres?
Es gab nicht nur den einen Meilenstein. Vielmehr haben wir immer versucht, durch die Brille des Endkunden zu schauen, um die folgenden drei W-Fragen adäquat zu beantworten und diese in parallelen Strängen abzuarbeiten: Was kann ich auf der Plattform alles sehen? Wo, also auf welchen Endgeräten und Plattformen ist unser Angebot verfügbar? Und welche Bezahlmöglichkeiten habe ich? Wir haben im vergangenen Jahr nicht nur immer wieder neuen Live-Content wie die Handball-EM eingekauft, sondern auch jeden Monat weitere Plattformen von Fire TV über LG bis Apple TV sowie Hunderte von Gerätekategorien freigeschaltet. Bei den Bezahlsystemen haben wir schließlich zusätzlich zu Kreditkarte und Lastschrift Paypal und Apple Pay sowie Google Pay nachgezogen.
War das erste Jahr für Dyn erfolgreich?
Ja - und zwar auf zwei Ebenen: Auf der einen Seite bin ich ziemlich beeindruckt davon, was unser Team auf Produktebene und bei der Produktion abgeliefert hat. Für einen Abopreis von 12,50 beziehungsweise 14,50 Euro erhalten unsere Kunden eine Plattform, die mit den ganz Großen im Wettbewerb mithalten kann, und eine Produktion, die im Vergleich zu vorherigen Angeboten noch besser geworden ist. Das Zweite ist: Wir spüren, dass unser Konzept verfängt und jeder im Ökosystem davon profitiert, dass mehr Aufmerksamkeit geschaffen wurde. Wir erhalten positives Feedback von leitenden Persönlichkeiten aus den Ligen, von den Endkunden sowie von Sponsoren und Partnern. Natürlich gab es auch negatives Feedback, das wir ernst nehmen. Aber das Schöne ist: Daran können wir nur wachsen.
Was lief denn im ersten Jahr nicht so gut?
Berechtigte Kritik und auch nachvollziehbare Enttäuschungen gab es sicher bei der Frage, wie schnell wir auf welchen Endgeräten und Plattformen verfügbar waren, und was die Bezahlmöglichkeiten angeht. Auch beim Thema Bildqualität hatten wir an den ersten Spieltagen vereinzelt unsere Schwierigkeiten. Zeitnah nach dem Start der BBL-Saison haben wir aber sportartenübergreifend eine gute Qualität erreicht, was wir auch an unseren technischen Protokollen erkennen.
Da gerade vielerorts Ferien sind, dürfen Sie heute Schulnoten vergeben: Wie weit sehen Sie Dyn in den einzelnen Bereichen von Produktion bis Content?
Bei der Anzahl der Empfangsgeräte und der Summe der Plattformen, die wir unterstützen, würde ich uns locker eine 2+ geben. Genauso bei den Bezahlmethoden. Was die Live-Übertragung angeht, machen viele gute bis sehr gute Sachen, aber mein Anspruch ist hier keine 2, sondern hier will ich und wollen wir künftig eine 1 im Zeugnis stehen haben. Bei der inhaltlichen Qualität haben wir das schon erreicht. Hier habe ich mich extrem gut unterhalten gefühlt und daher größten Respekt an unsere Redaktions- und Kommentatoren-Teams.
Was werden Sie im zweiten Jahr konkret anpassen?
Das zweite Jahr steht unter dem Motto "from good to great". Wir haben dazu sehr viel Marktforschung betrieben und sehr viele Kunden befragt. Wir werden bei einigen Features und Anpassungen vornehmen, die zum Beispiel die Auffindbarkeit von Inhalten bei Smart-TVs verbessern. Jetzt fängt das inkrementelle Verbessern an. Wir wollen jeden Monat besser werden.
Dyn-Gründer Christian Seifert hatte zum Start 17 Millionen Fans als theoretisches Potenzial der Sportarten abseits des Fußballs ausgerufen. Wie viele davon haben sich in der Saison 2023/24 für ein Dyn-Abo zum Preis von monatlich 12,50 Euro im Jahresabo beziehungsweise 14,50 Euro in der monatlich kündbaren Variante entschieden?
Eine konkrete Zahl werde ich hier nicht nennen, aber wir sind durchaus zufrieden. Und ehrlich gesagt haben wir im ersten Jahr auch mehr auf die Engagement-Raten geschaut, denn auf die absolute Anzahl der Nutzer, sprich: Wie viele Nutzer waren in den vergangenen Tagen aktiv? Wie viele Stunden schauen Sie im Durchschnitt? Und da sind unsere Zahlen sehr gut.
17 Millionen Abonnenten sind fairerweise natürlich auch unrealistisch. Nach dem, was man so im Markt hört, ist Dyn aber selbst von einer Million Subscriber noch sehr weit entfernt. Die Abonnenten-Zahl soll eher in einem niedrigen sechsstelligen Bereich liegen.
Das werde ich wie schon gesagt nicht kommentieren. Natürlich ist die Anzahl der Subscriber auch für uns die härteste aller Währungen. Aber, ob Sie es glauben oder nicht: Ich starte lieber mit einem guten Produkt und einer aktiven sowie zufriedenen Kundschaft, als mit vielen Abonnenten, die ich über Lockangebote reinhole und dann möglicherweise nach einer Saison wieder verliere. Diese Gefahr sehe ich bei unserer Bestandskundschaft aber aktuell absolut nicht.
In der Sportbusinessbranche sagen hinter vorgehaltener Hand viele Marktteilnehmer, dass Streamingservices wie Dyn kein zukunftsfähiges, weil schlicht nicht refinanzierbares Geschäftsmodell hätten und damit ziemlich sicher zum Rohrkrepierer würden. Warum haben die Kritiker unrecht?
Eines kann ich sagen: Laut AWA-Studie interessieren sich in Deutschland 23 Millionen Menschen stark für Fußball. Und die Rechte an Fußball sind pro Jahr 1,4 Milliarden Euro wert. Für unsere Sportarten interessieren sich über 18 Millionen Menschen - und wir zahlen sicherlich keine Milliarde pro Jahr für die Rechte, die wir auf der Plattform haben. Wir folgen nach wie vor der Maxime "reach, rank, revenue". Das heißt, wir müssen im ersten Schritt Reichweite aufbauen und darüber eine Relevanz innerhalb des Wettbewerbs der Unterhaltungsangebote schaffen und Teil der Popkultur zu werden. Da hilft uns stark die umfangreiche Berichterstattung in dieser Saison auch über Handball, sodass wir hier mehr "talk of town" werden. Als Letztes kommt in diesem Dreiklang dann die Umsatzkomponente.
Wann wird Dyn denn nach Ihren Businessplänen profitabel sein?
Das Potenzial ist groß und das gilt es zu nutzen. Wir sind mit unserem bisherigen Weg sehr zufrieden. Die Lernkurve ist steil. Denn Fakt ist: Wir machen am 31. August (Auftakt der HBL-Saison mit dem Handball Supercup, Anm. d. Red.) zum ersten Mal etwas zum zweiten Mal.
Henning Eberhardt