01.01.2025, 16:14
Weltverband schlägt Alarm
Berlins Sportvorstand Stefan Kretzschmar hatte schon Ende Oktober die große Zukunftsfrage gestellt: "Quo Vadis Handball?" Auch eine Veröffentlichung des Handball-Weltverbands macht Sorgen, droht dem Hallen-Handball in absehbarer Zeit das Olympia-Aus?
Beim Handball-Weltverband IHF macht man sich Sorgen, das geht aus dem jüngst veröffentlichten Tech-Magazin hervor, in dem der Handball bei den Olympischen Spielen unter die Lupe genommen wurde.
"Von den Teams außerhalb Europas, hat nur Ägypten eine realistische Chance auf das Erreichen des Halbfinals und somit auf den Kampf um die Medaillen (IOC Kriterium)", heißt es dort über den Männer-Handball. "Japan hat sich sehr gut entwickelt und teilweise gute Leistungen im Turnier gezeigt. Wir hoffen auf eine weitere Entwicklung in der Zukunft."
Bei den Frauen sieht die Bestandsaufnahme noch dramatischer Aus. "Im Gegensatz zum Männer-Handball gibt es kein nicht-europäisches Land, das aktuell in der Lage ist um die Medaillen zu kämpfen, selbst wenn Angola zum Beispiel, einige bemerkenswerte Leistungen gezeigt hat", heißt es beim Weltverband. "Da dies wichtig für den internationalen Status des Handballs ist, muss diese Situation langfristig verbessert werden."
Mit Blick auf die globale Bedeutung könnte der Beach-Handball für die IHF zu einer Trumpfkarte werden. Die Handball-Variante im Sand durfte sich dieses Jahr am Rande der Spiele von Paris präsentieren, in Los Angeles wird man hingegen nicht im olympischen Programm vertreten sein.
Blickt man auf die Medaillen bei den Weltmeisterschaften, dann ist Brasilien sowohl bei den Männern wie auch Frauen ein Topteam mit jeweils sieben Medaillen, die letzte gab es 2022. Ägypten holte bei der Premiere 2004 bei den Männern schon einmal Gold, Katar (2014, 2016) zweimal Bronze. Bei den Frauen steht dieses Jahr Silber für Argentinien zu Buche. Neben einer geringeren Mannschaftsstärke wäre das ein zweiter Pluspunkt gegenüber dem Hallenhandball.
Im kommenden Jahr wird Dr. Thomas Bach seine Amtszeit an der Spitze des IOC beenden. "Unserer Organisation hilft ein Führungswechsel am meisten", hatte Bach schon am Finalwochenende von Paris das Ende seiner Amtszeit eingeläutet. "Ich möchte das Feld bereiten für meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger. Und ich denke, wir haben das Feld bereitet."
Sechs Männer und eine Frau treten zur Wahl bei der 144. IOC-Session vom 18. bis 21. März in Griechenland an. Dies sind die IOC-Exko-Mitglieder Kirsty Coventry, Prinz Faisal al-Hussein und Juan Antonio Samaranch junior sowie die Weltverbandspräsidenten Sebastian Coe (Leichtathletik), David Lappartient (Radsport), Morinari Watanabe (Turnen) und Johan Eliasch (Ski).
Der Brite Lord Sebastian Coe sieht unbedingten Reformbedarf. "Innovation ist entscheidend, wir müssen offen für neue Ideen sein", erklärte der frühere 1500-Meter-Läufer nun gegenüber BBC Sport. "Das IOC ist keine kaputte Organisation, aber es könnte so viel besser sein, und es braucht Veränderungen."
"Um die Spiele aufrechtzuerhalten, müssen wir wachsen - nicht nur finanziell, sondern auch in Bezug auf Reichweite und Relevanz. Kommerzielle Partner und Fernsehsender wollen eine Modernisierung", mahnt Coe. Nur noch zehn Länder sind nach Berechnungen von Forschern von 2040 an überhaupt noch schnee- und eissicher genug für Winter-Olympia. "Wir müssen diesen dramatischen Einfluss des Klimawandels auf die Winterspiele sehr schnell angehen", sagte Bach.
Der Hallen-Handball könnte allerdings auch eine Perspektive bei den Olympischen Winterspielen haben, denn die Wachstumsmöglichkeiten im Sommer scheinen begrenzt zu sein.
"Einige haben sogar vorgeschlagen, das Gleichgewicht zwischen den Winter- und Sommerspielen zu überprüfen. Es gibt Sportstätten, in denen einige Sportarten in der Halle stattfinden. Theoretisch könnte man sie in eine andere Jahreszeit verlegen, vielleicht zu den Winterspielen", hat Sebastian Coe nun BBC Sport erklärt.
Mit dieser Reform könnten eine Vielzahl an Sportarten vom Sommer zum Winter transferiert werden - eben auch der Hallen-Handball, aber auch weitere Teamsportarten wie Basketball, Volleyball, Wasserball oder auch der Bahnradsport.
Für den Hallen-Handball würde sich auch ein weiteres Problem lösen - denn bislang finden innerhalb eines olympischen Zyklus insgesamt fünf Großturniere statt. Seit Jahren klagen Sportler über die hohen Belastungen, setzten sich für Veränderungen ein, wie 2019 bei der Kampagne "Don't play the players".
Der Preis dafür ist hoch, wie die Verletzungsmeldungen nach den Spielen von Paris zeigten. Es fielen nach und nach immer mehr Olympioniken aus. "Der Zusammenhang zwischen Olympia und der Verletzungsserie - und die jüngsten Meldungen werden nicht die letzten Ausfälle gewesen sein - ist klar zu sehen", sagte auch Dr. Frowin Fasold im Oktober dieses Jahres.
"Ich liebe die Bundesliga. Aber wo wird unser Sport in zehn Jahren sein? International. Global. Was ist die Vision?", fragt Kretzschmar in den Sozialen Medien seine Follower. Schon im April sickerte durch, dass Saudi-Arabien nicht mehr die Handball-Klub-WM ausrichten wird und auch von einer geplanten Durchführung der Handball-WM Abstand genommen habe.
"Wenn die Saudis sich zurückziehen, heißt das übersetzt, dass unser Sport dort keine Relevanz hat und global keine Relevanz hat", sagte Kretzschmar damals. Schließlich sei Saudi-Arabien aus rein sportlicher Sicht ein Fenster für den Handball in die arabische und afrikanische Welt. "Dieses Fenster wird geschlossen, wenn sie sich für uns nicht mehr interessieren. Da wir eh schon ein Problem haben, ein globaler Sport zu bleiben, ist das keine gute Nachricht für uns als Sportart allgemein."
"Wir sehen Entwicklungen, Tendenzen. 3x3 im Basketball. Icon- & BallerLeague im Fußball. Das 'Sehverhalten' der 'Kids' ändert sich", so Kretzschmar im Oktober dann, dessen Tochter Lucie-Marie in der Handball Bundesliga Frauen bei den Flames der HSG Bensheim/Auerbach unter Vertrag steht und erfolgreiche Beachhandballerin ist und dessen Sohn Elvis Ernesto in der Jugend des SC Magdeburg spielt.
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chs