01.01.2025, 13:53
Das muss sich im Sportland Deutschland verändern
Marode Hallen, kaum Medaillen, zu wenig Bewegung für Kinder, Olympia. Im kicker-Interview nimmt DOSB-Chef Thomas Weikert (63) Stellung zur Lage des Sports in Deutschland.
Die Ehrung der Sportlerinnen und Sportler des Jahres ist drei Tage her, als Thomas Weikert die Redaktion in der Nürnberger kicker-Zentrale besucht. Dort geht es im ausführlichen Gespräch sowohl um den Spitzensport als auch um die Situation an der Basis. Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) hat zu den Fragen nach dem Sportland viel zu sagen. Am Rande gibt es für Weikert, der beim TTC Elz aktiv ist, noch die Gelegenheit zu einem Ballwechsel an der Tischtennisplatte.
Herr Weikert, Sie hatten Mitte Dezember das 3x3-Basketball-Quartett der Frauen als Ihren Favoriten für die Wahl zur Mannschaft des Jahres genannt. So kam es dann auch. Warum sind die vier Goldmedaillengewinnerinnen Sonja Greinacher, Svenja Brunckhorst, Marie Reichert und Elisa Mevius zum Ende des ereignisreichen Sportjahres 2024 auch für Sie herausragend?
3x3-Basketball war als Sportart eher unbekannt in Deutschland. Und dann haben die vier bei Olympia einen dermaßen guten Auftritt hingelegt und begeisternd gespielt. Gold war eine sehr große Überraschung. Dahinter steckt auch eine sehr akribische, spezielle Vorbereitung. Ihren Trainer Samir Suliman habe ich inzwischen kennengelernt. Er hat unaufgeregt nach spannenden Lösungen gesucht. Die vier Spielerinnen haben in engen Situationen ihre Nerven behalten, sind in Interviews sehr sympathisch aufgetreten. Das sind Vorbilder.
Und sie sind in der Abstimmung deutlich vor Double-Gewinner Bayer Leverkusen gelandet.
Ich bin auch Fußballfan, aber es ist für den Allgemeinsport ganz gut, wenn andere Sportarten mal mehr im Fokus stehen als sonst.
Zunächst auf Olympia bezogen: Wie fällt Ihr Fazit als DOSB-Präsident aus?
Fangen wir mit dem Sportlichen an. Wir haben weniger Medaillen geholt als zuvor, 33, das war nicht erfreulich, dafür aber auch mehr Goldmedaillen, 12, als zuletzt in Tokio, da waren es zehn. Und am Abschlusswochenende hatten wir noch drei Goldchancen, leider waren die Handball- und Beachvolleyball-Männer in ihren Endspielen chancenlos, und im Bahnradsport lief es unglücklich für Lea Friedrich. Dennoch waren auch all diese Silbermedaillen sehr starke Leistungen.
In Paris stach neben dem Sportlichen auch die spezielle Atmosphäre heraus.
Das Flair in Paris war super, die ganze Stadt hat mitgefiebert, an jeder Ecke konnte man Olympia spüren. Das fing bei der sehr speziellen Eröffnungsfeier an und setzte sich mit unserem Deutschen Haus im Stade Jean Bouin, einem Rugby-Stadion, fort. Man konnte Sportlern begegnen, es gab Live-Sport und Reportagen auf den Leinwänden, ein großes Mitmach-Angebot in der Fanzone und natürlich gutes Essen und Trinken. Das war insgesamt ein großer Erfolg.
Und das gesamte Sportjahr 2024?
Die Fußball-Heim-EM war ebenfalls ein Erfolg. Ich hätte mir natürlich Deutschland im Finale gewünscht, und, wenn der Schiri richtig gepfiffen hätte, wären wir da vielleicht auch hingekommen. Dennoch waren das starke Auftritte, und auch die Handball-EM und den Wintersport zu Beginn des Jahres darf man nicht vergessen mit wieder einmal vielen Titeln. Es war ein sehr schönes Sportjahr.
Vor einem Jahr war mit der erlebten Begeisterung bei der Heim-EM so nicht zu rechnen. Hat sie insgesamt positiv ausgestrahlt?
Wir haben schon vorher gedacht: Wenn die EM gut läuft, wird auch bei Olympia und den Paralympics die Stimmung gut sein. Ins nahe Paris sind viele recht kurzentschlossen hingefahren und haben sich begeistern lassen. Obwohl das DFB-Team im Viertelfinale schon rausgeflogen ist, war die EM-Stimmung grandios und für uns und die Spiele in Paris eine tolle Initialzündung.
Zurück zu den nur 33 Olympia-Medaillen, ein historischer Tiefpunkt. Was sind die Hauptgründe dafür?
Wichtig ist mir zunächst zu betonen, dass wir mit allen Mannschaften mindestens im Viertelfinale waren. Das war super. Die Gründe sind vielschichtig. Mir liegt besonders die Situation der Trainerinnen und Trainer am Herzen. Da haben wir Nachholbedarf. Daran müssen wir arbeiten, und das beginnt bei der Bezahlung. Die Entlohnung ist oftmals einfach zu niedrig, auch im Vergleich zu anderen Nationen. Uns wandern die Spitzentrainer ab. Da gibt es auch störende Zeitverträge oder Mehrjahresverträge. Eine große Rolle spielt auch, wie wir mit den ehrenamtlichen Trainerinnen und Trainern an der Basis umgehen.
Was meinen Sie konkret?
Die Wertschätzung muss steigen. Wenn wir nicht in der Breite die Talente in jungen Jahren trainieren und wachsen lassen, dann werden wir auch keine Spitzenathleten haben. Wir hoffen, dass im Rahmen des Sportfördergesetzes die Spitzensport-Agentur kommen wird. Das Projekt pausiert aktuell leider, weil es auf Bundesebene Neuwahlen gibt und die Zeit zu knapp war, das Gesetz noch durchzubringen. Wenn die Agentur hoffentlich bald kommt, soll rein nach sportfachlichen Kriterien entschieden werden, wie das von der Politik zugeteilte Geld genutzt wird, bürokratische Hürden werden abgebaut, Trainer können sich dann vor allem wieder darauf konzentrieren, Athletinnen und Athleten besser zu machen.
Wie wollen Sie die Wertschätzung für Trainer im Breitensport erhöhen?
Wir könnten ihnen für ihr Engagement Rentenpunkte geben - damit sie zumindest im Alter etwas davon haben, wenn sie zwei oder sechs Stunden in der Woche in der Halle oder auf dem Platz stehen. Und wir können die steuerfreie Pauschale für Ehrenamtler erhöhen. Da muss der Sport, aber auch die Politik definitiv aktiv werden, wenn wir mittelfristig, also 2028 in Los Angeles und 2032 in Australien, etwas bewegen wollen.
Die Zeit bis zu den Spielen in Los Angeles ist knapp.
Das stimmt, ich glaube auch nicht, dass es innerhalb von vier Jahren einen großen Turnaround geben wird, was die Sommerspiele betrifft. Bei den Winterspielen, die in der Gesamtbetrachtung leider oft vergessen werden, bleiben wir hoffentlich unter den ersten drei Nationen im Medaillenspiegel. Aber in den acht Jahren bis Brisbane sollten Veränderungen möglich sein, wenn wir jetzt intensiv an den großen Themen arbeiten.
Ein Blick in die Nachbarländer zeigt, dass zum Beispiel die Niederlande, ein relativ kleines Land, im Spitzensport Erfolge feiern. Oder dass in Skandinavien an der Basis einiges besser läuft als bei uns. Werfen Sie ab und zu einen neidischen Blick auf andere Nationen?
Wir stellen natürlich Vergleiche an mit den Niederlanden, mit den nordischen Ländern oder auch mit Australien. Die Niederländer aber fördern beispielsweise nur bestimmte Sportarten, die am meisten Medaillenpotenzial versprechen. Wir fördern fast jede Sportart; mir ist wichtig, jedem Talent zur Entwicklung zu verhelfen.
Der Sporthaushalt der Bundesregierung für 2025 beläuft sich auf 331 Millionen Euro. Was kann man konkret tun, damit sich die Situation für die Trainer im Spitzensport verbessert?
Wir sollten ein Mindestgehalt einführen und dafür sorgen, dass die Trainer an einen gewissen Tarif angebunden werden. Erfolgsbasierte Prämien halte ich ebenfalls für wichtig.
Aber nicht nur bei den Trainern liegen die Probleme. Es gibt in Deutschland zu wenig intakte Sportstätten, überall sind die Hallenzeiten knapp, es gibt zu wenig Freiplätze, um Fußball, Basketball, Handball oder Volleyball spielen.
Ja, das ist ganz klar das zweite große Problemfeld. Wir haben zu wenige, teilweise marode oder zugangsbeschränkte Sportanlagen. Es wird wichtig sein, die bestehenden Sportstätten zu sanieren. Wir haben zehn Forderungen für die Bundestagswahl aufgestellt und auf der Mitgliederversammlung verabschiedet. Eine Forderung ist, dass der Bund und die Länder dafür je eine Milliarde im Jahr beisteuern sollten. Die Situation bei den Schwimmbädern, das möchte ich ausdrücklich erwähnen, ist zum Beispiel eine Katastrophe. Ich will da keiner bestimmten Regierung die Schuld geben, aber da ist teilweise 20, 25 Jahre oder sogar länger nichts gemacht worden.
Was ist mit Freiplätzen? In Frankreich oder Spanien gibt es kaum Dörfer ohne Bolz- oder Basketballplätze. Wo können Sie konkret den Hebel ansetzen, dass zumindest die Schulhöfe oder andere kommunale Anlagen öffentlich zugänglicher werden?
Zunächst mal haben Sie mit der Zustandsbeschreibung leider recht, das ist ein Zeichen für den zu niedrigen gesellschaftlichen Stellenwert des Sports. Ich bin auch auf unterer Ebene in meinem Sportkreis tätig. Über viele Schreiben haben wir erreicht, dass die Sporthallen nach Neujahr bis 8. Januar für manche Mannschaften geöffnet sind, andere wiederum können nicht trainieren. Beim Thema abgesperrte Schulhöfe und Turnhallen habe ich selbst schon gegen Windmühlen gekämpft. Auch wir Sportler müssen aktiv sein und für unsere Interessen kämpfen, es kommt nichts von allein. Aber flächendeckend kommt man so natürlich nicht voran. Das muss von oben kommen, da muss generell ein Umdenken stattfinden.
Um Ihre Forderungen in die Realität umzusetzen, braucht es Kontakte und idealerweise Einfluss in der Politik. Wie sehen Sie da Ihre Chancen?
Ein Bestandteil unserer Kernforderungen an die nächste Bundesregierung ist die Verankerung eines Staatsministers für Sport im Bundeskanzleramt. In Nordrhein-Westfalen ist Andrea Milz als Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt sehr aktiv, das bringt schon etwas. Sport ist eine Querschnittsaufgabe, daher brauchen wir eine Person, bei der alles gebündelt wird. Bislang müssen wir mit unseren Anliegen diverse Ministerien kontaktieren. Bei einem Staatsminister würden alle Fäden zusammenlaufen, das wäre ein großer Vorteil.
Und Sie müssen aktuell auch noch zu 16 Kultusministern laufen, um für mehr Schulsportstunden zu werben …
Mit den zwei oder drei Sportstunden pro Woche in der Schule ist es natürlich nicht getan. In Frankreich wurde vor den Olympischen Spielen eingeführt, dass in den Schulen jeden Tag 30 Minuten Sport gemacht wird. Herr Söder (bayerischer Ministerpräsident, Anm. d. Red.) hat das Thema ebenfalls aufgenommen. Wenn es umgesetzt wird, bin ich noch glücklicher. Mal sehen, wie lange es dauert. Wir haben im Kleinen bereits Partnerschaften mit Schulen und Kindergärten gegründet, die finanzielle Hilfen bekommen, um mit den Kindern Sport zu machen. Das müssen nicht zwingend ausgearbeitete Programme sein, es reicht, wenn die Kinder laufen, hüpfen, turnen oder mit einem Ball spielen.
Frühere Leistungssportler wie Olympia-Silbermedaillengewinner Frank Busemann fürchten einen Verlust der Leistungskultur, wenn etwa im Kinderfußball die klassischen Ergebnisse und Tabellen abgeschafft werden.
Leistung muss honoriert werden. Es ist ganz wichtig für die Erziehung, dass ein Kind sich freut, wenn es gewinnt, und vielleicht auch mal weint, wenn es verliert. Wie man damit umgeht, muss man lernen - und es hilft den Kindern in der Schule oder später im Beruf.
Im November warnte die Verkehrswacht, Grundschulkinder lernten immer schlechter Fahrrad zu fahren. In Deutschland herrscht ein Bewegungsmangel. Gesellschaft, Sport und Politik müssten doch ein gemeinsames Interesse haben, dem entgegenzuwirken.
Wir haben ein unbedingtes Interesse daran. Dieser Trend ist besorgniserregend. Wenn beispielsweise weniger Kinder schwimmen lernen, dann ertrinken mehr. Das weist auch die Statistik nach. Wir müssen gemeinsam - und damit meine ich die Politik und den Sport - etwas tun.
Müsste der DOSB mit seinen Forderungen lauter werden in der Öffentlichkeit, um Druck auf die Politik auszuüben?
Wir sind jetzt schon ziemlich laut. Wir müssen aber einen Spagat bewältigen. Einerseits, dass wir unsere Interessen artikulieren - da bin ich schon der Meinung, dass wir das mit unseren zehn Forderungen an die nächste Bundesregierung gemacht haben - und andererseits, dass wir auch niemanden drängen.
Sie arbeiten als öffentlich gefragter DOSB-Präsident ehrenamtlich, dazu gibt es einen hauptamtlichen Vorstand. Sollte nicht die gesamte DOSB-Führung mit hauptamtlich bezahlten Top-Managern aufgestellt werden?
Es ist an dieser Stelle immer schwierig, über sich selbst zu sprechen. Ich wusste natürlich durch andere Funktionen zuvor, dass das Amt des DOSB-Präsidenten zeitaufwendig ist, aber es ist noch fordernder als gedacht. Und es ist wie immer im Leben: Wenn man qualifizierte Leute möchte, muss man auch über die Alimentierung sprechen. Da spreche ich nicht in erster Linie über mich. Ich kriege es als selbstständiger Anwalt gerade so geregelt, aber mit einem anderen Beruf könnte ich nicht einfach so am Mittwochvormittag einen Termin als DOSB-Präsident wahrnehmen. Bei Jubiläen wird fast immer der Präsident für ein Kommen angefragt und nicht der Vorstand, und international ist der Präsident gefragt, denn laut DOSB-Satzung ist er der NOK-Präsident.
Ab Januar haben Sie den ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier für ein halbes Jahr im Vorstand. Was sind seine Aufgaben?
Zum einen die politischen Themen im Hinblick auf die Neuwahlen. Was steht in den Wahlprogrammen? Was plant die neue Regierung? Er muss mit den Parteien sprechen, damit die Interessen des Sports gut berücksichtigt werden. Mit seinen Kontakten wird er etwas bewirken. Zum anderen wird es um die Olympia-Bewerbung gehen. Er soll die politischen Gremien in den einzelnen Regionen überzeugen und unterstützen.
Auf nationaler Ebene gelten Berlin, München, Hamburg und das RheinRuhr-Gebiet als potenzielle Kandidaten für eine Olympia-Bewerbung. Ist ein Konkurrenzkampf produktiv, oder sollte man die Kräfte lieber bündeln?
Das zeigt doch, dass das Interesse an Olympischen und Paralympischen Spielen sehr groß ist, und das finden wir gut. Wir haben mit allen Regionen, die in Betracht kommen, mehrfach gesprochen, und sie bekommen von uns einen Leitfaden, mit dem sie ihre Konzepte weiter verfeinern. Und dann schlagen wir der Mitgliederversammlung mindestens ein Konzept vor, mit dem wir ins Rennen gehen wollen.
Wie viel sollten die Ausrichter investieren, um vorbereitet zu sein? Gibt es die Gefahr, dass man an sechs Orten beginnt, Sportstätten zu errichten, und am Ende kriegt nur einer oder gar keiner den Zuschlag?
Neue Sportstätten sollen keine errichtet werden. Stattdessen sollen die Bewerber die vorhandenen Möglichkeiten und ihre Idee, wie sie die Spiele mit diesen handhaben wollen, zu Papier bringen. Wir müssen realistisch sein. Reiten wird vermutlich in Aachen stattfinden - unabhängig davon, wer den Zuschlag erhält. Das IOC hat vorgegeben, dass es ein olympisches Dorf geben muss, in dem ein Großteil der Athleten unterkommt, wir gehen von mindestens 65 Prozent aus.
Die Spiele in Deutschland werden also dezentraler?
In der Theorie könnten wir uns auch mit ganz Deutschland bewerben. Aber dann wird es nach jetzigem Stand bei einer Bewerbung bleiben, ohne Chance auf den Zuschlag. Und wir wollen gewinnen.
Eine Bewerbung für 2036 ist noch nicht vom Tisch, realistischer sind aber 2040 oder 2044. Das ist noch lange hin. Wie wichtig ist es schon jetzt, dass sich die Bevölkerung als Sportland versteht und dieses Event haben will?
Laut von uns in Auftrag gegebenen repräsentativen Umfragen sagen bundesweit aktuell mehr als 70 Prozent der Befragten: Olympia soll in Deutschland stattfinden. Paris hat sein Übriges getan. Jeder hat gesehen, dass eine Ausrichtung der Spiele möglich ist, ohne viele neue Sportstätten zu errichten. Die Begeisterung ist da. Wir wollen im Jahr 2025 auf jeden Fall einen entscheidenden Schritt vorankommen. Das ist sehr wichtig.
Haben Sie keine Sorge, dass sich die aktuelle Begeisterung für eine potenzielle Olympia-Bewerbung drehen könnte, sobald die Kosten und die Auswirkungen auf die Ausrichterregionen konkreter werden?
Diese Sorge habe ich nicht. Die Umfrage lassen wir schon seit zwei Jahren regelmäßig durchführen, der Zuspruch lag dabei immer bei über 50 Prozent. Ein signifikanter Anstieg nach den Spielen von Paris war nicht zu beobachten - das spricht für eine breite Zustimmung. Sollte es zu einem Volksentscheid kommen, ist dieser noch nicht gewonnen, das ist klar. Aber ich bin optimistisch, was die Parameter A, die Umfragen unter der Bevölkerung, und Parameter B, dass wir keine Neubauten für die Spiele benötigen, angeht - abgesehen vielleicht von einem olympischen Dorf, bei dem die Weiterverwertung im Nachgang aber gesichert wäre. Wir werden es anders angehen als frühere Bewerbungen. Extravaganz werden wir nicht bringen können, das wollen wir auch gar nicht.
Und wie steht es um Parameter C, das IOC? Die strengen Host-City-Verträge, von Kritikern auch als Knebelverträge bezeichnet, sorgten schon in der Vergangenheit bei deutschen Bewerbungsprozessen für Abschreckung.
Der Vergabeprozess hat sich insoweit verändert, als dass wir nicht mehr diese riesigen Geldsummen für eine Bewerbung ausgeben müssen. Für die Bewerbung haben wir von der Bundesregierung zunächst sieben Millionen Euro zur Verfügung gestellt bekommen. Wir müssen aber nicht mehr wie früher um die Welt reisen und unsere Bewerbung vorstellen. Das IOC hat selbst erkannt, dass das nicht der richtige Weg ist.
Es gibt Experten, die sagen, andere Länder und Städte seien viel eher dran als Deutschland. Woher kommt Ihr Optimismus?
Ich mache eher die umgekehrte Erfahrung, weil mich international viele Leute ansprechen, ob wir denn jetzt endlich mal was in Deutschland machen. Bei Großveranstaltungen in unserem Land kommt immer etwas Gutes heraus, die Leute sind begeistert. Das wissen auch die IOC-Mitglieder, nicht zuletzt nach der Fußball-EM im Sommer.
Für die EM war in Deutschland eine Top-Infrastruktur bereits gegeben. Wie sehen Sie da den Stand bei den Bewerbern im Hinblick auf Olympia?
Als Beispiel möchte ich München nennen, wo vor zwei Jahren die European Championships stattgefunden haben. Für dieses Event wurde nichts neu gebaut - zugegebenermaßen war aber nur ein Teil der olympischen Sportarten vertreten. Berlin war 2023 Gastgeber der Special Olympics, diese Großveranstaltung hat dort auch funktioniert. Natürlich muss man Geld für Sanierungen in die Hand nehmen. Aber wenn das nachhaltig geschieht und die Sportstätten weitergenutzt werden, dann ist das doch eine gute Sache.
In Zukunft könnten womöglich auch Länder wie Katar oder Saudi-Arabien große Lust verspüren, Olympia auszurichten. Sind diese reichen Ölstaaten Konkurrenten?
Im Moment werden viele Sport-Großveranstaltungen an diese Länder vergeben, aber das wird auch wieder enden. Dann werden wieder klassischere Sportländer, wie Frankreich eines ist oder die USA, dran sein, und dann kommen die Spiele sicherlich zurück nach Europa. Von daher haben wir eine ganz gute Ausgangsposition, da mache ich mir im Hinblick auf unsere Bewerbung keine Gedanken.
In Saudi-Arabien oder Katar ist das Thema Geld nicht so problematisch wie hierzulande …
Paris hat doch gezeigt, dass die Spiele sich geändert haben. Wir werden keine Spiele ausrichten, die maßlos überzogen sind. Aber wenn die Politik sagt, Olympische und Paralympische Spiele sollen mal wieder in Deutschland stattfinden, dann muss sich das in eine gewisse Wertschätzung und auch in Geld umsetzen. Das kann viele Kräfte freisetzen. Olympia wird viel Nutzen für die Gesellschaft haben, indem zum Beispiel Sportstätten verbessert werden. Zusätzlich brauchen wir aber auch die Sportstunde jeden Tag, das ist ganz elementar. Es wird ein Kampf sein, klar. Aber wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Apropos Wertschätzung: Deutschland schüttet Olympia-Prämien in Höhe von nur 20 000 Euro für eine Goldmedaille aus. Ist es nicht die Aufgabe des Bundes, für eine Erhöhung dieser Wertschätzung zu sorgen?
Die Wertschätzung fängt natürlich mit der Höhe der Prämie an. Die könnte schon ein wenig höher sein, das ist mir klar. Da muss die Politik angreifen. Aber ich glaube immer noch: Viel wertvoller ist es, flächendeckend zu fördern.
Was wird sich konkret in den nächsten zwei Jahren für Spitzensportler, aber auch für Sportler an der Basis, Kinder und Jugendliche ändern?
Sportstätten müssen schnell saniert oder gebaut und dann besser genutzt werden, damit mehr trainiert werden kann. Das klappt vielleicht noch nicht in zwei Jahren, aber wir müssen jetzt sofort damit anfangen, damit sich etwas verbessert.
Die aktuelle Realität ist eine andere. Nicht selten verschwinden Sportstätten, auch aus finanziellen Gründen - und das ohne großen Aufschrei.
Der Aufschrei kommt von uns, aber dem müssen sich viele andere anschließen, damit gesehen wird, was da passiert.
Zurück zur Basis: Sie selbst sind verletzt und können derzeit nicht in der Verbandsliga Tischtennis spielen. Im FAZ-Interview haben sie aber "angedroht", bald wieder zu trainieren. Wann ist mit dem Comeback zu rechnen?
(lacht) Wenn ich zwischen den Jahren und in den ersten zwei Wochen des neuen Jahres trainieren kann, dann kann ich vielleicht im Februar wieder spielen. Laufen geht schon wieder gut, Fahrradfahren ebenfalls, aber Tischtennis - vor, zurück, bremsen -, das ist für die Achillessehne, an der ich Probleme habe, nicht das Allerbeste.
Aufgezeichnet von: Philipp Jakob, Dennis Zaremba, Carsten Schröter-Lorenz