05.09.2024, 15:30
Erster Todestag
Am 5. September 2023 verstarb Ronald Maier im Alter von nur 45 Jahren. Der studierte Volkswirt und Unternehmensberater hinterließ im Handball riesige Fußabdrücke - auch bei handball-world. Über zwanzig Jahre war er ein zentraler Bestandteil, war maßgeblich an Fortbestand und Entwicklung beteiligt. Und Ronald Maier war für das gesamte Team von handball-world ein Freund, einer der echten. Zum Gedenken veröffentlichen wir den Nachruf von Christian Ciemalla am heutigen ersten Todestag erneut.
Lieber Ronald,
Wie soll man dafür Worte finden, wie kann man dafür Worte finden? Für etwas, das auch Tage danach noch sprachlos macht. Etwas, das einen so mitnimmt. Und etwas, über das man sich in Telefonaten und Gesprächen anschweigt, miteinander heult, wieder schweigt und sich dann in gemeinsame Anekdoten flüchtet, bevor man wieder weint und wieder schweigt. Und etwas, bei dem der, den man bei sowas immer alles erstes anruft, nicht mehr da ist.
"Der Dienstag war ein ganz normaler Arbeitstag, als mich die Nachricht von Deinem unerwarteten Ableben erreichte. In dem Moment blieb alles um mich herum für mich stehen. Ich war fassungslos, war sprachlos. Gleichzeitig begann sich in meinem Kopf alles ganz schnell zu drehen, so viele Erinnerungen gingen gleichzeitig durch meinen Kopf", schriebst Du im März in Deinem Nachruf auf Rolf Brack, dessen Freundschaft Du so geschätzt hast.
Und nun sitze ich hier, schreibe einen Nachruf auf Dich, dessen Freundschaft ich so geschätzt habe. Auf einen Freund, der so vollends unerwartet aus dem Leben gerissen wurde. Ich weiß nicht, wie ein Text einem so großartigen Menschen auch nur annähernd gerecht werden kann.
Auch ich saß an einem Dienstag vor dem Rechner, Balingen hatte gerade gegen Stuttgart gewonnen, als meine Welt stehen blieb. Als ich minutenlang ins Leere starrte und dann erst die Gedanken an das, was wir noch machen wollten, in den Kopf schossen - und dann die Erinnerungen. Auf die erste Schockstarre folgte das Telefonat mit Vroni, die Dir für alle sichtbar so gut tat, und seitdem so viele weitere Telefonate. Mit Schweigen, mit Weinen, mit unendlicher Trauer und mit so vielen Erinnerungen.
Immer ein zentrales Thema: Deine Hilfsbereitschaft. Diese sorgte auch dafür, dass sich der Ronaldo und der Schimmi von der handballecke vor gut 20 Jahren kennenlernten. In den Anfangsjahren von handball-world hattest Du angeboten, Informationen und Texte aus Göppingen zu liefern - und quasi Tage später warst Du eine der zentralen Säulen. Und kurz darauf dann eine tragende, als es darum ging, das Projekt auf professionellere Füße zu stellen. Du knüpftest das Netzwerk mit Olaf und Andre, das in die redsport führte, in der handball-world mit viel Leidenschaft und Herzblut wuchs.
Und, es wuchsen so viele Sachen im Handball mit Deiner Hilfe. Ob erst in Göppingen, dann in Berlin, wo Du nach Deinem Umzug einer der "Männer der ersten Stunde" bei der Neubelebung der Füchse warst. Oder bei der IG Handball, bei den Praxisforen, bei Turnieren, in der Jugendarbeit, bei der Organisation von Lehrgängen, den Weichenstellungen für eine Ligavereinigung in Österreich oder wo Du ohne Funktion überall mit Rat und Tat zur Stelle warst ... Du hast an so vielen Stellen geholfen - ich glaube, nicht einmal ich kenne sie alle.
Denn Du warst jemand, der sich nie in den Vordergrund stellte. Und jemand, der sich auch für keine Arbeit zu schade war: Der erst das Konzept und die Struktur entwickelte und dann aber auch Wasserkisten schleppte, Pommes verkaufte oder die Buchführung machte. Der einfach da war, wo jemand gebraucht wurde. Der immer da war, wo er helfen konnte. Und das nicht nur im Handball, sondern auch privat. "Ich werde ihm nie vergessen, wie er mir damals ..." Diesen Satz gab es in jedem Telefonat. Wie Du Dir für all das neben einem stressigen Hauptjob Zeit genommen hast, habe ich immer an Dir bewundert.
Und wieso war ich es eigentlich, der so häufig keine Zeit hatte. Der es beispielsweise diesen Sommer nicht zum Donauinselfest nach Wien geschafft hat. Ach, Wien. Da war diese eine Nacht nach einer EM-Auslosung, die mit hier nicht namentlich genannten Nationalspielern - "Folgen Sie dem Wagen vor uns" - in einer obskuren Runde in der legendären Gräfin am Naschmarkt endete. Und die Konzerte wie Stones, Maiden oder AC/DC - inklusive der jeweiligen After-Show-Party, da es einfach vernünftiger war, statt eines Hotels den ersten Zug - bei unseren ersten Trips hatte der sogar noch ein Raucherabteil - zu nehmen. Und Bergwanderungen, das "Könnten Sie sich selbst bedienen" im Hotel in Hamburg, und, und, und ...
Auch so ein Punkt, der in jedem Telefonat fiel: Wie schön es einfach war, mit Dir Zeit zu verbringen. Was für ein Satz. So einfach und so scheinbar selbstverständlich - und doch so erschütternd, da es ihn nicht mehr im Futur gibt. Zu der schönen Zeit gehörte übrigens auch, dass man dabei über Dich immer wundervolle Menschen kennenlernte - sei es beim Handball oder auch abseits des Parketts. Netzwerken bedeutete für Dich, andere Menschen um Dich herum zu verknüpfen. Und so beispielsweise auch für Deinen Abschied aus Göppingen oder Berlin Nachfolger zu finden.
Auch handball-world bekam durch Dich in all den Jahren eine Struktur, die das Projekt so weit wachsen ließ, dass in Deiner Nachfolge nun die nächste Stufe mit dem kicker folgt. "Unabhängig davon, wie sich das ganze fortan entwickelt: Unsere Ära, in der wir die Handball-Welt gedreht haben, wird für mich immer eine besondere bleiben", schrieb ich Dir nach der Unterschrift. Und so glücklich ich bin, Dir für Deine Hilfe bei handball-world noch gedankt zu haben, so tieftraurig bin ich, dass ich Dir nicht gesagt habe, wie wichtig Du für mich als Mensch, als Freund warst. Ich kann nur hoffen, dass Du es weißt.
Rein privat wollten wir uns im Oktober wiedersehen. Dir ging es zuletzt ein paar Tage gesundheitlich nicht so gut, aber es gehe aufwärts und dann sei Zeit für neue Anekdoten. Einige der alten hatten wir gerade erst nach dem Finale der Junioren-WM einer jungen Kollegin von handball-world erzählen dürfen, die diese glücklicherweise noch nicht kannte. Und nun Ronald, werde ich diese Anekdoten ohne Dich als kongenialen Partner und gegenseitigen Stichwortgeber weitertragen müssen. Vermutlich mit Tränen in den Augen, wie ich sie auch jetzt beim Schreiben habe.
Und, wie ich sie immer haben werde, wenn ich mich an unseren letzten Kontakt erinnere. "Vielleicht passt das gerade auch zufällig alles sehr gut zusammen", meintest Du zum nächsten Schritt für handball-world und generell mit Blick auf einige andere Veränderungen noch am Montag. Weniger Handball, mehr Vroni interpretierte ich hoffnungsvoll hinein - wollte aber erst beim nächsten gemeinsamen Bier im Detail und in Ruhe nachfragen. Und dann kam dieser Dienstag und dieser Anruf, dieses Schweigen, diese Tränen, diese Telefonate.
Ronald, es passt nichts mehr zusammen. Du fehlst. Du wirst dem Handball an so vielen Stellen fehlen und Du fehlst mir und so vielen anderen. Weil Du, wie es bei uns auf dem Dorf als höchste Form der Wertschätzung heißt, einfach ein "wirklich feiner Mensch" warst. Warst - verdammt, wie kann ein kleines Verb nur so weh tun. Ronald, Du wirst immer ein Freund bleiben.
Christian Ciemalla