23.06.2024, 14:54
Vom Talent zum Nationalspieler
In einem E-Paper zu den anstehenden Europa- und Weltmeisterschaften im Nachwuchsbereich hat der DHB ein Hintergrundstück unter dem Titel "Vom Talent zum Nationalspieler" veröffentlicht. "So funktioniert die Nachwuchsförderung beim Deutschen Handballbund", erklärt der Verband und nennt eine enge Kooperation mit Landesverbänden, Vereinen und Nachwuchszentren sowie einen systematischen Aufbau als Schlüssel.
Viola Leuchter und Juri Knorr als beste Nachwuchsspieler der vergangenen Weltmeisterschaften in den All-Star-Teams, Nils Lichtlein MVP der U21-Weltmeisterschaft und sieben Spieler, die nach 2000 geboren wurden, im Kader der A-Nationalmannschaft bei der Heim-EM der Männer-Nationalmannschaft im Januar 2024 - die Talentförderung und die Nachwuchsarbeit des Deutschen Handballbunds trägt offensichtlich Früchte. Jochen Beppler, Chef-Bundestrainer Nachwuchs im DHB, und Carsten Klavehn, DHB-Talentcoach, erläutern den Ansatz.
"Erfolgreiche Talentförderung ist kein Zufallsprodukt, das ist ein systematischer Aufbau und lebt von allen Beteiligten, sei es Trainern oder Spielern. Im Optimal fall wird ein Talent sechs Jahre lang von der ersten DHB-Sichtung bis zur Nominierung für die A-Nationalmannschaft gefördert - und in diesen sechs Jahren greifen viele Zahnräder ineinander. Aber es gibt auch Spätstarter, die erst mit 23, 24 Jahren ihre ersten A-Länderspiele haben", sagt Beppler.
Alles startet mit den Sichtungen auf Ebene der Landesverbände, die dann ihre größten Talente zum Deutschland-Cup beziehungsweise den DHB-Sichtungen entsenden, für diese gibt es jährlich - analog und passend zu den aktuellen Entwicklungstendenzen des Spiels - angepasste Sichtungsschwerpunkte. "Die Sichtungen sind immer eine spannende Zeit, weil man auf sehr leistungswillige Jugendliche trifft", meint Jochen Beppler: "Die Präsenz der A-Trainer macht die Bedeutung der Sichtungen deutlich."
Gesichtet werden handballspezifische Kriterien, die in der DHB-Rahmentrainingskonzeption (RTK) sowie einem 70-seitigen Sichtungsmanual detailliert auf gelistet sind. Neben individuellen Qualitäten - auch im athletischen Bereich - geht es aber auch um Training in Kleingruppen, wie zum Beispiel um Passgenauigkeit, Tempospiel, verschiedene Abwehrsysteme und Umschaltverhalten - oder auch Mannschaftsspiele. Wer sich dort empfiehlt, wird für weitere Lehrgänge nominiert, bei denen schließlich die Jugend-Nationalmannschaft von zwei Jahrgängen geformt werden.
"In den Jugend- und Junioren-Nationalmannschaften gibt es ein übergeordnetes Ziel - die individuelle Weiterentwicklung der Spielerinnen und Spieler. Ziel ist, eine gewisse Anzahl von Nachwuchsspielerinnen und Spielern jedes Jahr in die A-Nationalmannschaften zu überführen", sagt Beppler, der auch Co-Trainer der Frauen-Nationalmannschaft ist.
"Dass dies nicht zwangsläufig bedeutet, individuelle Klasse und Mannschaftserfolg würden sich ausschließen, haben im vergangenen Jahr die DHB-Junioren unter Beweis gestellt: Diese haben den WM-Titel gewonnen und vier Talente haben direkt den Weg in die A-Mannschaft gefunden", so der DHB.
Schon bei den Sichtungen und den Vorgaben für Landesverbände sind die Besonderheiten der jeweiligen Jahrgänge vorgegeben: "Es geht um eine langfristige Planungssicherheit für die A-Nationalmannschaften, es geht um Positionsanalysen für die Zukunft, zum Beispiel in fünf bis sechs Jahren, zu welchem Zeitraum werden auf welchen Positionen Spielerinnen und Spieler mit welchen Qualitäten benötigt - das ist die Vorgabe für uns. Und basierend auf diesen Vorgaben wird unser System aufgebaut, von den ersten Sichtungen, bis hin zum Übergang auf den U20/U21-Mannschaften in den Seniorenbereich", sagt Klavehn.
"Das Wichtigste ist vom Start an die Kooperation mit den Vereinen, den Nachwuchsleistungszentren, den Landesverbänden und den Landestrainern - denn die arbeiten tagtäglich mit den Talenten. Und genau diese Kooperation hat sich im männlichen und weiblichen Bereich in den vergangenen Jahren kontinuierlich verbessert, auch durch zusätzliche Stellen wie Bundestrainer Athletik, Torwart-Bundestrainer und andere konnte sich der DHB noch intensiver mit den Nachwuchsspielern befassen, denn diese Bundestrainer arbeiten nicht nur mit den A-Mannschaften", so der Verband.
"Auch die gesamte Lehre wurde Schritt für Schritt an die Erfordernisse angepasst, die RTK wird ständig aktualisiert, dadurch haben die Landes- und Vereinstrainer genaue Anknüpfungspunkte, was erwartet wird, und können ihr Training daran ausrichten", so der DHB weiter. "Natürlich gibt es mit all diesen Gruppen einen ständigen Austausch, im Sinne der Nachwuchsförderung. Es geht darum, das Niveau zu halten, zu stabilisieren und zu verbessern", sagt Beppler.
"Unsere Ausbildung kann sich international absolut sehen lassen. Wir haben unseren Talenten vieles mit auf den Weg gegeben, was gut funktioniert. Aber das geht alles nur durch die gute Zusammenarbeit mit den Vereinen, den Nachwuchsleistungszentren und den Landesverbänden. Gemeinsam sind wir auf einem guten Weg, das wird uns auch international von Topnationen immer wieder bestätigt. Vergleiche mit anderen Nationen sind dabei aufgrund unterschiedlicher geographischer, politischer oder finanzieller Strukturen zwar hin und wieder hilfreich, jedoch im Ergebnis nicht immer eins zu eins übertragbar", sagt Klavehn, zumal es für die Entwicklung von Nachwuchstalenten nicht nur ein System des Verbandes, sondern auch und ins besondere der Anschlussförderung in den Klubs der Bundesligisten bedürfe.
"Die Vereine der HBL und HBF werden seit vielen Jahren für ihre Nachwuchsarbeit zertifiziert, es gibt neue Trainerlizenzen wie den Nachwuchstrainer Leistungssport oder genaue Vorgaben für die Nachwuchskoordinatoren in den Leistungszentren und Bundesligavereinen", berichtet der DHB und fügt an: "Parallel zu den Entwicklungen im Leistungssport haben sich diese Tendenzen aber auch in der Aus- und Weiterbildung von Trainerinnen und Trainern abgebildet: So wurde die mit einem Innovationspreis des DOSB bedachte Ausbildung `Trainer*in im Nachwuchsleistungssport` mittlerweile schon in achter Auflage durchgeführt und auch die Ausbildung zum/zur Torhütertrainer*in resultiert aus den Entwicklungen im Bereich des Leistungssports."
"Die wichtigste Entscheidung treffen Spielerinnen und Spieler aber für sich selbst: Will ich Leistungssport mit allem, was dazu gehört, oder nicht?", unterstreicht der DHB. Dann sei der Weg frei durch die erfolgreichen Nachwuchsmannschaften des DHB - und für einige führe dieser Weg direkt in die A-Nationalmannschaft, wie aktuell die U21-Weltmeister David Späth, Nils Lichtlein, Renars Uscins oder Justus Fischer belegen - oder eben Viola Leuchter bei den Frauen. "Trotzdem braucht es auch immer Geduld und Ausdauer, denn die Entwicklung von Spitzensportlern ist in der Regel kein 100-Meter Sprint", so der DHB. "Die Talente, die allerdings in den nächsten Jahren aus dem System in die A-Mannschaften entwachsen", sagt Beppler, "stimmen uns sehr zuversichtlich, dass wir gerade am Ende des Jahrzehnts des Handballs sehr gute Teams werden stellen können."
red mit Material DHB