12.05.2024, 14:00
Verband im Kreuzfeuer
Das Aus für Vorstand Sport Axel Kromer, dessen Vertrag das Präsidium des DHB nicht verlängerte, schlug im Handball höhere Wellen als es der Verband vermutlich erwartet hatte. Nach heftiger Kritik - unter anderem von Stefan Kretzschmar - äußerte sich DHB-Präsident Andreas Michelmann in der FAZ zu der Kritik und zur Entscheidung an sich.
Am vergangenen Sonntag reiste Axel Kromer zum Lehrgang der Handball-Nationalmannschaft, in Schweden absolvieren die Männer heute einen Test in der Vorbereitung auf Olympia - im Gepäck ist einige Unruhe. Dabei läuft es auf den ersten Blick sportlich: Auch die Frauen haben das Ticket nach Paris gelöst, bei der Handball-EM der Männer wurde das anvisierte Halbfinale erreicht und die guten Platzierungen im Nachwuchsbereich gipfelten im Sommer mit Gold bei der Junioren-WM im eigenen Land.
Dass angesichts der sportlichen Erfolge der Vertrag mit Axel Kromer als Vorstand Sport nicht verlängert wurde, überraschte - auch Axel Kromer selbst, wie dieser gegenüber dem SID bekannte: "Ich sehe uns als Verband und auch mit beiden Nationalmannschaften auf einem guten Weg. Deswegen bin ich von der Nicht-Verlängerung meines Vertrages völlig überrascht worden." Die Gründe für die Trennung blieben in der DHB-Mitteilung unklar, Kromer selbst steuerte zu dieser kein Zitat bei. Ein Indiz, dass die Entscheidung des Präsidiums bei ihm auf Unverständnis stieß.
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Seinem Unverständnis machte in der Folge Stefan Kretzschmar Luft: "Ich weiß, warum der Vertrag nicht verlängert wird, aber wenn ich den Grund nenne, spricht das auch schon wieder für die Schwäche des DHB", kritisiert der Ex-Nationalspieler im Dyn-Format "Kretzsche & Schmiso" und fügte an: "Dieser DHB... Ich weiß nicht, was wir mit dem machen sollen. Ich weiß auch nicht, wer sich da was denkt. Wer dort was entscheidet. Keine Ahnung, was ist überhaupt der DHB? Wer ist überhaupt der DHB?"
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"Es ist vom Umgang respektlos, wenn uns Stefan Kretzschmar als Amateure bezeichnet. Es ist sein Problem, aber nicht unseres, unser Vorgehen als intransparent zu bezeichnen, nur weil er offenbar nicht mitbekommen hat, dass wir unsere Struktur schon vor sieben Jahren grundlegend geändert haben", rumpelte Andreas Michelmann in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in Richtung der Handball-Legende zurück. Vor sieben Jahren hatte der DHB in einer Strukturreform die Aufgaben zwischen einem ehrenamtlichen Präsidium als Aufsichtsrat und einem hauptamtlichen Vorstand als Geschäftsführung getrennt.
An dieser Strukturreform war Bob Hanning als damaliger Vize-Präsident des DHB beteiligt. Aber auch der Geschäftsführer der Füchse Berlin, der als ehrenamtlicher Trainer von Kooperationspartner VfL Potsdam mit zahlreichen Junioren-Weltmeistern gerade in die 1. Liga aufgestiegen ist, kritisierte den Verband nach der Entscheidung. "Die Art und Weise, wie der Verband die Nachricht kommuniziert hat, ist eine glatte Sechs", sagte der erfahrene Funktionär bei Sport1.
Bob Hanning hatte - trotz des Erreichens des Halbfinals bei der Handball-EM im eigenen Land - zuletzt immer wieder auch Kritik am Leistungssportbereich im DHB geäußert. Unverständnis löst bei ihm vor allem die Bekanntgabe an sich aus: "Man kann zu der Vertragsverlängerung mit Alfred Gislason stehen, wie man will. Die Art und Weise der Kommunikation war auch ein Desaster", sagt Hanning bei Sport1. Die Sache mit Kromer sei "jetzt nur die Fortsetzung, das passt dort mit rein. Aus dem medialen Thema wurde nichts gelernt."
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Auch intern scheint vorab keine Kommunikation erfolgt zu sein: "Das war eine sehr große Überraschung für uns, und wir sind darüber sehr traurig", sagte Handball-Bundestrainer Alfred Gislason über die anstehende Trennung des DHB von Sportvorstand Axel Kromer. Es sei "schade", sagte Johannes Golla, da Kromer bisher "viel Herzblut" in seine Aufgabe gesteckt habe. Zu den Hintergründen konnte auch der DHB-Kapitän nichts sagen.
In der kurzen Mitteilung des DHB - auf der Verbandshomepage übrigens ohne den Namen von Axel Kromer in der Überschrift sowie auch ohne ein Foto des scheidenden Vorstand Sports - zur Trennung hatte sich Präsident Andreas Michelmann mit drei Sätzen eher allgemein geäußert:
"Wir haben jetzt Klarheit für alle Beteiligten geschaffen und setzen nun alle Energie auf die vor uns liegenden Olympischen Spiele. Wir danken Axel Kromer für die seit 2012 in verschiedenen Positionen für den Deutschen Handballbund geleistete Arbeit. Als Vorstand Sport hat er den sportlichen Rahmen für das Jahrzehnt des Handballs gesetzt."
Hinter der Paywall der FAZ sprach Andreas Michelmann dann aber doch über die Gründe, die aus Sicht des Verbandes gegen eine weitere Zusammenarbeit mit Axel Kromer sprachen - und zwar mit einer Breitseite zu dessen Amtszeit: "Wenn man auf den Kern kommt, war es unser Fehler, vor knapp sieben Jahren Axel Kromer als absoluten Handballexperten zum Vorstand gemacht zu haben", so der DHB-Präsident. Kromer habe sich "sehr intensiv" um die Männer-Nationalmannschaft gekümmert und der DHB habe sich gefragt, ob die Weichen anders gestellt werden sollten - beispielsweise auch in Sachen Vernetzung zu anderen Verbänden.
Für die Aufgaben rund um die Männer-Nationalmannschaft sucht der DHB bereits seit März einen hauptamtlichen "Nationalmannschaftsmanager". Der neue Zuschnitt der Aufgaben soll laut Andreas Michelmann eines der Hauptprobleme gewesen sein. "Es hatte zuvor unterschiedliche Auffassungen zwischen uns gegeben, wie die Position des Vorstands Sport auszufüllen sei. Diese haben sich im Laufe der Zeit verschärft", erläutert der DHB-Präsident - allerdings in der FAZ, nicht über die Kanäle des Verbandes.
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Es ist übrigens nicht der einzige Abgang in der Führungsebene des DHB: Benjamin Chatton wird als Vorstand Finanzen zum Jahresende aufhören - wie Andreas Michelmann gegenüber der Presse bestätigte, eine offizielle Mitteilung des Verbandes gibt es dazu bislang nicht. Bestätigt vom DHB ist hingegen, dass Monika Wöhler ihr Amt als Vizepräsidentin aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat. Damit ist mit Dr. Verena Svensson unter den zehn verbliebenen Präsidiumsmitgliedern und den fünf Personen im Vorstand nur noch eine Frau.
cie