10.08.2024, 12:00
"Irgendwie noch nicht fertig"
Die deutschen Handballer stehen vor dem größten Spiel ihrer Karrieren. Das junge DHB-Team glaubt nach beeindruckenden Olympia-Tagen an den Gold-Coup. "Was Besonderes" sei im Gange, meint Juri Knorr.
Trotz der schon sicheren Silbermedaille sieht das DHB-Team das Finale des Handball-Turniers bei Olympia nicht nur als Zugabe. "Wir haben jetzt noch ein Spiel, um in die Geschichte eingehen zu können. Irgendwie sind wir noch nicht fertig. Jetzt wollen wir es auch zu Ende bringen", kündigte Rückraumspieler Julian Köster an.
Großen Anteil am Finaleinzug hatte Andreas Wolff, der Torhüter wurde wie schon im EM-Finale 2016 zum Albtraum für die Spanier. "Ich würde gerne in die Kabine gehen und ein bisschen runterkommen", sagte Wolff nach dem Halbfinal-Krimi gegen Spanien mit leiser Stimme. Ausgelaugt sei er, vor allem emotional. Und blickte dann doch nach vorne: Er wolle nun "Kräfte sammeln für das Endspiel", sagte er. Ein Endspiel, "wo wir das Potenzial haben, Geschichte schreiben zu können".
"Insgesamt spielen alle anderen auch sehr gut", lobte auch der Bundestrainer das gesamte Team. "Natürlich ist die Freude riesig, dass wir im Finale stehen, aber auch darüber, dass wir es endlich geschafft haben, einer der Großen zum zweiten Mal zu schlagen. Dieser Erfolg macht mich sehr stolz. Noch stolzer macht mich aber, wie die Mannschaft spielt", betonte Alfred Gislason dabei mit Blick auf die Auftritte in Paris.
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Im Spiel um Gold trifft das DHB-Team am Sonntag auf Weltmeister Dänemark, der im Halbfinale gegen Slowenien allerdings im zweiten Abschnitt überraschend zittern musste und sich verwundbar zeigte. Das DHB-Team ist dennoch der Außenseiter. Zeigte aber im Viertelfinal-Thriller gegen Gastgeber und Titelverteidiger Frankreich mit Sechs-Sekunden-Wunder und Verlängerung sowie im Halbfinal-Krimi gegen Spanien seine neue Stärke in engen Spielen.
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"Wir waren immer die Underdogs. Niemand hat damit gerechnet. Spätestens nach dem Frankreich-Spiel hat jeder gemerkt, dass was Besonderes gerade im Gange ist. Und, dass das vielleicht unser Moment, unsere Zeit ist, etwas Besonderes zu erreichen", beschrieb Spielmacher Juri Knorr den deutschen Höhenflug.
"Ich kann für die meisten von uns sprechen, dass es das größte Spiel unserer Karriere wird", sagt Kapitän Johannes Golla. Seine Augen leuchten. Die Dänen, sagte Golla voller Respekt, seien die "beste Handball-Nationalmannschaft der Welt" und "als Titelfavorit angereist. Man hat aber auch gesehen, dass die letzten beiden Spiele kein Spaziergang für sie waren. Da ist auch etwas möglich gegen Dänemark."
Auch weil Deutschland mit Selbstvertrauen in die Partie geht: "Ich glaube, dass wir in einem Spiel jede Mannschaft schlagen können", sagt Golla und nennt die finale Erfolgsformel: "Wenn unsere Torhüter so performen wie in den letzten Spielen, wenn wir diesen Spirit wieder reinkriegen, dass wir alle füreinander kämpfen, dann, glaube ich, haben wir eine Chance."
Nach dem gewonnenen Halbfinale verfolgte das DHB-Team im Physio-Zimmer gemeinsam Olympia am TV. "Das ist das, was Olympia für uns ausgemacht hat, als Gruppe zusammen zu sein, zu lachen, Spaß zu haben und neben den Spielen einfach eine tolle Zeit zu haben", sagte Spielmacher Juri Knorr.
Genau dieses Gefühl der Gemeinschaft habe "uns in den Spielen geholfen und das hat uns über die ganze Zeit ganz besondere Momente beschert", berichtet Juri Knorr. Olympia, so der 24-Jährige, sei "das Größte für jeden Sportler, vielleicht nicht für die Fußballer, aber für uns schon".
Zumal der Druck, mit einer Medaille die Heimreise antreten zu müssen, ist nach dem 25:24-Krimi gegen Spanien weg ist. "Erleichterung zu 100 Prozent. Das wird uns beflügeln. Wir werden alles reinwerfen. Mehr können wir nicht machen", versicherte Linksaußen Rune Dahmke, der beim heutigen Finale der Frauen mit seiner Lebensgefährtin Stine Oftedal mitzittern wird, die Gold vorlegen kann.
"Ich bin stolz Teil dieses Teams zu sein und eine Medaille sicher zu haben. Aber wir wollen mehr", erklärte Renars Uscins. "Wir sind wahnsinnig stolz auf das, was wir erreicht haben. Jetzt wollen wir den letzten Schritt gehen", fügte Sebastian Heymann an. "Ab jetzt können wir nicht mehr verlieren, wir können nur noch gewinnen", sagte Christoph Steinert.
Der Finaleinzug ist schon jetzt der größte Erfolg für den deutschen Handball der Männer nach Olympia-Silber 2004 in Athen, dem WM-Triumph 2007 im eigenen Land sowie dem EM-Coup 2016 und Olympia-Bronze im gleichen Jahr. 1984 war der BRD zuvor einmal der Finaleinzug gelungen, vier Jahre zuvor hatte die DDR bei Olympia 1980 bislang die einzige Goldmedaille im Handball für Deutschland geholt.
Nach den Frauen der DDR, die 1976 und 1980 Medaillen holten, sind Andreas Wolff und Kai Häfner nun übrigens die ersten deutschen Männer mit zwei Handball-Medaillen bei Olympia. "Andi und ich haben miteinander gesprochen", berichtete Häfner am Freitagabend in Lille über einen Blick zurück auf 2016, dem Jahr als neben dem EM-Titel auch Olympia-Bronze geholt wurde. "Es ist schön, dass wir das Finale spielen und eine Medaille sicher haben."
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Er sei "erleichtert", dass die angepeilte Medaille schon sicher sei, sagte auch Andreas Wolff. Doch der 33-Jährige, der am Sonntag nach Bronze 2016 so oder so sein zweites olympisches Edelmetall bekommen wird, will das Maximum: "Jetzt hoffe ich mal, dass wir es auch schaffen, dass es eine goldene sein wird." Die Chance auf Gold sei das "Zeugnis eines fantastischen Turniers" des gesamten Teams. Aber, so Wolff, "wir haben eben noch den Schritt zu machen und da müssen wir uns jetzt auch vorbereiten".
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cie mit Material dpa, sid