vor 8 Stunden
Rote Karte, Wechselfehler, Tor oder nicht?
Der Videobeweis bei der WM 2025
Der Videobeweis ist aus dem Handball nicht mehr wegzudenken, doch anders als im Fußball sorgt er für wenig Diskussion. Warum? Die Kriterien für den Videobeweis bei der Handball-WM 2025 unter der Lupe.
Tor oder kein Tor? Zeitstrafe oder Disqualifikation? Wer ist bei einer Rudelbildung zu bestrafen? Die Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter können bei der WM in Dänemark, Norwegen und Kroatien zur Unterstützung ihrer Entscheidungen auf den Videobeweis zurückgreifen. Allerdings ist ein Einsatz der Technik nur in bestimmten Situationen möglich.
Der Weltverband IHF listet in seinem Reglement für den Videobeweis insgesamt elf mögliche Situationen auf, in denen die Schiedsrichter:innen sowie die Delegierten auf den Videobeweis zurückgreifen können. Eine Beantragung des Videobeweises durch die Mannschaften, wie es in anderen Sportarten teilweise Usus ist, ist nicht möglich.
Auch zum immer wieder heiß diskutierten Videobeweis im Fußball gibt es einen entscheidenden Unterschied: Während im Fußball die Entscheidung von einem extra Video Assistant Referee (VAR) getroffen wird, sichten im Handball ausschließlich die Schiedsrichter selbst die Videobilder - und treffen basierend darauf ihre Entscheidung.
Die Unparteiischen wissen das zu schätzen. "Es ist wichtig, dass nur die Schiedsrichter oder - wie bei der Weltmeisterschaft - der Supervisor eine Szene beobachten können", sagte der deutsche Top-Schiedsrichter Robert Schulze nach der WM 2021 (hier nachzulesen). "Man sieht in anderen Sportarten, zu welchen Diskussionen es ansonsten führen kann."
Videobeweis in elf Situationen möglich
Außerdem müsse klar sein, das hatte Schulze damals ebenfalls betont, "in welchen Situationen der Videobeweis angewandt werden darf; das muss für alle transparent sein." Entsprechend klar ist der Einsatz geregelt (siehe unten): Hat der Ball die Linie vollständig überquert (Situation 1)? Welcher Spieler ist bei einer Rudelbildung zu bestrafen (Situation 5)? Muss ein Foul mit einer Zeitstrafe oder eine Disqualifikation geahndet werden (Situation 8)?
In zwei der beschriebenen elf Situationen können allerdings nicht die Schiedsrichter, sondern nur die Delegierten den Videobeweis anfordern: Wenn ein Wechselfehler nicht eindeutig identifiziert werden konnte sowie bei der missbräuchlichen Verwendung des Auszeit-Buzzers. Das ist ein Unterschied zum Videobeweis in der Handball-Bundesliga, wo die Delegierten dazu nicht berechtigt sind.
Zudem sind die Delegierten berechtigt, bei "schwerwiegenden und unfairen Aktionen ohne Ball, die außerhalb des Blickfelds der Schiedsrichter stattfinden" die Videobeweis anzufordern. Die Entscheidung über die Konsequenz der Videobilder (z.B. Hinausstellung, Disqualifikation) treffen in diesem Fall aber dennoch die Schiedsrichter.
Lediglich die elfte Situation, in welcher der Videobeweis angewendet werden darf, wirkt etwas schwammig. "11. Sonstiges", heißt es im Reglement des Weltverbands, der als Erklärung hinzufügt: "Im Falle einer Entscheidung, die einen Protest nach sich ziehen kann." Auf diesen Paragrafen dürfen sich sowohl Schiedsrichter als auch Delegierte berufen.
Neben den Einsatzmöglichkeiten ist auch der Ablauf klar geregelt: Eine Auszeit beim Videobeweis ist verpflichtend; die Schiedsrichter zeigen zudem mit dem Handzeichen für den Videobeweis klar an, dass sie eine Szene überprüfen wollen.
Während der Überprüfung dürfen sich ausschließlich die Schiedsrichter (oder Delegierten) am Tisch/Bildschirm für den Videobeweis aufhalten; keine Spieler oder Trainer. Anschließend wird der Delegierte informiert; nach dem Betreten des Feldes muss die Entscheidung für Mannschaften und Zuschauer deutlich signalisiert werden.
Auf einen Blick: Die elf Situationen
"Der Videobeweis bietet den Schiedsrichtern die Möglichkeit, Situationen unmittelbar auf einem Bildschirm anzusehen, wenn sie die Aktion nicht vollständig auf dem Spielfeld sehen konnten und vor dem Treffen einer Entscheidung nochmals überprüfen möchten", hält die IHF in ihren Regularien fest. "Dies betrifft insbesondere Schlüsselsituationen im Spiel, in denen die Schiedsrichter beschließen, sich zusätzlich zu ihrem Eindruck auf dem Spielfeld die Fernsehbilder anzusehen."
1. Tor / kein Tor
Zur Bestimmung, ob der Ball die Torlinie vollständig überquert hat (oder nicht)
2. Tor / kein Tor
Zur Bestimmung, ob die Zeit abgelaufen oder das Spiel unterbrochen worden ist, bevor (oder nachdem) der Ball die Torlinie vollständig überquert hat
3. Schwerwiegende und unfaire Aktionen
Situationen ohne Ball, die außerhalb des Blickfelds der Schiedsrichter passieren
4. Disqualifikation (rote Karte)
Zur genauen Identifizierung der Rückennummer des fehlbaren Spielers durch die Schiedsrichter
5. Konflikte auf dem Spielfeld
Konfrontationen zwischen zwei (oder mehr) Spielern (und die Schiedsrichter haben ernste Zweifel daran, welche(r) Spieler zu bestrafen ist)
6. Wechselfehler
Der Fehler ist nicht eindeutig vom Tisch identifiziert worden.
7. Simulation
Wenn die Schiedsrichter ernsthafte Zweifel daran haben, ob ein Spieler progressiv bestraft werden sollte oder wenn ein Spieler versucht, die Schiedsrichter durch Simulation zu täuschen.
8. Regel 8
Wenn die Schiedsrichter ernsthafte Zweifel daran haben, ob eine 2-Minuten- Strafe oder eine Disqualifikation gemäß 8:5, 8:6, 8:9 oder 8:10 auszusprechen ist
9. Den Spielausgang verändernde Situationen in den letzten 30 Sekunden (einschließlich nach dem Schlusssignal ausgeführte Würfe)
Wenn die Schiedsrichter ernsthafte Zweifel an einer 7-Meter-Entscheidung oder einem technischen Fehler eines Spielers haben, der ein Tor erzielt
10. Elektronisches Team-Time-out
Im Falle einer technischen Fehlfunktion des elektronischen Team-Time-out- Systems, Ungewissheit des Delegierten oder der Schiedsrichter bezüglich der Mannschaft, die in Ballbesitz war, als der Buzzer betätigt wurde oder bei Zweifeln des Delegierten darüber, wer den Buzzer betätigt hat
11. Sonstiges
Im Falle einer Entscheidung, die einen Protest nach sich ziehen kann
jun