07.08.2024, 17:25
Renars Uscins als Verlängerungsbringer und Matchwinner
Das Aus im Viertelfinale des Handball-Turniers bei Olympia gegen Gastgeber Frankreich schien für Deutschland besiegelt, doch ein "Sechs-Sekunden-Wunder" brachte dem DHB-Team dann doch noch die Verlängerung und am Ende das Halbfinal-Ticket.
Dreizehn Sekunden vor dem Ende schien der Traum von einer Olympia-Medaille für Deutschland beendet. Wie schon die Frauen am Tag zuvor drohte auch für die Männer Gastgeber Frankreich zur Endstation zu werden. Der Gastgeber und Titelverteidiger hatte sich nach einer enttäuschenden Vorrunde als Vierter seiner Gruppe ins Viertelfinale gerettet und führte gegen Gruppensieger Deutschland mit 29:27.
Das DHB-Team war in Ballbesitz und hatte einen Siebenmeter: Renars Uscins vergab nicht eine Sekunde, warf direkt und brachte Deutschland den Anschlusstreffer. Doch Frankreich war nun in Ballbesitz, beförderte den Ball langsam in Richtung Anwurfkreis. Trainer Guillaume Gille nahm eine Auszeit. Sechs Sekunden waren noch auf der Uhr, trotz Unterzahl schien der Sieg für die Franzosen bereits sicher.
Dass im Handball aber selbst mit der Sirene bei einem Ein-Tor-Abstand nichts wirklich sicher ist, hatte ausgerechnet Frankreich im Januar gezeigt: Elohim Prandi hatte mit einem direkten Freiwurf sein Team im Halbfinale gegen Schweden in die Verlängerung geworfen, am Ende holte sich das Team den Titel. Doch ausgerechnet bei den Olympischen Spielen im eigenen Land, vor 27.000 Zuschauern und zum Abschied einer Legende wie Nikola Karabatic, wurde das Handball-Schicksal nun den Franzosen zum Verhängnis.
Guillaume Gille beruhige sein Team in der Auszeit, versuchte auf dem Taktikboard noch einmal Anweisungen zu geben - unterdessen diskutierten die Spieler. Elohim Prandi nahm sich erneut den Ball, diesmal allerdings zum Anwurf. Deutschland stellte sich an der Mittellinie auf, signalisierte Druck. Auch durch den in der französischen Hälfte stehenden Lukas Mertens. Dieser attackierte nach dem Pass von Prandi auf Dika Mem den ballführenden Spieler sofort gemeinsam mit Renars Uscins und Julian Köster.
Vier Sekunden waren noch auf der Uhr - Deutschland deckte hinter den vorgezogenen Akteuren mit Steinert und Heymann im Raum. Dieser war groß, aber Mem fand keine klare Anspielstation. Dennoch, hätte er den Ball lang in Richtung eines der beiden Außen gespielt oder gar in Richtung Tor oder Tribüne geworfen - unabhängig vom Ausgang, die Zeit hätte für Deutschland nicht mehr für einen Gegenangriff gereicht.
Doch der erfahrene Akteur des FC Barcelona versuchte einen kurzen Lob-Pass zurück auf Prandi, der mit dem Ball alleine in Richtung Tor gelaufen wäre. Doch darauf hatte Julian Köster spekuliert, der Gummersbacher sprang mit maximaler Streckung nach oben - und bekam den Ball genau in die ausgestreckten Arme. "Dika Mem hat sich den falschen ausgesucht, um drüberzuwerfen", stellte Bundestrainer Gislason nach dem Spiel trocken fest.
Und nun schaltete nicht nur Köster schnell, Uscins machte sich sofort in Richtung gegnerisches Tor auf, bekam den Pass und zog aus zehn Metern ab. Dika Mem versuchte vergeblich den Wurf zu verhindern und der mit 24 Paraden in diesem Spiel überragende Vincent Gerard bekam diesen entscheidenden Aufsetzer durch die Beine.
"Zum Glück sucht sich Mem den Köster-Jungen aus, um drüberzuwerfen", lachte Rune Dahmke nach dem Abpfiff und verriet: "Wir haben tatsächlich besprochen, wir lassen zwei Jungs vorne, falls etwas passiert und dann passiert tatsächlich etwas. Und wer anders als Renars Uscins schießt uns in die Verlängerung? Was der hier spielt, ist unglaublich.“
Als Deutschland schon jubelte, überprüften die Schiedsrichter die Entscheidung aufgrund ihrer enormen Bedeutung zur Sicherheit - und blieben auch nach dem Videobeweis: Tor und Verlängerung. Diese wurde nicht weniger dramatisch und am Ende sollte Renars Uscins mit seinem vierzehnten Treffer zum 35:34 nicht nur zum Verlängerungsbringer, sondern auch zum Matchwinner werden. In Anlehnung an Dahmke könnte man wohl sagen: Wer auch sonst?
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