03.01.2024, 18:00
"Potenzial zu einem Weltklasse-Spieler"
Er ist gerade mal 18 Jahre alt und Portugals größte Handball-Hoffnung. Francisco Costa wird in beiden Testspielen sicher auch die deutsche Mannschaft vor Probleme stellen. Wer ist das Supertalent?
Wenn Francisco Costa an diesen Tag im Februar 2021 zurückdenkt, kommen ihm noch heute oft die Tränen. Vor knapp zwei Jahren erleidet Portugals ehemaliger Nationaltorhüter Alfredo Quintana im Training des FC Porto einen Herzinfarkt, wenige Tage später stirbt er.
Francisco ist zu diesem Zeitpunkt gerade mal 16 Jahre alt und verliert einen seiner engsten Freunde im Handball, bis heute benutzt er ein gemeinsames Foto von sich und Quintana als Profilbild bei Instagram. Dessen Initialen "AQ" trägt Costa als Tattoo auf dem Unterarm.
Doch auch wenn er eines seiner größten Vorbilder früh verloren hat, einen Satz Quintanas hat der Linkshänder nie vergessen: "Eines Tages wirst du ein Champion sein", habe der Torhüter ihm erzählt, wie Costa mal in einer EHF-Dokumentation verriet. Und tatsächlich ist er auf dem besten Weg dahin.
Aber wer ist dieses 18-jährige Wunderkind, das mit Portugal in zwei Testspielen am Donnerstag und Samstag auf die deutsche Mannschaft treffen wird? "Er ist für sein Alter schon sehr, sehr weit", sagt der ehemalige Nationalspieler Jens Schöngarth gegenüber handball-world. "Er ist extrem spielstark, hat eine gute Spielübersicht, ist technisch sehr gut und hat einen sehr ordentlichen Wurf von hinten."
Schöngarth muss es wissen, er hat eineinhalb Jahre bei Sporting Lissabon mit dem Supertalent zusammengespielt. "Den Sprung in die Weltklasse traue ich ihm zu. Aber dafür muss er körperlich nochmal auf ein anderes Level kommen", sagt Schöngarth. "Um in einer anderen Liga als der portugiesischen zu spielen, braucht man eine andere Robustheit - aber da hat er ja noch alle Zeit der Welt."
Trotz seines jungen Alters ist "Kiko" Costa aber schon jetzt sehr weit. Mit 101 Toren führt der 18-Jährige die Torschützenliste der heimischen Liga an, auch in der European League zählt er zu den erfolgreichsten Schützen des Wettbewerbs. "Variantenreich, explosiv und voller Selbstbewusstsein" spiele Costa, sagt Ex-Nationalspieler Ole Rahmel gegenüber handball-world.
Auch der 34-Jährige von Benfica Lissabon kennt Costas Stärken, da er in Portugal regelmäßig auf den Rückraum-Rechten trifft. "Er hat ganz klar das Potenzial, zu einem Weltklasse-Angriffsspieler zu werden", sagt Rahmel. Das glaubt auch Schöngarth. "Den Sprung in die Weltklasse traue ich ihm prinzipiell zu", sagt der 35-Jährige.
Das einzige Handball-Defizit von Francisco Costa neben (noch) fehlenden Muskeln: die Abwehrarbeit. "Das ist nämlich noch überhaupt nicht sein Ding, zählt also überhaupt nicht zu seinen Stärken. Da hat er also noch Potenzial", sagt Schöngarth.
Dass Francisco Costa in diesem jungen Alter überhaupt schon als größte Handball-Hoffnung Portugals bezeichnet wird, hat viel mit Costas Wurzeln zu tun.
Seine Eltern waren beide Nationalspieler, bei Sporting wird er bis heute von seinem Vater Ricardo trainiert und gefördert. Außerdem spielt er sowohl in Lissabon wie auch in der Nationalmannschaft mit seinem ebenfalls hochveranlagten Bruder Martim Costa zusammen. Martim ist ebenfalls im Rückraum zuhause und gerade mal 21 Jahre jung.
"Ein Freigeist, der sehr viel über individuelle Aktionen kommt", sagt Schöngarth über Martim. "Aber ich denke, dass Kiko mit Sicherheit besser veranlagt ist, weil er auch mehr im Team spielt." Das sieht Rahmel ähnlich. "Kiko hat mehr Potenzial. Martim ist eher derjenige für überraschende Aktionen." Die deutsche Mannschaft jedenfalls dürfte vor beiden gewarnt sein.
Vor allem vor den wuchtigen Rückraumwürfen von Kiko Costa. Dass die Portugiesen der DHB-Auswahl grundsätzlich gefährlich werden können, davon sind Rahmel und Schöngarth jedenfalls beide überzeugt. "Portugal hat sich die letzten Jahre sehr gut entwickelt, hat einen großen Sprung gemacht im internationalen Handball", sagt Schöngarth.
"Wenn die portugiesischen Torhüter einen guten Tag erwischen, kann es ganz eng werden", glaubt Rahmel. Und das Potenzial der beiden Costa-Brüder dürfte Bundestrainer Alfred Gislason ohnehin auf dem Schirm haben.
Nils Bastek