25.08.2024, 15:30
Zum Gedenken an eine Trainer-Legende im Fußball und einen Handball-Freund
Als Fußballtrainer hat Christoph Daum etliche Titel gewonnen - vielleicht auch, weil er immer wieder Elemente aus dem Handball in seine Trainingseinheiten hat einfließen lassen. Wie sehr ihn die Sportart, mit der er als Jugendlicher zum ersten Mal in Kontakt kam, faszinierte, berichtete er beim Besuch von "Bock auf Handball" in seiner Kölner Villa. Am Samstag verstarb die Trainer-Legende im Alter von 70 Jahren nach einer schweren Krebserkrankung.
"Es gibt Dinge, die lassen sich nur schwer erklären. Dazu zählt zum Beispiel Christoph Daums Faszination für den Handball, selbst dem ansonsten so redegewandten Meistertrainer fehlen dafür mitunter die Worte. Daum ist kein Handballfreak oder Dauerkonsument, aber jedes Jahr im Januar packt es ihn dann doch wieder aufs Neue", berichtete Bock auf Handball in der im Februar erschienenen 14. Ausgabe.
Wenn die deutsche Nationalmannschaft bei den großen Turnieren wie zuletzt der Heim-Europameisterschaft antrat, dann saß auch der ehemalige Fußballtrainer vor seinem Fernseher. Und dann erinnerte er sich an seine ersten Berührungspunkte mit diesem Sport, der ihn zwar nie so sehr gepackt hat wie der Fußball, der ihn aber doch immer wieder staunen ließ.
Gut ein halbes Jahr später trauert neben dem Fußball auch die Redaktion um einen grandiosen Gesprächspartner und Handball-Freund: Christoph Daum verstarb am 24. August 2024 nach einer Krebserkrankung. Zum Gedenken veröffentlichen wir das Stück aus dem Heft in voller Länge.
Christoph Daum sitzt in der Küche seiner imposanten Villa in Köln, als er in seinen Handball-Erinnerungen schwelgt. Seine Gedanken kehren zurück nach Duisburg, in das Arbeiterviertel, wo er aufgewachsen ist. Auf den Fußballplätzen dort liegt damals noch überwiegend Asche, aus den Schornsteinen der Bergwerke steigt dunkler Rauch auf. In unmittelbarer Nähe der kleinen Wohnung seiner Eltern lag damals diese Handballhalle, erinnerte sich der heute 70-Jährige.
"Eines Tages kam dann einer meiner Mitspieler aus der Fußballmannschaft zu mir, er war auch im Handballverein aktiv. Die brauchten noch einen, um das Training aufzufüllen", sagt er. Ungefähr 15, 16 sei er da gewesen. Daum geht hin und wundert sich: "Die Bälle flogen mit so einer Wucht an mir vorbei, dass ich vom Luftzug fast eine Lungenentzündung bekommen hätte."
Bis heute fasziniert in das am Handball: Die knallharten Zweikämpfe und diese enorme Kraft in den Würfen, so wie er es damals selbst erlebt hat. Wirklich erklären, warum er bei fast jedem Großturnier die deutsche Mannschaft interessiert verfolgt, kann Daum trotzdem nicht. Er schaut es einfach gerne.
Als Jugendlicher jedenfalls bleibt es bei ein paar wenigen Handballerlebnissen mit seinen Freunden, zu groß ist in dieser Zeit schon seine Leidenschaft für den Fußball. Möglicherweise packt es ihn dann so richtig im Jahr 2007, als die DHB-Auswahl vor seiner Kölner Haustür Weltmeister wird.
“Die Atmosphäre in Köln war einmalig, so wie die Fans die Mannschaft unterstützt haben, das war Wahnsinn", erzählt er. Daum ist zu dieser Zeit gerade Trainer des FC, er weiß also genau, was in Köln los ist. Eine solche Begeisterung für den Handball hat er bis zu diesem Zeitpunkt noch nie zuvor in seiner Stadt erlebt.
"Wir Fußballer können unheimlich viel von den Handballern lernen. Wie die mit Zweikämpfen umgehen, wie sie mit Fouls umgehen, wie sie mit Schiedsrichterentscheidungen umgehen. Ganz allgemein: was die wegstecken", sagt er.
"Bei uns im Fußball gibt es dann gleich immer Rudelbildungen und Beschwerden und alles Mögliche. Wenn wir gefoult werden, machen wir den dreifachen Rittberger und schieben eine doppelte Hechtrolle hinterher. Die Handballer werden umgehauen, bleiben kurz liegen, stehen wieder auf und dann geht es weiter."
Möglicherweise ist auch das ein Grund, warum Daum sich wie so viele Millionen Menschen im Winter 2007 von der Euphorie um die deutsche Mannschaft anstecken lässt. Dabei hat er schon vorher Elemente aus dem Handball in seine Arbeit als Fußballtrainer einfließen lassen.
Dass er vom Handball lernen kann, begreift er während seiner Zeit als Student an der Sporthochschule in Köln. Einer seiner Kommilitonen damals: Joachim "Jo" Deckarm, damals einer der besten Handballer Deutschlands. Bis zum 30. März 1979.
Daum erinnert sich genau an diesen Tag. "Als wir dann mitkriegten, was in Tatabanya passiert war", sagt Daum und gerät kurz ins Stocken. "Wir waren alle zutiefst erschüttert, weil Jo nicht nur ein herausragender Handballer, sondern auch ein ganz toller Mensch, ein wunderbarer Kommilitone war."
An diesem Tag aber, beim Auswärtsspiel mit dem VfL Gummersbach, stürzt Deckarm mit dem Kopf ungebremst auf den Betonboden der Halle in Ungarn und verletzt sich schwer. Bis heute leidet Deckarm unter den Folgen dieses Unglücks. "Da sind viele von uns Studenten in die Knie gegangen. Wir waren geschockt, weil wir ihn natürlich von der Sporthochschule kannten", sagt Daum.
Daum hofft zu diesem Zeitpunkt noch auf eine Profikarriere als Fußballer, schafft es aber nicht über die Amateure des 1. FC Köln hinaus. Deckarm ist eine gewisse Art Vorbild für ihn, weil er es in die erste Mannschaft des VfL Gummersbach und damit in eine der damals besten Mannschaften der Welt geschafft hat. Auch darum verfolgt Daum damals schon hin und wieder Spiele des VfL - und plant im Hinterkopf seine Trainerkarriere.
Natürlich kommt er auch in der Sporthochschule mit Handball in Kontakt, später wird er Elemente davon immer mal wieder in seine Aufwärmungen einüben lassen. Oder beim Üben der Raumdeckung. "Auch um das Verschieben zu lernen, habe ich meine Spieler gerne mal Handball spielen lassen. Weil im Handball fliegen die Pässe so schnell, da musst du blitzschnell Situationen erkennen, antizipieren. Das spielt bis heute im Fußball eine unfassbar wichtige Rolle", sagt er. Er nutzt den Handball also ganz gezielt.
Als Trainer ist Daum unermüdlich, in fast jeder Sportart kann er etwas Nützliches erkennen, aber wohl keine hat ihn neben dem Fußball so beeinflusst. Überbewerten will er das aber nicht. Dafür sei er zu weit weg vom Handball, sagt er. Wenn er heute die Spiele des DHB-Teams verfolgt, dann macht er das auch nicht mit einem analytischen Blick, sondern als Fan. Er staunt über Kempa-Tricks oder besondere Würfe, freut sich über außergewöhnliche Aktionen von einzelnen Spielern.
"Ach ja, fantastisch", sagt er, als vor seinem inneren Auge ein Erinnerungsfilm mit eben solchen besonderen Handballmomenten abläuft. "Sowas ist faszinierend, muss ich sagen. Das macht Sportarten für mich besonders." Das ist es also, was auch den Handball für ihn ausmacht. Besondere Momente, große Siege - oder einfach nur ein toller Trick.
Genau darum will er auch in Zukunft wieder einschalten, erklärte er gegenüber Bock auf Handball für die Februar-Ausgabe. Gut ein halbes Jahr später trauert neben dem Fußball auch die Redaktion um einen grandiosen Gesprächspartner und Handball-Freund: Christoph Daum verstarb am 24. August 2024 nach einer Krebserkrankung.
Hinweis: Der Text stammt aus der 14. Ausgabe von Bock auf Handball. Die 16. Ausgabe des Handball-Magazins ist derzeit im Zeitschriftenhandel erhältlich - und, wie frühere Ausgaben, auch im Online-Shop.
Bock auf Handball erzählt interessante Geschichten über die Stars des Handballs. Das Einzelheft gibt es für 7,00 Euro im gut sortierten Zeitschriftenhandel sowie im Online-Shop als Einzelheft - versandkostenfrei in Deutschland - und im Abo. Zudem gab es im vergangenen Jahr ein Sonderheft zum THW Kiel und eines zum Themenbereich Schiedsrichter im Handball.
Klahn, Bastek - Bock auf Handball