22.03.2024, 20:00
THW Kiel vs. SG Flensburg- Handewitt weniger brisant?
THW Kiel gegen SG Flensburg-Handewitt - das ist das vielleicht größte Derby der Handball-Welt. Christian Zeitz und Jan Holpert haben es etliche Male gespielt - und sind dabei einmal heftig aneinandergeraten. Im Interview von handball-world sprechen sie erstmals gemeinsam über den legendären Kopftreffer von 2007.
Im April 2007 erlebte das größte Derby der Handball-Welt seinen vorläufigen Höhepunkt: Damals standen sich die SG Flensburg-Handewitt und der THW Kiel im Finale der Champions League gegenüber. Das Hinspiel in der Campushalle endete mit 28:28 unentschieden, nach einem 29:27 im Rückspiel in der Ostseehalle reckten die Kieler "Zebras" zum ersten Mal die größte Trophäe des Vereinshandballs in die Höhe.
Mittendrin in der mitreißenden Schlacht: SG-Torhüter Jan Holpert und THW-Scharfschütze Christian Zeitz. Ein Kopftreffer, mit dem Zeitz Holpert damals bei einem Tempogegenstoß niederstreckte, ist bis heute einer der hitzigsten Momente in der langen Derby-Historie. Am Samstag treffen der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt zum nunmehr 110. Mal in einem Pflichtspiel aufeinander. Mit handball-world sprechen Holpert und Zeitz nach 17 Jahren das erste Mal wieder miteinander.
Jan und Christian, habt Ihr nach dem Kopftreffer eigentlich jemals wieder miteinander geredet?
Jan Holpert: Witzigerweise nein (lacht). Also eigentlich ja, aber nur kurz. Tatsächlich haben wir diese Geschichte in einem klärenden Gespräch relativ schnell bereinigt und aus dem Weg geräumt. Aber danach gab es eigentlich auch gar keine Berührungspunkte mehr. Es hat sich nie die Gelegenheit ergeben, dass wir mal hätten schnacken können.
Weil Ihr Euch nichts mehr zu sagen hattet?
Jan Holpert: Nein, das glaube ich nicht. Vielleicht kann ich es einfach noch mal erklären: Das war damals ja nicht nur dieser Kopftreffer, sondern ein Sammelsurium aus vielen Dingen. Wir lagen zurück. Zudem war es eines meiner letzten Spiele. Dann durfte ich nicht mal anfangen.
Allein deshalb war da schon ein großes Frustpotenzial da, denn ich wollte meiner Mannschaft natürlich helfen. Und das funktionierte dann nach dem Kopftreffer natürlich überhaupt nicht mehr. Irgendwie kam dann alles zusammen: der Kopftreffer, Frust und sehr, sehr viel Traurigkeit.
Wie hast du das erlebt, Christian?
Christian Zeitz: Wir lagen mit drei, vier Toren vorne und dann habe ich ihn am Kopf getroffen. Und dann kam Flensburg plötzlich wieder ran. Es war eng, es war hitzig. Aber nochmals: Das war keine Absicht.
Aber die Halle kochte, erst recht, als du ihm den Ball an den Kopf geworfen hast. Was hat Jan dir danach gesagt?
Christian Zeitz: Ein paar nette Worte (lacht). Es kam zur Rudelbildung und alles, das ganze Theater. Und dann wurde ich auch gleich von der Platte genommen. Ich glaube, so war das. War das so? Ich weiß es nicht mehr so genau. Das ist ja auch lange, lange her. Wahnsinn, wenn man so daran zurückdenkt.
Kurioserweise hast du am Ende deiner Karriere in Minden ja nochmal mit Jans Sohn Magnus zusammengespielt
Christian Zeitz: Stimmt (schmunzelt).
Wusste er da eigentlich über den Kopftreffer Bescheid, Jan?
Jan Holpert: Klar, das hab ich ihm vorher alles erzählt. Aber er ist Zeitzi mit ganz viel Respekt begegnet, das muss man schon sagen. Er hat wirklich nur Gutes über ihn erzählt. Ich habe ihm aber auch gesagt: Keine Sorge, Magnus, du bist kein Torwart, dir kann also nichts passieren (lacht).
Christian Zeitz: Magnus ist ein sehr ruhiger, entspannter Spieler - wie der Papa auch. Da gab es also nie Ärger (schmunzelt).
Um nochmal kurz auf dieses legendäre Derby zurückzukommen. War das für euch das größte Nord-Derby aller Zeiten?
Christian Zeitz: Auf jeden Fall eines der größten. Es ging ja auch um richtig was, nämlich um den Champions-League-Pokal. Es ging da schon ordentlich zur Sache, das muss man schon sagen. Aber das war in jedem Derby so, das waren schon immer geile Spiele. Und man hat das natürlich auch schon Tage vorher in der Stadt gespürt und man wurde darauf angesprochen. Da hieß es dann: Ein Sieg ist Pflicht (lacht)!
Jan Holpert: Allein schon die mediale Präsenz. Da waren dann schon Fernsehteams zwei Tage vor dem Spiel in der Halle. Aber ich finde, es hat mittlerweile ein bisschen an Bedeutung verloren. Klar, es ist immer noch das Derby aller Derbys. Aber es steht und fällt ja auch mit den Typen auf beiden Seiten, die sind vielleicht etwas verloren gegangen. Nichtsdestotrotz waren und sind das Spiele, die auf beiden Seiten eine ganze Saison retten können.
Und Niederlagen andererseits eine ganze Saison zerstören?
Christian Zeitz: Die nächsten zwei Tage darf man dann in Kiel nicht mehr einkaufen gehen, weil man sonst sofort darauf angesprochen wird. Und natürlich darfst du dann auch nicht die Zeitung lesen (lacht).
Kann man trotzdem sagen, dass beide Clubs auch voneinander profitiert, sich gegenseitig immer wieder zu Höchstleistungen angestachelt haben?
Jan Holpert: Ich glaube, das war ganz wichtig für die Entwicklung von Flensburg. Kiel war über Jahrzehnte das Nonplusultra. Ich weiß gar nicht, wie oft in Folge die Meister geworden sind. Natürlich willst du als Rivale so eine Serie auch mal durchbrechen, genau solche Erfolge feiern.
Also ein Konkurrenzkampf ist ja immer belebend. Und das hat die Derbys natürlich zusätzlich aufgeheizt. Früher war es so, dass die Spieler sich beim Aufwärmen nicht mal begrüßt haben. Aber, wie gesagt, ich finde, dass das mittlerweile alles entspannter geworden ist.
Ist das Derby denn für die Fans noch wichtiger als für die Mannschaften selbst?
Jan Holpert: Für die Flensburger Fans auf jeden Fall. Für viele Fans ist es das Spiel der Spiele. Auch ich finde es nach wie vor herrlich, dass wir so ein Derby in Deutschland haben. Sonst würden wir uns ja hier auch nicht unterhalten und ich würde Christian nicht mal wiedersehen (lacht). Dieses Spiel ist und bleibt besonders.
Aber die gleiche Bedeutung wie zu eurer aktiven Zeit hat es nicht mehr?
Jan Holpert: Naja, ich weiß nicht. Es ging früher auf jeden Fall härter zu. Aber den gleichen Charakter und die gleiche Präsenz wie damals hat es schon noch. Ich bin jetzt relativ weit weg, aber mit Sicherheit wird auch in den Mannschaften vor diesem Spiel noch die gleiche Anspannung herrschen. Wenn ich mich an unsere Schlachten damals erinnere, das habe ich so in anderen Spielen nie erlebt.
Wie war es damals, in der Ostseehalle zu spielen?
Jan Holpert: Am Anfang meiner Karriere hatte ich sehr viel Respekt. Ich sage nicht, dass ich Schiss hatte, aber sehr, sehr viel Ehrfurcht, das muss ich schon sagen. Zuhause habe ich es immer genossen. Aber die Ostseehalle mochte ich lange nicht.
Hast du gerne in der Campushalle gespielt, Christian?
Christian Zeitz: Bis 2007 gerne. Nach dem Kopftreffer wurde es dann ungemütlicher (lacht). Aber das gehört einfach dazu. Irgendwann bist du in so einem Spiel dann auch so im Tunnel, dass du die Zuschauer gar nicht mehr so wahrnimmst. Aber wenn man draußen sitzt und 55 Minuten beleidigt wird, dann ist das natürlich was anderes. Aber das gehört zum Handball dazu.
Aber mal ehrlich: Die Flensburger Fans haben dich spätestens nach dieser Aktion verabscheut.
Christian Zeitz: Das war natürlich nicht immer leicht für mich, klar. Aber ich konnte jetzt deswegen nicht mein komplettes Spiel ändern, nur weil wir in Flensburg gespielt haben. Aber klar, ich musste da schon etwas mehr aufpassen als in anderen Spielen, ich durfte es also nicht übertreiben mit überharten Aktionen beispielsweise.
Jetzt steht Samstag das nächste Derby an - aber es geht nicht um die Meisterschaft. Komisch, oder?
Christian Zeitz: Ja, aber das hat sich ja angedeutet, wenn man den Saisonverlauf beobachtet. Aber das ist schon schade. Wenn man ehrlich ist, sind Berlin und Magdeburg im Moment aber auch einfach besser. Es ist ja nicht so, dass Kiel und Flensburg extrem schlecht spielen, aber die anderen beiden Teams haben einfach aufgeholt. Abschreiben würde ich den THW oder Flensburg aber nie. Dafür stehen noch zu viele Spiele an.
Wenn im Fußball jemand anders Meister wird als die Bayern, wird dort immer gleich alles auf den Kopf gestellt. Müssen der THW und Flensburg das nach dieser Saison auch tun?
Jan Holpert: Ich glaube, dass wir im Handball nicht so kurzfristig denken. Da ist mehr Vertrauen in Spieler, Trainer vorhanden. Und wahrscheinlich können wir es uns auch finanziell gar nicht erlauben, permanent irgendwelche Harakiri-Dinge zu machen. Magdeburg hat ja auch gebraucht, um wieder dort zu sein, wo sie jetzt stehen.
Abschließende Frage: Was erwartet ihr am Wochenende?
Jan Holpert: Ich bin vorsichtig optimistisch, sagen wir es mal so. Ich glaube, es wird ein enges Spiel. Das Hinspiel fand ich schon richtig cool mit dem Buzzerbeater von Emil Jacobsen. Ich sehe da tatsächlich ein kleines Plus bei der SG. Insofern hoffe ich, dass sie den Sieg holt.
Christian Zeitz: Also, für mich ist es schwierig, eine Prognose abzugeben, weil beide Mannschaften gute und auch schlechte Spiele gemacht haben. Klar, die Torhüter müssen funktionieren. Ich weiß nicht, ob Bellahcene fit ist, darum würde ich sagen, dass Flensburg einen kleinen Vorteil hat. Ich tippe auf ein Unentschieden.
Sascha Klahn