08.05.2024, 06:00
Der DHB muss kernsaniert werden
Intransparent, amateurhaft, stillos: Stefan Kretzschmar zählt den DHB an, wie es sich vor ihm kaum jemand gewagt hätte. Und es ist verdammt gut, dass Deutschlands bekanntester Ex-Handballer das tut. Denn bei diesem Verband blickt kaum noch jemand durch.
Ein Kommentar von Nils Bastek
Endlich sagt es mal einer. Endlich stellt öffentlich mal jemand all die Fragen, auf die wohl nur wenige eine Antwort haben. Zum Beispiel, wer der Deutsche Handballbund (DHB) eigentlich ist? Wer hat dort das Sagen? Und vor allem: Wer blickt bei all den fragwürdigen DHB-Entscheidungen der vergangenen Monate und Jahre eigentlich noch durch?
Stefan Kretzschmar hat sich jetzt also mal getraut. Amateurhaft und stillos sei dieser DHB, kritisierte der ehemalige Weltklasse-Linksaußen bei Dyn. Der Grund: Die zum Jahresende verkündete Trennung von Sportvorstand Axel Kromer. Wieder einmal weiß kaum jemand, warum und wie es zu dieser Entscheidung kam. Offenbar nicht mal Kromer selbst.
"Dieser DHB... Ich weiß nicht, was wir mit dem machen sollen“, meint Kretzschmar. Tja, was soll man also mit dem größten Handballverband der Welt machen? Ein bisschen Durchblick wäre ja schon mal ein Anfang. Ein bisschen Licht im Tunnel. Es würde ja allein schon helfen, wenn man wüsste, wer beim DHB überhaupt der Boss ist.
Wir erinnern uns: Kurz nach der Europameisterschaft 2020 hatte Kromer dem damaligen Bundestrainer Christian Prokop eine Jobgarantie ausgesprochen. Half aber nix, zwei Wochen später war Prokop trotzdem weg und Alfred Gislason plötzlich da. Hatte das Präsidium so entschieden. Wie Kromer danach dastand? Kann man sich denken.
Zweites Beispiel: Kurz nach der Heim-EM im Januar wurde Gislasons Vertrag langfristig verlängert, obwohl es auch innerhalb des Vorstands kritische Stimmen gab. Machte aber nix, weil das Präsidium über die Zukunft des Bundestrainers entscheidet. Kromer, erster Vorgesetzter des Trainers, darf dagegen höchstens Empfehlungen aussprechen.
Ja, wer blickt da also überhaupt noch durch? Im DHB-Präsidium sitzen Leute wie Hans Artschwager, Carsten Korte oder Gunter Eckart. An der Spitze steht Andreas Michelmann, der nun die Kromer-Entscheidung verkündete. Artschwager, Eckart, Michelmann? Man könnte ja beispielsweise mal beim THW Kiel durch die Halle gehen und fragen, wer diese Menschen kennt.
Immerhin Uwe Schwenker kennen sie beim THW bestens. Der sitzt übrigens auch im Präsidium. Alfred Gislason ist sein Trauzeuge. Hier entscheidet also unter anderen auch ein Kumpel über die berufliche Zukunft eines Kumpels mit. Wobei: Woher haben all diese Artschwagers, Eckarts, Michelmanns und Schwenkers eigentlich einen täglichen Einblick in die Arbeit von Gislason oder Kromer? Die Antwort kann sich jeder selbst geben.
Für den deutschen Handball ist all das nicht gut. Die Basis des DHB bilden seine Mitglieder, Hunderttausende Menschen von Jung bis Alt, von denen heute noch viele aus Liebe zum Spiel dreimal pro Woche in die Halle gehen. Nur: Wie sollen sich diese Mitglieder mit einem Verband identifizieren, der seine wichtigsten Entscheidungen im Schatten trifft?
Ein Gesicht fehlt dem DHB ohnehin. Und es wird nicht besser dadurch, dass man nicht mal seinen Körper erkennen kann. Oder, wie Stefan Kretzschmar es sagt: "Was ist überhaupt der DHB? Wer ist überhaupt der DHB?"