22.12.2023, 09:16
"Es sind die Anweisungen der Trainer, die ich nicht verstehe"
Vincent Gerard wird seine Karriere im Sommer beenden: vorher will der Handball-Torwart mit Frankreich aber noch an Europameisterschaft und Olympia teilnehmen. Auch ohne Einsatz beim THW Kiel.
Am Mittwoch hatte Vincent Gerard auf seinen Social Media-Kanälen vermeldet, dass er seine Karriere nach der Saison beendet (wir berichteten). Der französische Torwart, als Nachfolger von Niklas Landin zum THW Kiel gewechselt, hat bisher eine frustrierende letzte Spielzeit hinter sich. Für den deutschen Rekordmeister bestritt der 37-jährige nämlich noch kein einziges Pflichtspiel. Adduktorenprobleme bremsten Gerard aus, inzwischen haben die Kieler mit Landsmann Samir Bellahcene und Tomas Mrkva ein eingespieltes Duo auf der Platte und dieses auch über den Sommer hinaus gebunden.
Ohnehin scheint der Landin-Nachfolger bei den Zebras nicht mehr glücklich zu werden. Im Interview mit L´Equipe offenbarte Gerard, dass er den Spaß am Vereinshandball verloren habe. "Ich habe mir immer gesagt, dass es Zeit ist, aufzuhören, wenn die negativen Seiten die positiven überwiegen", so der Torwart, der ausführte: "Es sind die Anweisungen der Trainer, die ich nicht verstehe, die Befehle, die ich nicht unbedingt befolgen möchte." Das habe aber nichts mit dem deutschen Rekordmeister zu tun, wie der Schlussmann bei den Kieler Nachrichten betonte: "Der THW ist mit mir perfekt umgegangen."
Gerard bestritt sein letztes Vorbereitungsspiel im August für den THW, danach war Schluss. Inzwischen hofft der 37-jährige auf ein zeitnahes Comeback auf der Platte: "Ich habe keine Schmerzen mehr, ich trainiere jeden Tag, mache Sprints und Hampelmänner bis zum Umfallen. Ich bin körperlich besser drauf, als ich es in den letzten fünf Jahren war."
Ergo hat Gerard die Teilnahme an der Europameisterschaft im Januar im Visier. Er steht im 23er-Kader von Les Bleus, zusammen mit drei anderen Torhütern: Mannschaftskollege Bellahcene und das Duo von Montpellier - der junge Charles Bolzinger und Deutschland-Schreck Remi Desbonnet. Letzterer brachte bei der letzten WM das Team von Alfred Gislason zur Verzweiflung.
Und die EM ist nicht das einzige, bei dem Gerard 2024 gerne mitwirken würde. Heim-Olympia in Paris, dort wo der Torwart seine größten Erfolge feierte, steht an. "Das ist in sechs Monaten, wir werden sehen. Der einzige Trick ist, sich zu sagen: Wenn ich etwas beitragen kann, dann gerne", so Gerard, der ausführte: "Ich werde mein Bestes geben, wie ich es immer getan habe. Ich werde versuchen, das einzubringen, was ich an Erfahrung und Handball mitbringen kann."
Die Europameisterschaft könnte dabei bereits eine Art Vorentscheidung bringen. Gut möglich, dass ein erfolgreiches Duo im Januar auch bis in den Sommer Bestand hat. Seine Konkurrenz kennt Gerard dabei ganz genau: "Alle drei sind Freunde, ich habe sie aufwachsen sehen. Als ich in Montpellier war, trainierte Charles mit der U13, Remi war ganz klein, und er ist immer noch ganz klein. Samir hat auch abgehangen, als ich dort war."
2021 konnte Gerard in Tokio über die olympische Goldmedaille jubeln. Zehn Paraden steuerte der Torwart im Endspiel bei, kam auf eine Fangquote von 32 % beim 25:23 (14:10)-Sieg gegen Dänemark. "Ich bin ziemlich stolz auf meinen Werdegang", so Gerard, der auch immer wieder in der Kritik stand.
"Es gibt einen Teil des Sports, in dem ich mich nicht mehr wiedererkenne", sagt der Torwart über anhaltende Kritik: "Wenn es etwas gibt, das ich bedauere, dann ist es, dass man nicht mehr Sport treibt, um sich zu vergnügen."
Im Sommer macht Gerard dann Schluss mit der großen Handballbühne. Wie man sich an ihn erinnern soll: "Vor zwei, drei Jahren hätte ich gesagt: Dass man anerkennt, dass ich ein großer Torwart des französischen Handballs war", sagt der Schlussmann. Nach seiner Karriere kann er sich vorstellen, einen Buchladen zu betreiben.
Maximilian Otte