07.12.2024, 14:00
"Unserer Sportart in Punkto Fairness gerecht werden"
Keine Kommunikation mehr mit den Bänken im laufenden Spiel: Das war die klare Vorgabe zu Saisonbeginn. Nach den ersten drei Monaten sieht Schiedsrichter-Chefin Jutta Ehrmann-Wolf die Handball-Bundesliga in diesem Punkt auf einem guten Weg. Was sagen Spieler und Trainer?
Es war der große Schwerpunkt, mit dem das Schiedsrichterwesen in die Saison 2024/25 ging. "Wir müssen das Bankverhalten im Sinne aller Beteiligten in eine richtige Richtung bringen", erklärte Schiedsrichter-Chefin Ehrmann-Wolf vor Saisonbeginn. "Ein Baustein wird sein, dass wir bei laufendem Spiel keinen Dialog mehr mit der Bank eingehen wollen. Das ist aufgrund der Schnelligkeit des Spiels nicht zielführend und wird von uns nicht gewünscht."
Die Hoffnung der neuen Regelung war altbekannt: Mehr Ruhe an den Bänken. "Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden auch diejenigen, die bisher nie auffällig geworden sind, sich anders verhalten, damit sie keinen gefühlten Nachteil gegenüber denjenigen haben, die jedes Wochenende Alarm machen", hatte die Schiedsrichter-Chefin bereits nach der vergangenen Saison eine ungute Tendenz angemahnt.
"Wir wollen weiterhin in den Dialog gehen, aber nicht mehr, solange der Ball im Spiel ist", legte Jutta Ehrmann-Wolf in diesem Sommer vor dem ersten Anwurf der neuen Handball-Saison nach: "Ich hoffe, dass die Klubs die Schiedsrichter*innen bei der Umsetzung entsprechend unterstützen."
Nach den ersten Monaten der neuen Spielzeit fällt die Bilanz verhalten, aber durchaus hoffnungsvoll aus. "Es ist unstrittig, dass es zu einer Veränderung kommen musste und wir sind wir meiner Meinung nach auf einem guten Weg", erklärte Ehrmann-Wolf auf Anfrage von handball-world. "Wir sehen an der ein oder anderen Stelle ein verändertes Verhalten."
Sie freue sich, so die ehemalige Bundesligaschiedsrichterin weiter, "gerade über die Rückmeldung der Trainer, die zufrieden sind, dass sie sich jetzt nicht mehr gezwungen sehen, sich so zu verhalten, nur um keinen Nachteil zu haben. Wir werden das Thema weiter im Fokus behalten, um langfristig eine Veränderung zu erwirken."
Jutta Ehrmann-Wolf betont zudem: "In der Summe wissen alle, denke ich, dass die jetzige Vorgehensweise alternativlos ist, um unserer Sportart in Punkto Fairness gerecht zu werden."
Nationalspieler Lukas Zerbe zeigte sich gegenüber handball-world gelassen. "Ich bin selber einer, der nicht so viel mit den Schiedsrichtern quatscht. Die müssen ihren Job machen, wir müssen als Feldspieler unseren Job machen", erklärte der Rechtsaußen des THW Kiel am Rande des Länderspiels im November in Mannheim. "Ich finde, da wird eh immer ein bisschen zu viel auf die Schiedsrichter eingeredet. Man sollte die einfach ihren Job machen lassen und wir unseren."
Auch Torwart David Späth winkte ab. "Ich rede eh nicht viel mit dem Schiedsrichter. Das machen Alfred und die anderen Trainer, deswegen müssen die sich dazu äußern", so der Schlussmann der Rhein-Neckar Löwen. "Ich rege mich immer nur für mich auf, deswegen betrifft es mich das nicht so." Hat er überhaupt die Verschärfung wahrgenommen? "Nö, nicht wirklich."
Öffentlich halten sich die Vereine zu der neuen Richtlinie bislang zurück. Der größte Aufschrei kam bislang von Rene Witte; der Manager von Pokal-Viertelfinalist ThSV Eisenach klagte Anfang Oktober in der Südwest-Presse frustriert: "Die technischen Delegierten schneiden die Kommunikation zwischen Trainer und Schiedsrichtern komplett ab."
Ansonsten ist es aktuell kein großes Thema. Selbst Bennet Wiegert, bekannt für ein extrovertiertes Verhalten gegenüber den Unparteiischen, hat sich arrangiert. "Mit den neuen Richtlinien, die herausgegeben worden sind, musste ich mich am Anfang erst zurechtfinden", sagte er Ende Oktober am Rande des Auswärtsspiels seines SC Magdeburg in Stuttgart. "Ich glaube, dass ich mittlerweile besser damit zurechtkomme, klar zu akzeptieren, dass es im laufenden Spiel keine Kommunikation gibt."
Der Magdeburger Trainer sieht die Klarheit der Vorgabe durchaus positiv. "Ich bin ein Typ, der sich mit Regeln besser anfreunden kann als mit einer Grauzone", erklärte er. Er betonte jedoch auch: "Ich möchte nicht, dass wir eine subjektive Sportart werden. Es gibt Dinge wie Zeitspiel, die subjektiv zu bewerten sind, aber ich möchte keine B-Note wie beim Turmspringen oder Dressurreiten ausarten."
Er sei grundsätzlich ein Freund der Kommunikation, so Wiegert weiter und ergänzte: "Nicht, um meine Sicht der Dringe durchzudrücken, sondern um zu verstehen, was [der Schiedsrichter] gesehen hat. Das hilft manchmal, um wieder Ruhe und Fokus reinzubekommen." Es sei im Laufe der ersten Wochen besser geworden, "aber es wird wieder Ausreißer geben, wenn das Ergebnis enger ist." Denn: "Ich habe nie die unparteiische Perspektive von ihnen, das darf man mir bitte auch nicht übel nehmen. Meine Perspektive ist immer den Interessen des SC Magdeburg, meinem Team, geltend. Da fällt es mir schwieriger, die Waage zu halten."
Eine Sache sei ihm jedoch wichtig. "Ich möchte sie (die Schiedsrichter, Anm. d. Red.) mit meiner Art und Weise nicht schlechter machen, das möchte ich auf keinen Fall", unterstrich Wiegert. "Ich möchte, dass sie ihren Job machen können. Bei den Entscheidungen, die zu treffen sind, haben sie es extrem schwierig und es ist fast unmöglich, ein perfektes Spiel zu machen. Am Ende muss es die Balance halten."
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Julia Nikoleit, Mitarbeit Merle Klingenberg