22.07.2024, 09:27
Mit Drux, Kastening, Siewert und Co.
Auf den Tag genau vor zwölf Jahren jubelte Handball-Deutschland: Nach einem packenden Finale hatte sich die Jugend des DHB in der Verlängerung des Endspiels der U18-EM gegen Schweden durchgesetzt und feierte den Titelgewinn.
Nach einem schwierigen Start in der Vorrunde hatte sich das Team im Stile einer Turniermannschaft von Etappe zu Etappe gesteigert und schaffte es so auf die siebte Stufe der Himmelsleiter, auf der Bruder Tuck wartete.
Einige Jugend-Europameister schafften in der Folge den Sprung in das Männer-Nationalteam, einer davon ist Paul Drux - mit dem wir ebenso zurückblickten wie mit Jaron Siewert - der aktuelle Trainer der Füchse Berlin war damals sein Mitspieler.
"Das war mit Verlängerung und allem äußerst aufregend. Aber am Ende war der Sieg hart erarbeitet und vollauf verdient", erklärte Klaus-Dieter Petersen nach dem packenden Finale in einem Interview auf handball-world.
"Wir haben nach dem gewonnenen Finale alle noch gemeinsam gegessen und eine schöne Abschlussbesprechung gemacht. Danach war für mich Schluss. Die Spieler sind dann natürlich noch aufgebrochen und nach Bregenz gefahren, wo sie sich auch mit den anderen Teams getroffen haben. Ich nehme an, dass da noch ordentlich Party gemacht wurde", berichtet der damalige Jugend-Bundestrainer.
Die Party und vor allem die Folgen sind auch Paul Drux noch in bester Erinnerung. Parallel feierten seine Mitspieler auf Mallorca die Deutsche Meisterschaft der Füchse-Jugend, Drux und sein heutiger Trainer Jaron Siewert waren hingegen bei der EM im Einsatz.
"Ein Mega-Erlebnis, eine super Party, danach - und eine echt verkaterte und schreckliche Zug-Rückfahrt vom Bodensee bis nach Berlin, was gefühlt Ewigkeiten gedauert hat und bei der Paul und ich fast verdurstet wären, weil wir so einen Brand hatten", so Füchse-Coach Jaron Siewert im Rückblick auf die Party-Nacht.
"Sehr, sehr überraschend", sei der Weg zum Titel gewesen, erinnert sich Paul Drux, der erst bei der EM seine ersten Länderspiele bestritt und unter anderem mit zehn Treffern gegen Belarus auftrumpfen sollte. "Eigentlich auch, dass wir den Titel gewonnen haben, weil wir eigentlich schon so gut wie draußen gewesen sind und dann eigentlich sensationell zurückgekommen sind."
Denn Comeback-Qualitäten zeigte das Team im Laufe des Turniers. "Wir als Mannschaft hatten am Anfang keinen guten Start mit mit einer auch relativ deutlichen Niederlage gegen Schweden, haben uns dann aber ins Finale gekämpft und auch da waren wir eigentlich schon abgeschrieben in der regulären Spielzeit."
Nach einem 22:22 gegen Island durch einen Treffer in letzter Sekunde und einem 29:21 gegen Frankreich hatte es zum Abschluss der Vorrunde ein deutliches 20:29 gegen die Skandinavier gegeben. Mit einem 31:24 gegen Belarus und einem 34:24 gegen Gastgeber Österreich überzeugte das DHB-Team dann aber in der Hauptrunde und zog souverän an der Seite von Schweden ins Halbfinale ein.
Im Halbfinale gab es dann einen packenden und torreichen Schlagabtausch mit Spanien, am Ende stand ein 42:37 (20:16) auf der Anzeigetafel. Und mit sieben Toren war ein gewisser Jaron Siewert gemeinsam mit Simon Ernst bester Schütze des DHB-Teams.
"Für mich persönlich als Spieler war es ja nicht so leicht, weil ich am Anfang keine große Rolle gespielt habe. Dann habe ich aber Spielzeiten bekommen und gegen Spanien auch ein wirklich gutes Spiel gemacht", erinnert sich Jaron Siewert.
Der mit Blick auf die "coole Truppe" auch die Vorbereitung in Erinnerung hat: "Da war nämlich Klaus Dieter Petersen auf die glorreiche Idee gekommen, die Vorrunden-Gegner als Bestandteil einer Gruppenarbeit zu machen. Eine Gruppe hatte die Aufgabe, Frankreich zu charakterisieren und kam auf die Idee, eine Tour de France zu machen. Paul, Timo Kastening und ich sind mit weitem Abstand als letzte ins Ziel gekommen - galten schon als verschollen."
Auch sieben Himmelsstufen spielten eine Rolle: Im Klettergarten gab es eine Teambuildingmaßnahme, wie Jaron Siewert vor elf Jahren kurz nach dem Titelgewinn erläuterte: "Zum Abschluss gab es eine Himmelsleiter, bei der die Stufen immer weiter auseinanderlagen", erklärt der Berliner, "die mussten wir in Dreierteams meistern". Bezeichnend, dass diese Himmelsleiter sieben Stufen hat, genau so viele wie es Spiele bis zum Titel waren.
Und als Belohnung gab es dann Bruder Tuck. Eine dem Mönch aus den Robin-Hood-Filmen ähnelnde Figur hatte das Team beim Stadtbummel in Lindau entdeckt - und mit dem Inhaber des Geschäfts geklärt, dass sie diese beim Titelgewinn abholen könnten. Direkt nach der Siegerehrung holten Klaus-Dieter Petersen und Roland Müller, neben Martin Leuthner Physiotherapeut bei der EM, die Figur ab, die das Team in den folgenden Jahren begleiten sollte.
Die Mannschaft habe ein "super Teamspirit" bei der EM ausgezeichnet - und dieser trug die DHB-Auswahl dann bis ins Finale. In diesem ging es dann erneut gegen Schweden, das sich im Halbfinale gegen Dänemark mit 35:28 durchgesetzt hatte. Souverän und ungeschlagen waren die Skandinavier durch das Turnier gezogen, und nicht nur aufgrund des deutlichen Siegs in der Vorrunde galt das Team als klarer Favorit.
Klaus-Dieter Petersen griff zur Bibelstunde. Der Trainer trug seinen Spielern die Geschichte von David und Goliath vor und gab ihnen auch die entsprechende taktische Leitlinie mit, um - um in diesem biblischen Bild zu bleiben - die Steinschleuder richtig einzusetzen.
Schweden legte dabei vor, wie im damaligen Spielbericht von handball-world nachzulesen ist. Nach dem Ausgleich von Paul Drux erzielte Simon Ernst beim 8:7 die erste Führung, doch Schweden holte sich diese umgehend wieder zurück. Kurz vor der Pause lag dann aber wieder das DHB-Team vorne, nach einer Parade von Jonas Maier ging es mit einem 14:13 in die Kabinen. Und als nach Wiederbeginn eine Serie zum 18:14 gelang, schienen die Weichen in Richtung Titel gestellt.
Doch Niklas Kraft kam bei Schweden für Tobias Thulin ins Tor und dank seiner Paraden hatte Schweden beim 18:17 wieder den Anschluss hergestellt. Das DHB-Team zog auf 20:17 davon, Schweden glich zum 20:20 aus und schien das bessere Ende auf seiner Seite zu haben. Die Abwehr der Skandinavier stand, beim 22:23 lag Deutschland wieder zurück, beim 24:26 schien das Aus besiegelt.
Deutschland kämpfte sich wieder heran, schaffte in Überzahl den Anschluss und durch Tom Spieß mit der Sirene den Ausgleich zum 26:26. "Schweden hat sich einfach zu dumm angestellt, dort noch einen Wurf zu nehmen und zu verwerfen", blickt Jaron Siewert zurück.
"Auf die letzte Sekunde in die Verlängerung zu kommen. Und dann das Ding gewonnen", so Jaron Siewert in seinem Rückblick. Schweden hatte kurz vor Ende der regulären Spielzeit noch eine Strafe gegen die Bank kassiert, das DHB-Team nutzte die doppelte Überzahl und setzte sich etwas ab. 29:27 hieß es nach den ersten fünf Minuten und am Ende sollte ein 30:27 auf der Anzeigetafel stehen - auch weil Jonas Maier die letzten fünf Würfe auf sein Tor parierte.
"Es war ein glücklicher, aber verdienter Sieg. Ich freue mich sehr für die Jungs, dass sie sich diesen Traum, für den sie hart gearbeitet haben, erfüllen konnten. Das ist schon ein verschworener Haufen, den jeder Sieg enger zusammenschweißte und ehrgeiziger werden ließ", erklärte Klaus-Dieter Petersen nach der Partie.
Ins All-Star-Team schafften es damals Simon Ernst auf Rückraum Mitte und Marcel Engels als bester Abwehrspieler. MVP wurde damals der Schwede Pontus Zettermann. "Ohne Probleme traue ich das keinem zu. Aber diejenigen, die gelernt haben, dass man für den Erfolg arbeiten muss und nie zufrieden sein darf, die könnten es schaffen", erklärte Klaus-Dieter Petersen vor elf Jahren nach dem Titelgewinn mit Blick auf den Sprung in die Bundesliga und das Nationalteam.
Petersen benannte dabei unter anderem Paul Drux als einen der Hoffnungsträger. Bei diesem hatten die Deutsche Meisterschaft mit den Füchsen und der EM-Titel "so ein bisschen den Hunger auf mehr geweckt", so der Europameister von 2016.
"Es war ein tolles Erlebnis. Vor allem hat man halt immer noch mit den Teamkollegen oder mit vielen, die damals im Team war, entweder so Kontakt oder man trifft sich bei Bundesliga-Spielen, was was immer sehr sehr viel Spaß macht." Gemeinsam mit Simon Ernst und Jannik Kohlbacher sollte er zudem 2016 in Polen dann Europameister werden.
"Ein Top-Erlebnis, das einen irgendwie auch etwas geprägt hat und auf jeden Fall ein Super-Erfolg für Deutschland so einen Titel zu holen", erinnert sich Jaron Siewert, den Verletzungen dann zurückwarfen.
"Für mich ging es danach dann in der Spielerkarriere nicht mehr ganz so lang weiter. Für die anderen aus der Mannschaft aber ja bis in die Bundesliga oder die Nationalmannschaft. Trotzdem möchte ich dieses Erlebnis in keinster Weise missen", so Jaron Siewert, der früh seine zweite Karriere startete und mittlerweile als Trainer an der Seitenlinie der Füchse Berlin steht.
Jonas Maier (SG Kronau/Östringen)
Christopher Rudeck (SG Flensburg-Handewitt)
Yves Kunkel (JSG Völklingen)
Tom Spieß (TVG Junioren Akademie)
Maximilian Bettin (HSG Rhein-Nahe Bingen)
Lars Spieß (TVG Junioren Akademie)
Marcel Engels (SG Kronau/Östringen)
Simon Ernst (TSV Bayer Dormagen)
Max Emanuel (HA Leipzig/Delitzsch)
Timo Kastening (TSV Burgdorf)
Alexander Saul (SC Magdeburg)
Jannik Hausmann (JSG Balingen-Weilstetten)
Jannik Kohlbacher (TVG Junioren Akademie)
Moritz Preuss (TSV Bayer Dormagen)
Paul Drux (SG Spandau/Füchse Berlin)
Jaron Siewert (SG Spandau/Füchse Berlin)
Offizielle:
Daniel Bauer (Delegationsleiter), Dr. Christof Armbruster (DHB-Trainer), Klaus-Dieter Petersen (DHB-Trainer), Dr. Ralf Schaeffer (Mannschaftsarzt), Roland Müller (Physiotherapeut), Martin Leuthner (Physiotherapeut), Wolfgang Sommerfeld (Mentor Eliteförderung)
Torhüter: Niklas Kraft (Schweden)
Rückraum Links: Marko Mamic (Kroatien)
Rückraum Mitte: Simon Ernst (Deutschland)
Rückraum Rechts: Niclas Vest Kirkelökke (Dänemark)
Linksaußen: Matic Verdinek (Slowenien)
Rechtsaußen: Kasper Kildelund (Dänemark)
Kreisläufer: Diego Pinero Martin (Spanien)
Abwehrspieler: Marcel Engels (Deutschland)
MVP: Pontus Zettermann (Schweden)
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