28.06.2024, 06:00
Zweite Welle - Deine Handball-Kolumne
Der Kannibale, der Appetit hat auf ein letztes großes Festmahl in Paris: Mit Nikola Karabatic verlässt einer der größten Handballer unserer Zeit die Handballbühne. Natürlich musste auch sein Karriereende irgendwann kommen. Und doch will man es einfach nicht wahrhaben.
Eine Kolumne von Daniel Duhr
Nikola Karabatic. Was für ein Name. Was für ein Spieler. Was für ein Sieger. Der 40 Jahre alte Franzose ist ein Handballer der alten Schule, hat alles gesehen - und alles gewonnen. Das meiste sogar mehrfach. Ähnlich stilvoll wie sein Handballspiel war auch die Ankündigung seines Karriereendes. Im August 2023 wandte er sich in einem Brief an seine Fans und schrieb ihnen emotional und ehrlich, dass diese Saison seine letzte als Profi sein werde.
So ganz vorbei ist seine Saison - genauso wie die von Mikkel Hansen - aber noch nicht. Auch der gebürtige Serbe will es bei den Olympischen Spielen noch einmal wissen und die Équipe Tricolore zum Titel im eigenen Land führen.
Beeindruckende 22 Saisons stand Nikola Karabatic auf der Platte. In dieser Zeit hat der 1,96 Meter große Modellathlet dreimal die Goldmedaille bei Olympischen Spielen gewonnen, viermal den WM-Titel und viermal den EM-Titel. Damit ist er was den Blick in die Vitrine betrifft der bislang erfolgreichste Handballer aller Zeiten.
Schließlich gesellen sich dort zu den Erfolgen mit der französischen Nationalmannschaft auch noch 21 Meistertitel, 14 Pokalsiege, drei Champions-League-Triumphe - und jede Menge weitere Auszeichnungen und Pokale. Schon jetzt gibt es keinen Spieler, der mehr olympische Handballpartien bestritten hat als "Kara". 38 sind es - acht weitere sollen dazukommen, als letztes das Finale am 11. August im Stade Pierre-Mauroy in Lille.
Vier fantastische Jahre begeisterte Karabatic in der Bundesliga auch die deutschen Handballfans, allen voran die des THW Kiel, wo er von 2005 bis 2009 spielte und viermal Meister, dreimal Pokalsieger und dreimal Supercupgewinner wurde. "Deutschland ist die Heimat des Handballs", sagte der Bruder des ebenfalls für die Franzosen auflaufenden Luka Karabatic noch Anfang dieses Jahres mit Blick auf die EM. "Ich freue mich immer, wenn ich nach Deutschland komme. Solche Arenen und diese Atmosphäre gibt es nicht überall. Das ist einmalig."
Und umgekehrt freuen sich die Fans, gleichermaßen die deutschen, die französischen und die Handballfans weltweit, immer, wenn sie ihn spielen sehen. So ist es ein feiner Zufall der Sportgeschichte, dass die Olympischen Spiele 2024 in der Wahlheimat des "Kannibalen" stattfinden und ihm somit ein letztes großes Handballmahl serviert wird. Mit der Vorrunden-Vorspeise wird sich Karabatic nicht zufriedengeben.
Am liebsten wäre ihm, dem unersättlichen Titelsammler und Seriensieger das volle Acht-Gänge-Menü: Als Vorrunden-Vorspeise in Gruppe B die Dänen, die Norweger, die Ägypter, die Argentinier und die Ungarn. Als Zwischenmahlzeit dann - je nach Tagesangebot aus den verbliebenen Teams der Gruppe A - zum Beispiel im Viertelfinale die Kroaten und im Halbfinale die Spanier. Und dann zum krönenden Abschluss des Turniers und seiner einzigartigen Karriere nach dem Finalsieg - vielleicht ja über die Dänen - als Dessert noch der süße Biss in die Goldmedaille, deren Geschmack er so gut kennt wie kein anderer.
In diesem Sinne: Au revoir, Niko. Und hoffentlich auf Wiedersehen, irgendwo im Kreise der Handballfamilie!
In Zweite Welle schreibt Bestseller-Autor Daniel Duhr regelmäßig über aktuelle Handballthemen auf und neben der Platte. Und lädt Euch damit zur Diskussion ein. Welchen Standpunkt vertretet Ihr? Wir freuen uns auf Eure Meinungen!