29.12.2024, 10:30
"Stolz" und "Genugtuung" beim Bundestrainer
Bundestrainer Alfred Gislason will mit Deutschland bei der anstehenden Handball-WM an, an die Erfolge aus dem vergangenen Sommer anknüpfen. Im Interview sprach der Isländer über das erfolgreiche Handball-Jahr 2024, den Stolz auf die Entwicklung seiner Spieler und seine Ziele für das Turnier im Januar.
Alfred Gislason, der Jahreswechsel steht bevor. Lassen Sie es an Silvester richtig krachen oder machen Sie eher eine Flasche Rotwein auf, um auf dieses verrückte Handballjahr zurückzublicken?
Alfred Gislason:
Auf jeden Fall werde ich diesmal eine gute Rotweinflasche aufmachen. Es ist so viel passiert. Und es war ein sehr, sehr schönes Jahr. Da war mit der Heim-EM ein phänomenales Turnier gleich zu Beginn, angefangen mit dem Weltrekordspiel in Düsseldorf. Wir hatten Aufs und Abs während der EM, insgesamt haben wir aber ein gutes Turnier gespielt.
Im Sommer kam dann Olympia. Die Mannschaft hat es trotz einiger Ausfälle überragend gemacht. Vorher hieß es immer: 'Die Jungs können gut mithalten, aber letztendlich haben die in einem Turnier keinen der Großen geschlagen.' Das haben wir in Frankreich abgelegt. Wir haben die Schweden geschlagen, wir haben zweimal die Spanier geschlagen, die Franzosen und die Slowenen. Leider haben wir dann im Finale gegen Dänemark unnötig schlecht gespielt.
Wie werden Sie Silvester verbringen?
Alfred Gislason:
Ich schätze, dass ich zu Hause sitze, völlig in Ruhe. Für mich war Silvester eigentlich schon immer wie jeder andere Abend. Ich muss nicht feiern, ich kann auch so ganz gut den Abend genießen. Ein bisschen nervig an Silvester ist, dass man 5000 WhatsApp-Nachrichten bekommt und alle erwarten, dass du antwortest (lacht).
Dürfen die Spieler fröhlich knallen oder gibt es ein Veto des Bundestrainers?
Alfred Gislason:
Ich mische mich da nicht ein. Ich kenne die gut genug, um zu wissen, dass sie sehr vernünftig sind. Sie würden nicht so viel feiern wie meine Generation oder die Generation von Kretzsche (Stefan Kretzschmar, Anm. d. Redaktion) und Kollegen. Die sind so viel vernünftiger geworden, dass ich mir überhaupt keine Sorgen mache.
Zurück zu Ihnen. Haben Sie einen Lieblingsmoment, an den Sie sich besonders gerne zurückerinnern?
Alfred Gislason:
Ja, natürlich. Es gibt diesen einen Moment unter vielen schönen Momenten, das kann ich nicht anders sagen. Es waren die zwölf Sekunden gegen Frankreich, wo wir mit zwei Toren zurückgelegen haben, dann einen Siebenmeter bekommen, wenig später noch den Ausgleich erzielen und das Spiel dann in der Verlängerung noch komplett drehen.
Wenn ich das Spiel jetzt nochmal schaue, bin ich extrem stolz, wie wir es gewonnen haben. Es macht mich sehr zufrieden, die Mannschaft dabei zu beobachten. Nach 25 Minuten lagen wir mit fünf Toren zurück - dennoch hat keiner aufgegeben. Alle waren fest davon überzeugt, dass wir noch rankommen. Dann haben wir die Franzosen extrem unter Druck gesetzt und eine sehr starke Verlängerung gespielt.
Empfinden Sie Stolz oder Genugtuung mit Blick auf das, was Sie mit der jungen Mannschaft erreicht haben?
Alfred Gislason:
Beide Worte treffen es sehr gut. Stolz bin ich vor allem auf die Mannschaft und wie sie sich in den letzten zwei Jahren entwickelt hat. Wir haben das Team stark umgebaut und extrem viele junge Spieler integriert. Das zahlt sich jetzt aus - und, dass es so gut klappt, führt dann zu einer Genugtuung.
Welchen Stellenwert haben diese Erlebnisse und diese Erfolge mit Blick auf Ihre lange Trainerkarriere?
Alfred Gislason:
Die Arbeit mit einer Nationalmannschaft ist ganz anders und in gewisser Weise auch schwieriger. Eine Nationalmannschaft umzubauen, das dauert länger als in einem Vereinsteam. Man muss es Stück für Stück machen und dann kommen immer zwei, drei Monate Pause dazwischen. In Vereinen kann man das viel schneller vorantreiben, weil man die Spieler jeden Tag um sich hat.
Es ist eine ganz andere Arbeit, weil man viel weniger Zeit zur Verfügung hat. Ich weiß nicht, ob das altersbedingt ist, aber es ist extrem schön, so eine Mannschaft zu formen und zu sehen, wie diese Jungs aufblühen. Eine Mannschaft umzubauen, wie ich es auch Magdeburg und Kiel oder auch in meiner Heimat schon gemacht habe, ist immer ein unglaublich schöner, ewig kreativer Prozess. Das gibt mir sehr, sehr viel, wenn man sieht, wie die Spieler wachsen und immer mehr an sich glauben, wie sie von No Names zu Weltklasse-Spielern werden.
Wie lautet Ihre ganz persönliche Zielsetzung für die WM?
Alfred Gislason:
Ich würde mich freuen, wenn wir mindestens die gleiche Leistung zeigen wie bei Olympia. Aber es ist alles so eng beieinander, da kann so viel passieren in einem Spiel. Unser erstes Endspiel ist halt Polen. Und die haben auch eine junge Mannschaft, die super spielintelligent und extrem schnell ist. Ich hoffe, dass es bei der WM eine Fortsetzung der Heim-EM und der Olympischen Spiele gibt. Und vor allem hoffe ich darauf, dass wir von Verletzungen verschont bleiben.
SID