05.01.2023, 21:23
Deutscher Gruppen-Gegner Serbien im Fokus - Fragezeichen hinter Milosavljev
Gute Handballer finden sich seit jeher in Serbien - der Nationalmannschaft half das herzlich wenig. Regelmäßig hagelte es Enttäuschungen bei großen Turnieren. Diesmal soll aber alles anders werden.
Auch wenn Serbien im Handball nicht viel erreicht hat, so genießt die Sportart in dem kleinen Land durchaus einen hohen Stellenwert, was nicht zuletzt in der Historie begründet ist - immerhin zählte Jugoslawien einst zu den Top-Nationen im Welt-Handball. Während mit Kroatien und Slowenien auch heute noch zwei Staaten, die aus dem ehemaligen Vielvölkerstaat hervorgegangen sind, zur internationalen Klasse zählen, spielen die Serben eher die zweite Geige.
Der größte Erfolg war die Vize-Europameisterschaft 2012 im eigenen Land, seitdem kam man nicht mehr über die Gruppenphase hinaus, wenn man sich denn überhaupt für ein großes Turnier qualifizieren konnte. In den vergangenen zwei Jahren ist aber ein Aufwärtstrend zu erkennen - und der ist eng mit Trainer Toni Gerona verbunden.
Der Spanier hat seit seinem Amtsantritt frischen Wind gebracht, vor allem spielerisch hat er das Team modernisiert. Agierten die Serben früher oft träge (6:0-Deckung, langsamer Spielaufbau und die Hoffnungen auf den wurfgewaltigen Rückraum), so ist inzwischen deutlich mehr Tempo und Variabilität in ihrem Spiel.
Dies ist ohne Zweifel das Verdienst des 49-Jährigen, der einst als Coach beim FC Barcelona durchstartete und dort als Co-Trainer von Xesco Espar mit dem Champions-League-Sieg 2005 und der spanischen Meisterschaft 2006 seine bislang größten Erfolge feierte. Die Blaugrana hat er längst verlassen, deren Spielphilosophie nahm Gerona aber mit.
So auch nach Tunesien, wo er als Nationaltrainer 2018 die Afrikameisterschaft gewann - und nun nach Serbien, wo er seit 2020 die Verantwortung trägt. In Serbien hofft man, dass Gerona, der auch Trainer beim französischen Erstligisten Chartres Metropole Handball ist, das Team zu alter Stärke und neuem Glanz führt.
Geronas Herangehensweise ist vielfältig. So legt der 49-Jährige großen Wert auf physische und psychische Frische bei den Spielern, wie er selbst betont. Dazu kommt ein Konzept aus kurz- und langfristigen Zielen.
"Man sollte immer kurzfristige Ziele haben, die leicht zu erreichen sind, weil man so animiert wird, noch besser zu arbeiten", erklärt Gerona und verweist direkt auf einen zweiten zwingend notwendigen Punkt: "Sie ergeben aber nur Sinn, wenn sie mit zielorientierten langfristigen Zielen, die einen fokussiert halten, ergänzt werden."
Ein konkretes Beispiel sei die "Entwicklungsmannschaft", die unter anderem bei den Mittelmeerspielen antrat und einen respektablen dritten Platz hinter Spanien und Ägypten holte. Geronas Plan, Spielern aus der zweiten Reihe eine Chance zu geben, ging auf - und eröffnet ihm nun vor der WM mehr Optionen, der Trainer selbst sprach von "40 Spielern", auf die er bauen kann.
Das kurzfristige Ziel war demnach, eine breiten und konkurrenzfähigen Kader zu bekommen, das langfristige ist die Qualifikation für die olympischen Spiele in Paris 2024 - es wäre nach 2012 die erst zweite Teilnahme Serbiens bei einem olympischen Handball-Turnier seit der Eigenständigkeit.
Bis Paris ist es aber noch ein steiniger Weg, der zunächst über die WM in Schweden und Polen (11. Januar bis 29. Januar) führt. Dort treffen die Serben in Gruppe E auf Deutschland, Katar und Algerien.
Um sich adäquat auf das Turnier vorzubereiten, testet man gegen Europameister Schweden. "Wenn du der Beste sein willst, musst du dich mit den Besten messen", sagt Gerona und gibt schon mal die Marschroute vor: "Unser primäres Ziel ist die Qualifikation für dir olympischen Spiele - das haben wir bereits 2020 festgelegt."
Zieht man in Betracht, dass nur der kommende Weltmeister respektive im Fall eines französischen Triumphs der Vize für die olympischen Spiele in Paris 2024 direkt qualifiziert ist, könnte man zum dem Schluss kommen, dass Gerona den WM-Titel als Ziel ausgegeben hat.
Gegen den Gewinn der WM-Krone dürfte der Katalane zwar sicher nichts einzuwenden haben, allerdings weiß auch er, dass das eher eine schöne Träumerei als eine reelle Aussicht ist. Gerona geht es auch gar nicht darum, er will die K.-o.-Runde erreichen - und damit die serbischen Chancen auf eine Teilnahme an einem der drei olympischen Qualifikationsturniere zu erhöhen.
Nach der verpassten Qualifikation für die WM 2021 in Ägypten und dem Gruppen-Aus bei der EM im Vorjahr (Sieg gegen Ukraine, Niederlagen gegen Kroatien und Frankreich), soll nun endlich der nächste Schritt gemacht werden.
"Wir wollen ins Viertelfinale, denn so können wir einen Platz bei den olympischen Spielen gewinnen und natürlich um eine Medaille kämpfen", sagt Gerona, der zugibt, dass "wir ambitioniert sind. Aber wir kennen auch unserer Stärken und Schwächen."
Dass die Aufgabe nicht leicht wird, weiß der Katalane. "Wir erwarten drei tolle Spiele, drei große Kämpfe", erklärt Gerona: "Unsere Möglichkeiten hängen davon ab, wie wir in den ersten drei Spielen spielen. Wenn wir mit zwei oder vier Punkten in die Hauptrunde gehen, haben wir mehr Chancen, ins Viertelfinale zu kommen."
In der Gruppe schiebt er Deutschland zwar die Favoritenrolle zu, gibt sich aber auch kämpferisch. "Wir wissen, dass wir mit ihnen mithalten können, wenn wir einen vollen Kader haben."
Der Kader der Adler kann sich durchaus sehen lassen, wenngleich hinter Dejan Milosavljev ein Fragezeichen steht. Der Torwart der Berliner Füchse laboriert an einer Bänderverletzung und ist noch immer fraglich. Sein Ausfall wäre schmerzhaft, keine Frage.
Auch deshalb hat sich Gerona noch nicht für seinen endgültigen 18er Kader entschieden, noch stehen 19 Namen auf dem Zettel. Wer Streichkandidat ist, ist noch nicht ganz klar. Anders die T-Frage: Sollte Milosavljev nicht rechtzeitig fit werden, stehen Milan Bomastar (IFK Skövde) und Vladimir Cupara (Telekom Veszprem) als Ersatzleute parat.
Insgesamt ist das serbische Team eine illustre Truppe, die sich aus Legionären zusammensetzt, die in zehn verschiedenen Ländern spielen. Bekannte Namen gibt es zuhauf: Rechtsaußen Bogdan Radivojevic, Linksaußen Vanja und Nemanja Ilic sowie Ilija Abutovic und Petar Djordjic im Rückraum oder Kreisläufer Mijajlo Marsenic. Mit Jovica Nikolic (HSG Wetzlar) und Mijajlo Marsenic (Füchse Berlin) sind auch zwei Bundesliga-Spieler fest eingeplant, Milosavljev wäre der Dritte.
Tor: Milan Bomastar (IFK Skövde), Vladimir Cupara (Telekom Veszprem), Dejan Milosavljev (Füchse Berlin)
Linksaußen: Nemanja Ilic (Fenix Toulouse), Vanja Ilic (Chartres MHB)
Rechtsaußen: Bogdan Radivojevic (Pick Szeged), Vukasin Vorkapic (US Ivry)
Rückraum links: Uros Borzas (Elverum Handball), Ilija Abutovic (Chartres MHB), Marko Milosavljevic (Ademar Leon), Petar Djordjic (Benfica Lissabon)
Rückraum mitte: Lazar Kukic (Dinamo Bukarest), Stefan Dodic (RK Zagreb)
Rückraum rechts: Predrag Vejin (RK Nexe Nasice), Jovica Nikolic (HSG Wetzlar), Milos Orbovic (HC Kriens-Luzern)
Kreis: Dragan Pesmalbek (Telekom Veszprem), Ivan Popovic (CD Torrebalonmano), Mijajlo Marsenic (Füchse Berlin)
drm