21.04.2022, 11:30
Im Pokal-Halbfinale wartet wieder der THW Kiel
Viermal gewann der TBV Lemgo Lippe bereits den DHB-Pokal. Im Halbfinale wartet am Samstag Rekordmeister THW Kiel - doch was heißt das schon?
Viele hatten mit dem THW Kiel gerechnet. Ein paar vielleicht noch mit der MT Melsungen. Doch der Pokalsieger der Saison 2019/20, deren Final Four erst im vergangenen Juni ausgespielt wurde, hieß TBV Lemgo Lippe. Die Mannschaft von Trainer Florian Kehrmann ließ der dicken Halbfinal-Überraschung gegen den deutschen Serienmeister - vor allem angesichts des 11:18-Halbzeitrückstands - den Finalsieg gegen Melsungen folgen. Die Handball-Romantiker kamen im Vorjahr voll auf ihre Kosten.
Und warum sollten sie das nicht auch am Wochenende? "Der Pokalsieg hat uns gepusht und als Mannschaft noch enger zusammenrücken lassen", sagte Keeper Finn Zecher, einer der Helden vom Juni, im HBL-Gespräch: "Das sind die wertvollen bleibenden, nachhaltigen Effekte dieses Erfolges." Für nachhaltige Effekte sorgt sonst vor allem Trainer Florian Kehrmann. Die Klub-Ikone übernahm den damals stark abstiegsbedrohten TBV am 12. Dezember 2014 auf dem vorletzten Platz, führte ihn zum Nichtabstieg - und seitdem konstant immer weiter nach oben.
Der Pokalsieg im Vorjahr war seine vorläufige Krönung. Doch viele Experten sehen Kehrmann, der bereits als deutscher Nationaltrainer der Zukunft gehandelt wird, noch lange nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen. Mit Recht. Unter dem ehemaligen Weltklasse-Rechtsaußen ist in Ostwestfalen Erstaunliches zusammengewachsen.
Kehrmann brachte viele Spieler mit großem Potenzial auf die nächste Entwicklungsstufe. "Wir nehmen unsere Rolle voll an - ein Ausbildungsverein zu sein, der Spieler entwickelt, die dann eventuell weiterziehen", gesteht Ex-Profi Jörg Zereike, seit Juni 2013 Geschäftsführer Finanzen & Sport: "Wir sind wieder eine gute, eine interessante Adresse für Spieler."
Entwicklungssprüngen beim TBV folgt aber auch oft der berühmte nächste Schritt. So wechselt beispielsweise Bjarki Mar Elisson, zu einem der besten Linksaußen in der stärksten Liga der Welt gereift, im Sommer zum ungarischen Champions-League-Klub Telekom Veszprem. Europameister Jonathan Carlsbogard, der gemeinsam mit Gedeon Guardiola die Abwehr zusammenhält, zieht ebenso weiter - und wird unter anderem beim großen FC Barcelona gehandelt. Torwart Peter Johannesson schließt sich mit dem Bergischen HC einem Ligakonkurrenten an.
Das Final Four in Hamburg könnte das letzte große Hurra in dieser Konstellation werden. Und soll es auch.
Kehrmann ist es indes schon gewohnt, Umbrüche moderieren zu müssen. Er wird ihn bewältigen können - wenn nicht auch er verständlicherweise irgendwann nach höheren Aufgaben strebt. "Florian ist als Trainer noch besser und souveräner geworden. Taktisch kann ihm keiner etwas vormachen", lobt Zereike: "Und er ist eine starke Persönlichkeit, was auch sehr wichtig ist. Die Spieler schauen zu ihm auf und nehmen ihm alles ab, was er ihnen sagt und vermittelt."
Den Glauben daran, den THW in einem Halbfinale schlagen zu können, wird er dieser Mannschaft aber gar nicht mehr einimpfen müssen. Das haben Carlsbogard & Co. am 3. Juni 2021 schon selbst getan.
Maximilian Schmidt