20.04.2022, 15:30
kicker-Interview vor dem letzten Final Four in Hamburg
Das Final Four im DHB-Pokal zieht im nächsten Jahr von Hamburg nach Köln um. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann (57) erklärt im kicker-Interview den durchaus riskanten Schritt, mit dieser Tradition zu brechen.
Bohmann ist seit Juni 2003 Geschäftsführer der Handball-Bundesliga. Der dreifache Familienvater kennt den Leistungssport auch aus seiner aktiven Zeit: 1988 krönte der Marathonläufer und ehemalige Hockey-Bundesligaspieler bei Leverkusen und Bonn seine Laufbahn mit dem Titel des Studenteneuropameisters im Hockey.
Im kicker-Interview spricht Bohmann über das "Mekka des Pokals", Fan-Rückgewinnung, die TV-Rechte und den Verlust von Sander Sagosen ...
Am Wochenende steigt zum letzten Mal das Final Four in Hamburg, das dort seit 1994 ausgetragen wird. Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf das Turnier?
Wir werden sicherlich noch das eine oder andere Tränchen verdrücken, weil wir sehr gerne nach Hamburg gekommen sind. Und weil es auch so etwas wie das Mekka des Pokals ist. In Hamburg hat sich unser Final-Four-Turnier in fast 30 Jahren zu einem der weltbesten Klubevents entwickelt. Auf der anderen Seite freuen wir uns auf die neue Herausforderung. Es war aus unserer Sicht an der Zeit, neue Akzente zu setzen. Jetzt gehen wir für fünf Jahre nach Köln, mit anderen Möglichkeiten, mit einer Arena, die ein Stück weit mehr auf große Sportevents zugeschnitten ist. Man merkt Hamburg schon an, dass sie kein Hometeam mehr haben und ihre Investitionen in andere Infrastrukturmaßnahmen gesteckt haben. Von daher sind wir überzeugt, dass der Wechsel in die Kölner Lanxess Arena die richtige Entscheidung ist. In ein paar Jahren werden wir wieder neu verhandeln. Vielleicht geht es dann zurück nach Hamburg.
Erstmals wieder Vollauslastung, die ikonisch in ihre Farben getauchten Kurven. Das Wochenende wird für Handball-Fans sicherlich ein Fest. Was macht für Sie das Final Four in Hamburg so besonders?
Zuallererst der hochklassige Handball. Dann ist es die große Nähe zwischen Fans und Profis auf dem Feld. Wir haben in Hamburg in der Regel vier Vereine mit großer Fankultur. Die Anhänger der Halbfinalisten sitzen sich immer gegenüber, so dass eine ganz besondere Spannung zwischen den Blöcken entsteht. Es wird tatsächlich als das wahrgenommen, was es ist: der Höhepunkt des Jahres. Anders als in anderen Hallensportarten haben wir keine Play-offs. Die Leute kommen auch nach Hamburg, weil man in dieser schönen Stadt gerne ein Wochenende verbringt. Wir haben hier dramatische Siege und Niederlagen erlebt und wir sagen mit Recht, dass das die Mutter aller Final-Four-Turniere ist.
Was will die HBL aus Hamburg mitnehmen? Und was vielleicht in Köln bewusst ganz anders machen?
In Köln werden wir sicherlich nochmal einen anderen Schritt der Inszenierung machen. Wir kriegen dort vom Land NRW und auch durch die Stadt Köln große Unterstützung, beide stellen sich voll hinter dieses Event. Durch die neuen infrastrukturellen Möglichkeiten werden wir viel unternehmen, um das Final Four auf ein noch höheres Level zu bringen. Wir haben nochmal 4000 Zuschauer mehr, haben also Platz für fast 20.000 Fans. Wir wollen die Welt nicht auf den Kopf stellen, aber wir werden vor allem am Rahmenprogramm arbeiten. Möglicherweise wird es noch andere Handball-Nebenevents geben, sodass wir uns nicht nur auf das Finalturnier an diesem Wochenende beschränken werden. Natürlich stehen die vier Teams, die um den DHB-Pokal spielen, weiterhin im Mittelpunkt, insgesamt wird das Angebot an die Fans aber größer.
Ein großes Thema auch beim Handball ist die Rückgewinnung der Fans nach harten Pandemie-Jahren. Tut man sich da einen Gefallen, mit einer solchen Tradition wie dem Pokal-Turnier in Hamburg zu brechen? Gerade weil Fans der Nordklubs Kiel und Flensburg oder auch Magdeburg eine deutlich kürzere Anreise hätten?
Absolut, da gebe ich Ihnen Recht. Das ist ein gewisses Risiko, einen Erfolgsstandort zu verlassen. Das muss man sich schon gut überlegen. Wir sind davon überzeugt, dass unser Konzept tragfähig ist, dass der neue Standort mit mehr Zuschauern Potential hat. Das wird sich aber nicht von allein machen. Alle Beteiligten werden sehr engagiert für den Erfolg arbeiten müssen. Bislang mussten wir beispielsweise den Ticketvertrieb kaum anschieben, weil uns die Karten aus der Hand gerissen wurden. In Köln wartet sicherlich eine andere unternehmerische Aufgabe auf uns.
Köln hat ja schon das Champions-League-Final-Four. Wie will sich die HBL da abheben?
Das Champions-League-Final-Four ist internationaler aufgestellt, es kommt ja auch vor, dass es mal ganz ohne deutsche Beteiligung ausgetragen wird. Das ist dann natürlich schade, weil wir den Anspruch haben, dass mindestens ein oder auch zwei deutsche Klubs dabei sein sollten, aber die Klubs im Ausland schlafen nicht. Wir haben unseren Pokal-Termin zudem auf Anfang April gesetzt, das Champions-League-Final-Four wird jetzt grundsätzlich immer nach der Saison sein, sodass wir da eine zeitliche Differenzierung haben. Ein Stück weit ist man sicherlich Wettbewerber am selben Standort, aber beide Events zahlen auf das Produkt Handball ein.
Ein Blick rüber zu den TV-Rechten. Können Sie da mal den aktuellen Stand skizzieren?
Wir nehmen derzeit eine erste Verhandlungsphase mit unseren bestehenden Vertragspartnern, also Sky und ARD, wahr. Nach Ablauf dieser Frist, wenn wir kein Angebot von diesen beiden Parteien bekommen, das wir so annehmen wollen, werden wir in eine Ausschreibung oder einen sogenannten Request for Proposal gehen. Dann werden wir die Rechte für den Zeitpunkt ab 1. Juli 2023 am Markt anbieten. Wir glauben, dass wir auf eine große Nachfrage stoßen werden. Wir haben den Markt gescreent und so wie es scheint, gibt es eine ganze Reihe von Sendern und Netzwerken, die sich für diese Rechte interessieren.
In anderen Ländern werden für die Sportart Nummer zwei andere Summen aufgerufen. Was ist da der Unterschied zum Ausland?
Genau das haben wir gemeinsam mit der Unternehmensberatung McKinsey zuletzt analysiert. Sportarten von vergleichbarer Größe und Popularität, die in anderen Ländern auch die klare Nummer zwei hinter dem Fußball sind, erzielen Lizenzentgelte, die deutlich über dem liegen, was wir hierzulande im Handball, Basketball oder Eishockey erhalten. Da liegt die Frage nahe: Sind wir eigentlich unterbewertet? Ist die Medienlandschaft für uns hier so eingeschränkt, dass nicht mehr zu erzielen ist? Das werden wir für uns weiter analysieren und diese Ergebnisse werden wir schon zum Anlass nehmen, um strategisch darüber nachzudenken, wie wir dahin kommen. Wir wollen an Werte wie für Rugby in Frankreich, Volleyball in Italien oder Basketball in Spanien ran.
Mit welchen Gefühlen betrachten Sie die Entwicklungen beim THW Kiel, dem in den nächsten Jahren einige Stars wegbrechen werden? Hat man Angst, dass das deutsche Aushängeschild perspektivisch abgehängt wird?
Abgehängt ist der THW Kiel überhaupt nicht, sie sind der vorletzte Champions-League-Sieger, das ist gerade mal ein Jahr her. Was wirklich schmerzt, ist der Abgang von Sander Sagosen. Das ist ein Weltstar, der jung ist, der für sich eine Marke ist. Aber das müssen wir akzeptieren. Konkurrenz belebt das Geschäft - neuerdings jetzt auch aus Dänemark und Norwegen. Da muss man sehen, wie nachhaltig das Geschäft dort sein wird. Da begibt man sich oft in die Abhängigkeit von ein, zwei Privatpersonen, das birgt gewisse Risiken. Unsere Bundesliga ist stark genug, um derartige Transfers wegstecken zu können. Wir werden unseren Weg konsequent weiterführen und ich bin mir sicher, dass wir auch in den kommenden Jahren sportlich und wirtschaftlich die stärkste Liga der Welt sein werden. Beim THW wird es so oder so in den nächsten Jahren einen Generationswechsel geben, dieser wird den Verantwortlichen in Kiel gelingen.
Zum Abschluss würde uns Ihr Tipp interessieren: Kommt es Ihrer Meinung nach zum "Traumfinale" Magdeburg-Kiel? Und wer holt in diesem Jahr den Pott?
Ich lag mit meinen Tipps fast immer falsch. (lacht) Wenn ich letztes Jahr getippt hätte, dass der TBV Lemgo Lippe den Pokal holt, hätte ich am Wettmarkt sicherlich viel Geld verdient.
Interview: Maximilian Schmidt