09.11.2020, 15:50
Noch neun Wochen bis zum Weltturnier in Ägypten
Nach dem geglückten Start in die EM-Qualifikation steht für die deutschen Handball-Nationalspieler wieder der Liga-Alltag an. Angesichts der Corona-Krise beschäftigt sich noch niemand mit der Weltmeisterschaft im Januar 2021 - nur der Bundestrainer.
Am Ende einer ebenso ungewöhnlichen wie erfolgreichen Corona-Länderspielwoche verabschiedeten sich die deutschen Handballer voller Ungewissheit in den Bundesliga-Alltag. "Man hat das Gefühl, dass von einem Tag auf den anderen das Ganze eingefroren werden kann. Es ist momentan eine schwere Zeit, durch die wir alle durchmüssen", beschrieb Rückraumspieler Julius Kühn nach dem souveränen 35:23-Sieg in Estland die unsichere Gefühlslage in der gesamten Branche.
Gut neun Wochen vor dem Auftakt der Weltmeisterschaft ist das XXL-Event in Ägypten in den Köpfen der Nationalspieler kaum präsent. "Man weiß nicht, was einen erwartet bei der WM, und beschäftigt sich auch noch nicht mit dem Gedanken, wie es im Januar aussehen könnte. Jetzt wird erst einmal wieder zwei Monate in der Bundesliga gespielt", sagte Kühn.
Bundestrainer Alfred Gislason hat die Titelkämpfe am Nil dagegen schon im Hinterkopf. "Es gab viele wichtige Infos, die ich sammeln konnte. Und es war sehr wichtig, dass ich auch die jungen Spieler in Aktion sehen konnte. Wir haben noch viele Baustellen, aber es fehlt die Zeit", sagte der 61 Jahre alte Isländer.
Erst im neuen Jahr kommt die DHB-Auswahl wieder zusammen. Nach den beiden EM-Qualifikationsduellen mit Österreich Anfang Januar geht es direkt zur Endrunde nach Ägypten. "Wir haben keine Testspiele mehr", klagte der Bundestrainer. Seine Handschrift wird Gislason, der das Amt im Februar vom glücklosen Christian Prokop übernommen hatte und wegen der Corona-Krise acht Monate auf sein Länderspieldebüt für Deutschland warten musste, da kaum hinterlassen können.
Dennoch will Gislason nicht jammern. "Natürlich freut sich keiner darüber, dass alles in einer Blase abläuft. Es war alles schwierig, aber das Positive überwiegt", bilanzierte er. Ähnlich sah es Kühn, der gegen Estland mit neun Toren herausragte. "Es war eine besondere Woche unter diesen Umständen und nicht leicht, aber wir haben professionell arbeiten können und viel Input von Alfred bekommen", sagte der Rückraumschütze von der MT Melsungen. Allerdings wollte er leichte Motivationsprobleme nicht wegdiskutieren: "Wir würden natürlich gerne wieder vor Zuschauern spielen, aber das ist momentan nicht möglich. Es macht derzeit nicht so viel Spaß wie sonst."
Bei der WM wird es neben spielerischen und taktischen Elementen daher vor allem auf die Mentalität ankommen. Denn in Zeiten der Coronavirus-Pandemie fällt es den Spielern sichtlich schwer, sich auf den Sport zu konzentrieren. "Der Fokus lag wenig auf dem Handball. Wir haben uns nur Gedanken darüber gemacht, dass wir gesund durchkommen", räumte Kreisläufer Hendrik Pekeler nach den siegreichen EM-Qualifikationsspielen gegen Bosnien-Herzegowina und Estland ein und lobte den Verband: "Der DHB hat alles dafür getan, dass wir ohne Ansteckung durch die Woche gekommen sind."
Ganz ungeschoren kam Pekeler in Estland aber nicht davon. Ein tiefer Cut, der während der Partie genäht werden musste, zierte seine linke Wange. Der 29 Jahre alte Familienvater nahm die sichtbare Blessur dennoch mit Humor: "Narben erzählen Geschichten. Wenn diese Narbe meine Covid-Geschichte ist, bin ich zufrieden."
dpa