17.04.2020, 17:16
Am kommenden Dienstag wird erneut beraten
Ein Abbruch der Saison in der Handball-Bundesliga rückt näher. Die Führungsetage der HBL hält sich mit Spekulationen über dieses Szenario zwar zurück. Aber die Entscheidung fällt in einer Abstimmung unter den 36 Klubs der 1. und 2. Liga. Bevor sich die Vereinsbosse sehr wahrscheinlich am kommenden Dienstag (11.00 Uhr) erneut zusammenschalten, deutet sich ein vorzeitiges Ende der aktuell ausgesetzten Spielzeit an.
Die Wahrscheinlichkeit für ein vorzeitiges Ende sei "sehr groß", sagte HBL-Vizepräsident Franz Dressel am Freitag dem "Westfälischen Anzeiger". Eine Dreiviertelmehrheit müsste in der von der HBL durchgeführten Umfrage dafür stimmen. "Hiermit ist mit einer sehr großen Wahrscheinlichkeit zu rechnen, da diese Meinung in den vorausgegangenen Konferenzen von den Geschäftsführern sehr deutlich geteilt wurde", so Dressel.
Ähnlich sieht es Viktor Szilagyi. "Ich denke, die Mehrheit ist für einen Abbruch", sagte der Geschäftsführer von Rekordmeister THW Kiel am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. "Jeder, der sich intensiv damit beschäftigt, merkt, dass irgendwo auch die Fantasie dafür fehlt, wie die Saison noch fortgesetzt werden soll", findet Balingens Geschäftsführer Wolfgang Strobel. Und Gerd Hofele, Geschäftsführer von Frisch Auf Göppingen, sagte "Stuttgarter Zeitung" und Stuttgarter Nachrichten": "Wir denken in alle Richtungen, aber ein Abbruchszenario rückt näher."
Sollte es tatsächlich so kommen, deutet sich eine sogenannte Quotientenregelung als mögliche Wertung der Abschlusstabelle an. In diesem Fall würde bei jedem Klub die Anzahl der Punkte durch die Anzahl der absolvierten Spiele geteilt werden und mit 100 multipliziert. Diese Lösung könnte zumindest insofern Sinn ergeben, als dass nicht alle Vereine die gleiche Anzahl an Spielen absolviert haben. Absteiger soll es unabhängig davon ohnehin nicht geben. Meister könnte im Falle der Anwendung der Quotientenregel der THW Kiel sein. Die Entscheidung über die Wertung der Saison würde in jedem Fall das HBL-Präsidium treffen.
Der Deutsche Handballbund empfiehlt eine einheitliche Wertung bei Profis und Amateuren: "Das favorisierte Modell ist eine Abschlusstabelle auf Basis der sogenannten Quotientenregelung", teilte der DHB am Freitag mit. Sein Bereich sind zwar die Spielklassen unterhalb der 2. Liga, das Prozedere soll bei Profis und Amateuren aber gleich sein.
"Es wäre eine schöne Anerkennung für unsere Leistungen in dieser Saison", sagte Szilagyi, wenn Abbruch und Quotientenregelung kommen. "Die Tabelle ist aussagekräftig, weil schon drei Viertel der Saison gespielt sind. Auf jeden Fall wünschen wir uns eine Wertung und keine Annullierung." Auch Strobel würde die von den Klubchefs bereits diskutierte Quotientenregelung nicht ablehnen: "Egal, welche Lösung gewählt wird, es wird immer Gewinner und Verlierer geben. Aber die Quotientenregelung ist von allen unfairen Lösungen wahrscheinlich noch die fairste", sagte er. HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann hielt sich zurück: "Es ist ein Szenario von vielen. Zunächst mal muss entschieden werden, ob überhaupt abgebrochen wird."
Eine Fortsetzung der Spielzeit ab dem 16. Mai mit Geisterspielen erscheint aber immer unrealistischer. In der Schalte der Vereinschefs am Donnerstag hatte Berlins Geschäftsführer Bob Hanning zwar noch mit einer Idee überrascht, wonach sich alle 18 Bundesligisten Ende Juni an einem Ort treffen könnten, um dort in wenigen Tagen die Saison unter gesonderten Bedingungen zu Ende zu spielen. "Die gemachten Vorschläge zu einer Fortführung des Spielbetriebs sind nicht mehrheitsfähig, da sich insbesondere die finanzschwachen Vereine der ersten Liga darauf nicht einlassen werden", sagte Vizepräsident Dressel. Sollte nun die zu erwartende Dreiviertelmehrheit für einen Abbruch plädieren, hätte sich die Idee endgültig erledigt.
Einige kleinere Klubs hatten sich bereits vor Wochen für einen Abbruch ausgesprochen. Denn der Nutzen von Geisterspielen ist für die Handball-Bundesligisten vergleichsweise gering. Anders als im Fußball machen TV-Einnahmen nur einen geringen Anteil der Klub-Einnahmen aus. Das meiste verdienen die Vereine stattdessen mit Sponsoring- und Spieltagseinnahmen. Zweiteres würde durch fehlende Zuschauer bei Geisterspielen weiter ausbleiben. Außerdem könnte bei einer Fortsetzung des Spielbetriebs auch kein Kurzarbeitergeld mehr bezogen werden.
dpa