11.11.2024, 15:30
Schiedsrichter-Lehrwart Kay Holm
Kay Holm ist Leiter Lehre im Schiedsrichterwesen des Deutschen Handballbundes. Für den "Tag des Schiedsrichters" hat er sieben häufige Regelirrtümer zusammengestellt, die immer wieder durch die Handball-Welt geistern - und sie aufgeklärt.
Der Begriff "Doppelbestrafung" kommt oft von Trainern und Zuschauern, Fernsehkommentatoren und Experten. Ich möchte daher auch an dieser Stelle unbedingt klarstellen: Siebenmeter und Zeitstrafe sind keine Doppelbestrafung! Es sind zwei unterschiedliche Regeln, die von den Schiedsrichtern zur gleichen Zeit angewendet werden.
Der Siebenmeter ist ausschließlich dafür da, die Spielfortsetzung zu bestimmen. Wenn ein Spieler bei einer klaren Torgelegenheit regelwidrig am Wurf gehindert wurde, wird mit einem Siebenmeter weitergespielt; das Spiel wird auf diese Art und Weise fortgesetzt; so, wie es nach einem normalen Foul mit einem Freiwurf weitergeht.
Wenn das Foul bei einer klaren Torgelegenheit so deftig war, dass es eine Strafe braucht - ob Zeitstrafe oder Disqualifikation - handelt es sich dabei um die persönliche Strafe für den foulenden Spieler. Dass ein Siebenmeter als zusätzliche Strafe gesehen wird, ist ein Irrtum, der immer wieder falsch im Sprachgebrauch auftaucht.
Das ist nicht korrekt. Nur der direkte Kopftreffer aus dem Spiel heraus ist eine Zeitstrafe. Direkt bedeutet, dass es ein freier Wurf ist - sprich: sich kein Gegenspieler zwischen Torwart und Werfer befinden - und dass kein Foul der Abwehr am Werfer gibt. Wenn der Ball von einem anderen Körperteil des Torwarts an den Kopf prallt, handelt es sich auch nicht um einen direkten Treffer. Das kann natürlich schmerzhaft sein, ist aber aus regeltechnischer Sicht nicht strafbar. Kommt es beim Siebenmeter zum Kopftreffer, ist es auch keine Zeitstrafe, sondern eine Disqualifikation (rote Karte).
Diese Aussage kenne ich auch noch aus meiner Kinder- und Jugendzeit und ich habe das damals auch geglaubt. Die Bewegung des Fußes, das reine Rutschen über die Boden, ist jedoch nicht strafbar. Der Standfuß darf den Boden nicht verlassen, er muss an der Erde sein, solange der Ball in der Hand ist, das ist richtig, aber er darf leicht über den Boden gleiten bzw. rutschen.
Dass der Fuß sich gar nicht bewegt, wenn es zu einer Ausholbewegung und Wurftäuschungen kommt, ist sowieso unwahrscheinlich. Und, was ganz entscheidend ist: Der Fuß darf die Siebenmeterlinie nicht berühren. Das passiert oft im Kinderhandball, dass der Fuß auf die Linie rutscht. Das ist in der Tat nicht zulässig und muss abgepfiffen werden.
Wenn eine Trikotnummer falsch ist - ein Spieler im Spielbericht mit einer anderen Nummer vermerkt ist als er auf dem Trikot trägt - muss das einfach korrigiert werden. Ob die Nummer im Spielbericht oder auf dem Trikot angepasst wird, ist egal; die Nummer muss einfach nur einheitlich sein. Man kann das korrigieren, was einfacher ist.
Eine progressive Strafe gibt es für den Fehler aber nicht, weder für den Mannschaftsverantwortlichen noch für den Spieler. Aber Achtung: Einige Landesverbände erheben für das nachträgliche Ändern der Nummer im Spielbericht allerdings im Nachhinein eine Strafgebühr.
Der Name ist schon irreführend, aber es gibt keine zeitliche Befristung für eine Angriff. Es kommt ja vielmehr darauf an, was eine angreifende Mannschaft tut, um einen erfolgreichen Abschluss auf das Tor zu bekommen. Es kommt also auf die Aktivität an, nicht auf die Tatsache, ob das Team 30, 40 oder 50 Sekunden spielt.
Es wird immer wieder von Tribünen oder Bänken gefordert: "Der Angriff läuft jetzt schon 45 Sekunden, das muss Zeit sein!" Das lässt sich so pauschal nicht betrachten. Wenn die Abwehr das Spiel immer wieder durch Fouls unterbricht und die Angreifer dadurch gar nicht dazu kommen, ein Angriffsspiel aufzuziehen, ist die Forderung des passiven Vorwarnzeichens, weil der Angriff schon lange dauert, nicht durch das Regelwerk gedeckt. Entscheidend ist, ob die angreifende Mannschaft Willens und in der Lage ist, ein Tor zu erzielen.
Regelgerechte Abwehrarbeit muss natürlich belohnt werden, aber ein ständiges Festmachen mit Fouls ist keine regelgerechte Abwehrarbeit. Wir wollen beispielsweise ein gutes Verschieben und schnelle Beine belohnen. Wenn ich jedoch immer nur den Ballführer sofort klammere, dann ist das zwar Abwehrarbeit, aber keine regelgerechte Abwehrarbeit und auch kein passives Spiel.
Es stand tatsächlich mal im Regelwerk, dass der Feldschiedsrichter im Zweifelsfall das letzte Wort hat, aber das gibt es nicht mehr. Die Schiedsrichter haben sich auf eine gemeinsame Entscheidung zu einigen. Als ergänzender Hinweis: Wenn beide Schiedsrichter sich zwar in der Richtung einig sind, aber nicht in der Konsequenz, kommt die schwerwiegendere Entscheidung zum Tragen. Bei Uneinigkeit zwischen Siebenmeter und Freiwurf gibt es den Siebenmeter, bei Uneinigkeiten zwischen einer Verwarnung und einer Hinausstellung, gib es die Zeitstrafe.
Ich höre oft: "Das muss Siebenmeter sein, die Abwehr steht im Kreis." Es geht aus Schiedsrichter-Sicht jedoch nicht allein um das Betreten der Linie oder des Torraums, sondern darum, zu erkennen, ob eine Torgelegenheit des Angreifers verhindert worden ist, indem sich der Abwehrspieler durch das Betreten einen Vorteil verschafft hat. Wenn es zu einem Zusammenprall kommt, wird oft Stürmerfoul moniert, aber die Schiedsrichter geben Siebenmeter, weil die Situation des Zusammenpralls nur entstehen konnte, weil sich der Abwehrspieler zuvor durch den Torraum bewegt hat.
Es gibt aber auch Situationen, wo der Torraum betreten wird und es keinen Siebenmeter gibt - das ist das normale dynamische Verhalten im Rahmen des Handballspiels. Es prallen Körper aufeinander und dieser Kontakt ist auch erlaubt, aber wenn der Abwehrspieler durch diese Dynamik mit den Hacken auf der Linie steht, darf es keinen Siebenmeter geben, weil er dadurch keinen Vorteil hat. Es wäre trotzdem zu dieser Foulsituation gekommen wäre. Das ist ganz klar kein Vorteil, da gibt es einen Freiwurf. Das bloße Betreten der Linie genügt nicht für einen Siebenmeter.
Euch begegnet immer wieder ein Regelirrtum oder ihr habt selbst eine Frage, weil ihr euch bei einer Sache nicht ganz sicher seid?
Dann nutzt die Chance und reicht bis zum 18. November eure Frage an Kay Holm ein. Anschließend wird der Leiter Lehre des Schiedsrichterwesens im Deutschen Handballbund sich mit den Anliegen auseinandersetzen, die Antworten werden in einem Folge-Artikel auf handball-world veröffentlicht.
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