11.11.2024, 14:00
Schiedsrichter-Sponsor KÜS präsentiert:
Sophia Janz und Rosana Sug sprachen mit Schiedsrichter-Partner KÜS über ihr Debüt in der DAIKIN HBL und den Meilenstein, dass zum ersten Mal in der Historie zwei Frauen-Gespanne in der höchsten Männer-Liga pfeifen …
Ob Titelkampf oder Kellerduell in der DAIKIN HBL, ob Spitzenspiel oder Abstiegsthriller in der Handball Bundesliga Frauen, ob ein Nachbarschaftsderby in der 3. Liga oder die Finalrunde der Deutschen Jugend-Meisterschaft: Seit 2020 können die Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen des Deutschen Handballbundes (DHB) bei ihren Einsätzen auf die Unterstützung der KÜS bauen. Die knapp 300 Unparteiischen eint die Leidenschaft für das Pfeifen, und doch bringt jeder seine eigenen Erfahrungen, seinen eigenen Antrieb, seine eigene Geschichte mit.
In der Interviewserie "In meinen Worten" widmen sich ein oder zwei Unparteiische einem speziellen Thema. Sophia Janz und Rosana Sug sind im Sommer in den Elite-Anschlusskader aufgestiegen und sprechen über ihr Debüt in der DAIKIN HBL, die eigenen Ziele für die erste Saison und den Meilenstein, dass zum ersten Mal in der Historie zwei Frauen-Gespanne in der höchsten Männer-Liga pfeifen …
Sophia, Rosana, ihr habt im Oktober euer Debüt in der 1. Männer-Bundesliga gegeben. Wie habt ihr von der Ansetzung erfahren?
Sophia Janz:
Wir bekommen einmal im Monat die Ansetzungen für den darauffolgenden Monat zugeschickt. Dort steht drin, wann und wo man pfeift - und da ploppte auf einmal das Spiel THW Kiel gegen den VfL Potsdam auf. Als die E-Mail kam, dachte ich erst: "Das kann doch nicht richtig sein - das ist ein Fehler." (lacht). Wir waren zwei Wochen vor unserem Spiel dann das erste Mal da, um uns die Halle und den Videobeweis anzuschauen.
Rosana Sug:
Das Debüt ausgerecht in einer Arena wie in Kiel zu geben, war ein ganz besonderes Ding; das war in unserem Kopf immer eine Steigerung. Es gibt ja zwei, drei Hallen, die einfach noch einmal einen besonderen Reiz haben.
Sophia, du sagtest eben, ihr seid zwei Wochen vorher schon dort gewesen. Was war der Grund?
Sophia Janz:
Wir haben die letzte Saison noch nicht mit dem Videobeweis gearbeitet und deswegen war die Anweisung seitens der Schiedsrichterleitung an die neuen Teams, dass wir uns das Thema Videobeweis vor unserem Debüt nochmals im Rahmen einer Erstligabegegnung live anschauen sollen. Da wir an dem Wochenende eine Ansetzung in der Hamburger Gegend hatten, hat es zeitlich und räumlich gut gepasst, dass wir das direkt in Kiel machen.
So konnten wir uns auch direkt mit der Halle vertraut machen. Wenn man das erste Mal in einer Halle pfeift, kennt man sich nicht aus; man weiß nicht, wo der Parkplatz liegt, wie man zu den Kabinen kommt oder wen man ansprechen kann. Mit dem Besuch konnten wir uns viel Nervosität nehmen, weil wir an unserem Spieltag schon wussten, wo wir hinmüssen.
Wie habt ihr das Spiel selbst erlebt?
Sophia Janz:
Vorher waren wir angespannt. Jedes Mal, wenn man neu in eine Liga kommt und keine Erfahrung in dieser Spielklasse hat, fragt man sich als Schiedsrichter: Passt unsere Linie zum Spiel und zur Liga? Diese Gedanken waren auch in Kiel da.
Rosana Sug:
Zum Glück ist mit dem ersten Pfiff ein großer Teil der Nervosität abgefallen, weil es dann Routine war. Es waren weiße Trikots gegen rote Trikots; einfach ein Handballspiel. Nach dem Spiel waren wir beide aber auch sehr erleichtert, dass es ganz gut geklappt hat.
Wir haben viele Nachrichten bekommen; da ist uns dann bewusst geworden, dass doch eine Menge Leute davon mitbekommen haben. Ich bin froh, dass wir im Vorfeld nicht groß darüber gesprochen haben, denn sonst wären wir womöglich noch nervöser gewesen als ohnehin schon.
Was war die schönste Nachricht, die eingegangen ist?
Sophia Janz:
Die schönsten Nachrichten kamen von unseren Familien, die haben Rudelgucken gemacht. Und als wir dann Bilder gesehen haben, wie sie alle vor dem Fernseher sitzen, um uns zu gucken und dass sie es gut fanden, ist das einfach schön.
Rosana Sug:
Ich fand es beeindruckend, wie viele Menschen das offenbar interessiert hat und wie viele uns geschrieben haben. Es waren nicht nur Familie und Freunde, sondern auch Schiedsrichterkollegen und andere Leute, die man aus dem Handball kennt, aber teilweise seit Jahren nicht gesprochen hat. Das hätte ich niemals so erwartet.
Wie seid ihr auf dem Spielfeld wahrgenommen worden?
Rosana Sug:
Man hat natürlich gemerkt, dass es unser erstes Spiel war. Die Spieler und alle Beteiligten drumherum haben sich aber sehr vorbildlich benommen und es uns einfach gemacht. Uns ist klar, dass es nicht immer so sein wird. Die gute Zusammenarbeit wird es hoffentlich weiter geben, aber es wird nicht immer so wenig Gemecker kommen (lacht).
Sophia Janz:
Wir haben aber auch keinen Hehl daraus gemacht, dass es unser erstes Spiel ist. Es wäre ein großer Fehler gewesen, wenn wir krampfhaft versucht hätten, so zu wirken, als wären wir schon lange dabei und eigentlich weiß doch jeder, dass es unser erstes Spiel ist. Deswegen haben wir uns bei der Begrüßung vorgestellt und gesagt, dass wir uns auf das Spiel freuen. Wir wollten damit zeigen, dass uns bewusst ist, dass wir die Neuen sind, aber zugleich auch vermitteln, dass wir der Aufgabe gewachsen sind.
Wie stolz seid ihr auf das Debüt?
Rosana Sug:
Es ist natürlich ein tolles Gefühl, aber der Moment, der mich noch stolzer gemacht hat, war der Sprung in die 1. Liga an sich. Der Aufstieg ist eigentlich der größte Vertrauensbeweis, denn er bedeutet, dass andere an dich glauben; dass sie dir zutrauen, in der höheren Liga zu bestehen. Die 1. Bundesliga der Männer war immer das langersehnte Ziel, aber wir haben damit noch nicht gerechnet - und es dann trotzdem gepackt zu haben, war eine Bestätigung einer Entwicklung, für die wir lange gearbeitet haben.
Was hat sich durch den Aufstieg in den Anschlusskader verändert?
Sophia Janz:
Wir merken, dass sich unsere Ansetzungen etwas anders zusammensetzen. Die Spiele in der 1. Bundesliga der Männer sind natürlich neu und wir durften in dieser Saison auch schon einige gute und enge Spiele in der Bundesliga der Frauen oder der 2. Bundesliga der Männer leiten. Das ist natürlich eine tolle Wertschätzung und wir wollen noch mehr denn je jedem Spiel, das wir erhalten, gerecht werden.
Was ist der Entwicklungsschritt, den ihr machen müsst, um euch zu etablieren?
Rosana Sug:
Wir müssen in der schwersten Liga ankommen, in der wir bislang ankommen mussten. Wir wollen daher so viele Spiele wie möglich pfeifen, Erfahrung sammeln und viele Erstligakniffe und -tricks möglichst schnell verstehen, sodass wir vielleicht einmal darauf reinfallen, aber eben kein zweites Mal (lacht).
Sophia Janz:
Unser Schlagwort für dieses Jahr ist "Lernen". Wir wollen so schnell und so viel wie möglich lernen und dabei keine Angst vor Fehlern haben, sondern sie nutzen. Fehler werden passieren, das wissen wir und das gehört zur Entwicklung dazu, aber dafür muss man mental bereit sein.
Rosana Sug:
Das stimmt. Das Spiel in Kiel ist gut gelaufen, das ist schön und freut uns, aber stattdessen kann uns das zweite, dritte oder vierte Spiel in der ersten Liga aber auch in anderen Ligen um die Ohren fliegen. Wir dürfen uns nicht in falscher Sicherheit wiegen. Wir nehmen jede Situation, die wir kriegen können, machen noch mehr Videoanalyse und versuchen, schnell zu lernen und die Muster zu erkennen.
Im Elite-Anschlusskader, das ist die Besonderheit, genießt ihr einen gewissen Welpenschutz, denn anders als in jedem anderen Kader steigt der Letzte am Saisonende nicht automatisch ab. So habt ihr Zeit zum Lernen. Wie wichtig ist das?
Rosana Sug:
Das ist super wichtig, denn anders könnte man den Erfahrungsvorsprung der anderen Kollegen nicht annähernd kompensieren. Aus meiner Sicht ist das die einzige Chance, neue und jüngere Teams nach und nach in die Nähe des Erstliga-Levels zu heben, sodass sie konkurrenzfähig werden.
Sophia Janz:
Wir gehen deshalb auch nicht mit der Angst ins Spiel, dass der nächste Fehler unser Abstieg sein könnte, sondern wir können Fehler nutzen, daraus zu lernen und es besser machen. Das ist essentiell. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es anders funktioniert. Zudem arbeiten die Verantwortlichen sehr intensiv mit den Gespannen in diesem Kader, sodass man auch dadurch eine besondere Förderung erfährt.
Mit Tanja Kuttler und Maike Merz gab es bislang nur ein Frauen-Team in der 1. Männer-Bundesliga, jetzt hat mit euch ein zweites Gespann den Schritt geschafft. Wie wichtig ist dieses Zeichen auch nach Außen?
Sophia Janz:
Das ist sehr wichtig. Bei einem Frauen-Gespann ist es eine Besonderheit, mit einem zweiten Frauengespann in der 1. Liga und mehreren Frauen-Teams in den anderen Kadern des Deutschen Handballbund, die sich bewähren, wird es mehr zur Normalität. Das zeigt jungen Schiedsrichterinnen: Ihr könnt das auch.
Rosana Sug:
Das führt bei uns aber auch zu einem sehr hohen Anspruch an uns selbst. Wenn ein neues männliches Gespann in der Bundesliga startet, springt das womöglich nicht so sehr ins Auge, wie wenn ein zweites Frauen-Gespann dazu kommt. Wir profitieren jedoch sehr davon, dass mit Jutta, Susanne, Tanja und Maike oder den Bonaventuras andere Frauen den Weg vor uns gegangen sind. Wir hatten es vielleicht nicht so leicht wie der ein oder andere männliche Kollege, aber ein ganzes Stück leichter als beispielsweise Tanja und Maike.
Hat die Karriere von Tanja und Maike eure Ziele verändert, weil ihr gesehen habt, dass es klappen kann, ganz nach oben zu kommen?
Sophia Janz:
Auf jeden Fall! Es gab natürlich Zeiten, die sehr hart waren und in denen wir uns gefragt haben: Wofür machen wir das eigentlich? Wenn da langfristig keine Perspektive da gewesen wäre, hätten wir vielleicht aufgehört. Doch nach einigen Veränderungen über die Zeit haben wir gesehen, dass es möglich ist und dass wir uns die gleichen Ziele setzen können wie die männlichen Kollegen und das hat uns noch einmal mehr motiviert.
Inwiefern seht ihr euch als Vorbilder?
Rosana Sug:
Das ist schwierig. Wir sind in gewisser Weise sicherlich automatisch Vorbilder, aber das gilt nicht, weil wir Frauen sind, sondern weil wir Schiedsrichter sind. Die Vorbildfunktion kommt durch die Rolle, die wir haben. Wir gehören zu den Schiedsrichtern, die man im Fernsehen sieht und leiten Spiele "oben", da müssen wir uns nicht nur auf, sondern auch neben der Platte dementsprechend verhalten. Diese Verantwortung nehmen wir ernst, auch wenn wir bspw. privat in Hallen in unserer Region sind.
Was wäre euer Tipp an junge Schiedsrichter:innen, die von Bundesliga träumen?
Sophia Janz:
Was jedes junge Gespann braucht, ist Durchhaltevermögen. Es geht nicht immer nur bergauf. Und auch, wenn es eine Floskel ist: Die Rückschläge tun natürlich weh, aber daraus lernt man am meisten.
Rosana Sug:
Ich glaube, dass viele Jugendliche nicht wissen, dass die Schiedsrichterkarriere eine ähnliche sportliche Karriere sein kann, wie die, die ein Spieler oder ein Trainer absolviert. Man muss viel reinstecken und erlebt Rückschläge, aber auch Erfolge. Es ist sogar ein ähnliches System, mit Aufsteigern, Absteigern und dem Klassenerhalt.
Ähnlich wie Mannschaften durchatmen denkt man auch als Schiedsrichter manchmal am Saisonende: Gut, dass es dieses Jahr noch gereicht hat. Und in anderen Jahren spielt bzw. pfeift man "oben" mit. Diese sportliche Perspektive, die die Schiedsrichter-Karriere bietet, fehlt mir manchmal. Es ist natürlich eine andere Rolle, aber es ist der gleiche Sport und man hat die gleichen Ziele - wie es in die Bundesliga zu schaffen.
Zum Abschluss: Ihr habt eingangs gesagt, dass ihr euer Debüt in Kiel direkt in einer besonderen Halle geben durftet. Was ist die nächste Arena auf eurer "Bucketlist"?
Rosana Sug:
Ich spreche gerne in Bildern, daher sage ich: Es ist eine bunte Pralinenschachtel. In der 1. Liga hat jede Halle einen besonderen Reiz und daher stehen noch einige auf der Liste, die in irgendeiner Form besonders sind - ob Magdeburg, Flensburg oder Eisenach. Wir freuen uns aber einfach auf alles, was kommt, denn aktuell ist für uns jede Halle eine neue Erfahrung. Daher ist es egal, welche Praline es wird, schmecken tun sie alle.
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