11.11.2024, 00:01
In Erinnerung an Bernd und Reiner Methe
Im Erinnern an Tage, die sich in das Gedächtnis einer Gruppe eingebrannt haben, wird oft die Situation benannt, in der sich der einzelne befand, als er davon erfuhr. Ein solches "Wo warst Du" für den Handball jährt sich am heutigen 11. November - vor 13 Jahren verstarben die Zwillinge Bernd und Reiner Methe, die für den Handball mehr als "nur" Schiedsrichter waren.
Die Erinnerung an diesen Abend ist vermutlich vielen noch greifbar, so geht es jedenfalls der Redaktion. Und auch die Erinnerung an Methe/Methe ist nicht nur am heutigen Tag präsent - aus diesem Anlass veröffentlichen wir über einen kurzen Gedenktext hinaus auch die auf der Beerdigung gehaltene Trauerrede von Dr. h.c. Berndt Dugall im Wortlaut.
Eine Schreckensmeldung erschütterte am 11.11.2011 die deutsche und internationale Handballszene. Auf dem Weg zum Bundesligaspiel HBW Balingen-Weilstetten gegen den SC Magdeburg geriet das Schiedsrichtergespann Bernd und Reiner Methe mit ihrem Fahrzeug in den Gegenverkehr, prallte frontal mit einem LKW zusammen. Die 47-jährigen Zwillinge aus dem hessischen Vellmar verstarben, hinterließen neben den beiden Ehefrauen insgesamt drei Kinder.
Methe/Methe waren seit 1987 Schiedsrichter, seit 1993 folgten im DHB-Kader 670 Spiele, seit 1998 für EHF und IHF 206 internationale Einsätze - unter anderem das EM-Finale 2010. Drei Mal in Folge wurden sie von der Liga als Schiedsrichter der Saison ausgezeichnet, in Erinnerung bleiben sie aber nicht nur aufgrund ihrer fachlichen Leistungen. Sie waren nicht nur herausragende Schiedsrichter, sie verkörperten das Besondere am Handball: Ein kurzer Plausch mit Trainern oder Spielern auf dem Parkett, mit Journalisten und auch mit den Fans. Und immer mit diesem Lächeln, dieser ansteckenden Freude.
Als Torhüter und Kreisläufer standen beide zunächst selbst auf dem Parkett. Um in der Ausbildung dem Sport verbunden zu bleiben, folgte dann der Wechsel an die Pfeife. "Wir wollten in erster Linie die Zeit weiterhin zusammen verbringen. Dann haben wir schnell gemerkt, dass uns die Schiedsrichterei liegt und sind so nach und nach Klasse für Klasse nach oben geklettert", berichtete Bernd Methe in einem großen Interview aus dem Jahr 2007 mit handball-world. Sein Bruder hatte in diesem Gespräch zur Zielsetzung erklärt: "Wir versuchen immer, dem Sport gerecht zu werden."
Während bei der WM 2007 die deutsche Mannschaft auf dem Parkett um den Titel kämpfte, saß das Gespann auf der Tribüne. Bei einem Ausscheiden des DHB-Teams wäre ihnen vermutlich die Leitung des WM-Finales sicher gewesen. Doch auf diesen Höhepunkt der eigenen Karriere verzichteten beide, ohne jedes Bedauern. "Unser Traum war es, am 5. Februar in der Kölnarena auf der Tribüne zu sitzen und Deutschland auf dem Feld zu sehen, wie die Mannschaft Weltmeister wird. Und genauso ist es passiert, wie wir es uns schon Wochen vorher gewünscht haben", erklärte das Gespann freudestrahlend.
Unvergessen ist das Gespann und nicht nur am heutigen 13. Todestag sind die Gedanken an die Zwillinge präsent, wird ihr Fehlen deutlich und gilt das Mitgefühl den Familien. "Die Handballgemeinde hat nicht nur zwei hervorragende Schiedsrichter verloren, sondern auch zwei herausragende Persönlichkeiten", hieß es in einem offenen Brief des ehemaligen Schiedsrichtersprechers Frank Wenz an alle Unparteiischen des Deutschen Handballbundes. "Wir werden Bernd und Reiner Methe immer in Erinnerung behalten und gerade die sportlichen Werte der Beiden wie Fairplay und Neutralität weiter hoch halten. Unsere Gedanken sind bei unseren Schiedsrichterfreunden und deren Familien."
Sehr geehrte Angehörige, verehrte Trauergäste,
wenn wir uns alle noch einmal kurz genau in die Zeit vor einer Woche zurückversetzen, so müssen wir zugeben, dass niemand auch nur im Entferntesten geahnt hat, dass wir hier und heute aus einem Anlass zusammenkommen würden, der nicht nur ganz weit weg erschien, nein, der eigentlich völlig unvorstellbar war. Der Lauf der Ereignisse ist ein anderer gewesen und so haben wir uns nun zusammengefunden, um Abschied zu nehmen. Wir, aus der großen Handballfamilie, nehmen Abschied von Bernd und Reiner Methe, zwei Freunden, Kameraden oder wie immer wir es bezeichnen wollen, mit denen wir viele Jahre zusammen waren.
Beide entwickelten schon früh ein spürbares Interesse für unsere Sportart und beide hatten schon in einem Alter, in dem die allermeisten noch aktiv dem Ball hinterher jagen, ihre Leidenschaft als Schiedsrichter entdeckt. Seit fast 25 Jahren hat sie dieses Hobby begleitet und - was sicherlich so nicht von Anfang an zu erwarten war - zu ungeahnten Erfolgen geführt. Methe/Methe entwickelte sich zunächst national, dann aber auch mehr und mehr international zu einem fest stehenden Qualitätsmerkmal. Ihr Metier waren nicht nur die Wettbewerbe in Deutschland, nein sie waren präsent auf allen großen internationalen Turnieren und in vielen herausragenden Spielstätten. Mit ihrer Leistung, aber auch ihrer Menschlichkeit besaßen sie eine Vorbildfunktion.
Die reinen Quantitäten wie 670 Einsätze auf der Ebene des Deutschen Handballbundes und die Leitung von 206 internationalen Spielen, zu denen sicherlich noch viele hinzu gekommen wären, sind Ausweis ihrer Bedeutung und Wertschätzung, aber sie werden für sich genommen, den Menschen nicht gerecht. Um dies zu erfassen, müssen wir einmal zu ergründen versuchen, was einen guten von einem herausragenden Schiedsrichter unterscheidet.
Es war ihre Fähigkeit, sich mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit auf dem außerordentlich schmalen Grat zwischen allzu großer Anbiederung und emsiger Verbissenheit zu bewegen. Sie schafften es in einzigartiger Weise gegenüber Spielerinnen und Spielern gleichzeitig als Kumpel und trotzdem mit der für eine Respektperson notwendigen Distanz aufzutreten. Ob unter Ihresgleichen oder auch im Kreise anderer Handballvertreter, immer wurden sie als höflich, aber konsequent, als liebenswert, aber verbindlich, als kritikfähig, aber nicht manipulierbar beschrieben.
So haben sie in den letzten Jahren das Bild des deutschen Handballs in der Welt in überaus positiver Weise als Symphatieträger mit geprägt. Die großen Spielerpersönlichkeiten dieser Handballwelt, heißen sie nun Stefan Lövgren oder Bojana Popovic "tanzten" im echten Sinne des Wortes nach ihrer Pfeife. Und die Anerkennung, die Wertschätzung, die sie genossen haben, kommt ja nicht zuletzt auch in der Zahl und Zusammensetzung der Teilnehmer der heutigen Trauerfeier zum Ausdruck. Von daher ist es nicht übertrieben zu sagen, dass der deutsche und der internationale Handball von ihrem Tod tief getroffen und betroffen sind.
Aber Betroffenheit ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen steht Dankbarkeit. Wir dürfen dankbar sein, für das, was sie für die Sportart geleistet haben. Sie haben ihre Funktion als Schiedsrichter in geradezu perfekter Weise nicht nur ausgefüllt, sondern auch vorgelebt. Ihre Rolle als Teamplayer auf der einen und gleichzeitig virtuosen Solisten auf der anderen Seite wird bleiben, auch wenn wir akzeptieren müssen, dass sich den vielen Erfolgen der Vergangenheit keine weiteren hinzugesellen werden.
In seiner Novelle "Die Brücke von San Lui Rey" ist Thornton Wilder der Frage nachgegangen, worin möglicherweise der Sinn eines plötzlich auftretenden und vorher nicht absehbaren Unglücks liegen könnte und warum es manche trifft und andere verschont bleiben. Auch er konnte letztlich keine Antwort finden. Aber er schließt seine Betrachtungen mit den Worten: Es gibt ein Land der Lebenden und ein Land der Toten. Die Brücke zwischen beiden sind Liebe und Erinnerung." Ich hoffe nun für uns Alle, dass wir die Kraft finden, unsere Angst, unsere Trauer und unseren Schmerz zu überwinden, und es gelingt, uns auf das zurück zu besinnen, was bleibt; die Erinnerung an die vielen Jahre, die wir mit ihnen zusammen sein durften.
handball-world