17.06.2024, 12:16
Männer-Bundestrainer Marten vor dem Start der Beachhandball-WM im Interview
Am Dienstag starten die Beachhandball-Weltmeisterschaften in China. Männer-Bundestrainer Marten Franke spricht im Interview über sein Ziel, den Kader und seine Titelfavoriten.
Marten, was ist euer Ziel für die Weltmeisterschaft?
Marten Franke: Ich würde das Viertelfinale als Ziel aussprechen wollen. Es wird für uns aber erst einmal darum gehen, gut ins Turnier zu starten und die Vorrunde zu überstehen. Wenn wir dann über die Hauptrunde in die K.O.-Phase kommen sollten, werden wir schauen, was möglich ist.
Wie ist die Stimmung im Team?
Alle sind sehr, sehr heiß und die Vorfreude ist natürlich groß. Wir haben in der Vorbereitung intensiv an den Details gearbeitet, aber es ist uns gelungen, zugleich eine gewisse Lockerheit beizubehalten. Das finde ich wichtig, denn wir sind jetzt, wenn wir das Vorbereitungsturnier in Brasilien dazurechnen, über einen relativ langen Zeitraum zusammen. Da können wir nicht die ganze Zeit auf Spannung sein. Jetzt brennen die Jungs aber richtig auf den Turnierstart.
Welche Erkenntnisse konntest du vom letzten Vorbereitungslehrgang in Kelkheim mitnehmen?
Es ist uns gelungen, die Stellschrauben anzuziehen, die wir in Brasilien bei der IHF Global Tour ausgemacht hatten. Wir hatten mit Robin John und Tim Krauth auch zwei Debütanten dabei, die ihre ersten Länderspiele für die Männer-Nationalmannschaft gemacht haben und beide durch den Lehrgang noch einmal wirklich Fortschritte gemacht.
Robin ist zwar der älteste Spieler im Kader, aber erst spät auf den Beachhandball-Zug aufgesprungen. Durch die Tage in Kelkheim ist er noch besser reingekommen, die Automatismen sitzen. Gerade der lange Kempa war in Brasilien noch eine Schwachstelle, den wollten die Brasilianer haben. Wir haben das gezielt trainiert und einen riesigen Schritt nach vorne gemacht. Und mit Tim haben wir am Entscheidungsverhalten gearbeitet.
Und als Team?
Wir haben gesehen, dass die Jungs unter ungewohnten Bedingungen nervös werden. Ein Heimspiel vor deutschen Zuschauern, die der Mannschaft entgegenfiebern, war eine neue Erfahrung; die Nervosität hat mit in der ersten Halbzeit gegen Frankreich deutlich gesehen. Gerade im Angriff war viel Hektik drin, aber im Laufe des Spiels haben wir uns freigespielt. Mit der zweiten Halbzeit bin ich sehr zufrieden. Es war gut, noch einmal einen echten Wettkampf zu haben, wo alle Augen auf uns gerichtet sind.
Lass uns einen Blick auf den Kader werfen: Im Tor hast du dich für Moritz Ebert entschieden - und nimmst auch nur ihn mit, keinen Ersatzmann. Warum diese Entscheidung?
Dass wir nur einen Torhüter mitnehmen werden, war eine der kritischsten Entscheidungen. Das ist eine Grundsatzfrage gewesen. Wenn sich Moritz vor Ort verletzen sollte oder krank wird, haben wir natürlich ein Problem. Nichtsdestotrotz haben wir uns gesagt: Wir gehen in diesem Punkt ein bisschen All-In, denn wir wollen einen zweiten Entscheider auf der Mitte mitnehmen. Es wird ein langes Turnier und wenn ein Spieler im Turnierverlauf jede Entscheidung treffen müsste, wäre das zu schwierig. Deshalb haben wir in Lars Zelser und Stefan Mollath zwei Spielmacher mit dabei und jede andere Position nur einfach besetzt. Und deshalb war eben auch nur Platz für einen Torhüter.
Warum die Entscheidung für Moritz Ebert?
Olli (der zweite Keeper Oliver Middell vom Deutschen Meister 12 Monkeys, Anm. d. Red.) hat in Brasilien ein sehr starkes Turnier gespielt und war für mich der beste Keeper des Turnier. Wir haben letztendlich trotzdem für Moritz entschieden, da er einen gewissen Standard hat, mit dem wir immer rechnen können - und auch die Gegner Moritz schon im Kopf haben. Als wir in Brasilien waren, habe ich zwei, dreimal die Frage gehört: Wo ist denn Moritz Ebert? Und das am anderen Ende der Welt! Das spricht sicherlich für ihn, wenn es darum geht, den entscheidenden Ball zu holen.
Die Defensivreihe ist im Vergleich zur Europameisterschaft mit Lauro Pichiri, Severin Henrich und Tobias Zeyen unverändert …
Wir hatten letztes Jahr bei der Europameisterschaft einer der stärksten Abwehrreihen und seitdem haben sich die Automatismen noch einmal mehr gefunden. Auf unsere Abwehrreihe können wir uns so gut wie immer verlassen und es tut jeder Mannschaft gut, wenn das ganze Team weiß, dass die Jungs in der Defensive immer dafür gut sind, einen Ball rauszuholen.
Blicken wir in den Angriff. Linienspieler Matthew Wollin ist wie bei der EM gesetzt, ebenso wie Lennart Liebeck auf der linken Seite und die Entscheider Stefan Mollath und Lars Zelser. Auf der Spezialisten-Position steht Robin John hingegen vor seinem ersten großen Turnier. Wieso ist die Entscheidung für ihn gefallen und nicht für Sebastian Jacobi, der noch bei der EM dabei war?
Es war ein enges Rennen. Wir wussten, dass wir uns perspektivisch umschauen müssen, was wir auf der Spezialisten-Position machen wollen. Jacky (Sebastian Jacobi, Anm. d. Red.) hatte natürlich den Vorteil, dass er mehr Erfahrung hat und bei zahlreichen Turnieren dabei war, aber Robin war seit der neuen Saison bei jedem Lehrgang dabei.
Wir haben uns entschieden, ihm in Brasilien die Chance zu geben, sich zu beweisen, sodass wir einmal sehen können, was wir von ihm erwarten können. Er hat uns auf dieser Position überzeugt und deshalb haben wir uns dafür entschieden, Robin statt Jacky mitzunehmen. Es war eine Entweder-Oder-Entscheidung, denn wir haben durch die zwei Entscheider eben nur einen Platz pro Position.
Im Vergleich zur Europameisterschaft gibt es auch auf der Linkshänder-Position eine Veränderung - Tim Krauth ersetzt Moritz Friedel.
Das war relativ früh im vergangenen Sommer klar, da Moritz mich informiert hat, dass er nicht mehr für die Nationalmannschaft zur Verfügung steht. Dementsprechend haben wir uns intensiv auf der Linkshänder-Position umgeschaut. In Jannis Herr haben wir sicherlich einen sehr starken Linkshänder aus dem Jahrgang 2006, genauso wie Caio Pogorzalski, die es beide bei den Lehrgängen gut gemacht haben.
Tim Krauth ist über die 12 Monkeys und die internationale Erfahrung, die er gesammelt hat, jedoch der gestandenere Spieler und er kann uns guten Input geben. Er ist nicht so eindeutig der Kempa-Spieler wie Moritz, seine Stärken liegen im Spinshot. Wir haben jedoch auch am Kempa-Spiel intensiv gearbeitet und ich bin sehr zufrieden, wie gut das mittlerweile aussieht. Ich hoffe, dass wir uns auf viele guten Aktionen freuen können.
Bei der vergangenen Europameisterschaft konntet ihr nur überraschen, weil es von außen nach den vorherigen Ergebnissen keine Erwartungen gegeben hat. Jetzt reist ihr als Vize-Europameister an. Inwiefern ändert sich eure Wahrnehmung dadurch?
Nach dem tollen Auftritt bei der Global Tour in Brasilien im Mai werden uns einige Mannschaften auf dem Schirm haben, aber wir sind bei diesem Turnier immer noch der Neuling. Es ist für uns die erste WM seit vielen Jahren. Wir gehören sicherlich zu dem Kreis der stärkeren Teams, aber die Breite in der Spitze ist groß. Wenn ich Richtung Viertelfinale spicke, könnten Rekord-Weltmeister Brasilien, Europameister Ungarn oder die Topteams Dänemark und Spanien warten.
In solch einer Konstellation ist es eigentlich egal, ob man Erster oder Vierter in der Hauptrunde wird: Das Viertelfinale wird - wenn wir es dahin schaffen - ein absolutes Kracherspiel! Und beim Beachhandball geht es so schnell, dass man einen Satz verliert und dann ist im Shoot Out immer alles möglich, daher ist alles offen. Wir wollen uns auf unsere Leistung fokussieren und vom ersten Spiel an da sein.
Es geht zum Auftakt gegen Uruguay. Wie blickst du auf das Spiel?
Wir müssen uns erst einmal ein bisschen an die Umstände gewöhnen und den Jetlag aus den Beinen kriegen, damit wir am Dienstag bei 100 Prozent sind. Brasilien hat uns im Vorfeld gut getan, weil wir ein Turnier in Übersee spielen konnten. Wir spielen auch am Dienstag erst relativ spät, sodass wir den Tag haben, um reinzukommen. Dann müssen wir jedoch voll da sein, denn Uruguay will die USA unbedingt schlagen und daher geht es vermutlich direkt um Punkte für die Hauptrunde.
Wer ist dein Titelfavorit?
Kroatien als amtierenden Weltmeister, der in Topbesetzung vor Ort ist, muss man auf dem Zettel haben, ebenso wie die Brasilianer, die eine sehr starke Abwehrreihe stellen.
jun