17.05.2024, 13:23
Premiere für das deutsche Top-Gespann im Sand
Für Bjarne Deiters und Jesper Stumpfe geht ein Traum in Erfüllung: Die Beachhandball-Schiedsrichter sind für die Weltmeisterschaft 2024 in China nominiert. Für das deutsche Top-Gespann wird es die Krönung ihrer bereits beeindruckenden Karriere.
Vier Europameisterschaften der Männer und Frauen, fünf EM-Turniere im Jugend- und Juniorenbereich, das Frauen-Endspiel bei den European Olympic Games 2023 und mehrere Finalspiele in der Deutschen Meisterschaft: Bei einem Blick auf diese Vita fällt es schwer zu glauben, dass die beiden Beachhandball-Schiedsrichter Bjarne Deiters und Jesper Stumpfe gerade einmal 24 Jahre alt sind.
Seit 2013 pfeifen die beiden Schulfreunde aus Niedersachsen bereits zusammen, ihr steiler Aufstieg begann zwei Jahre später, als sie der damalige Männer-Bundestrainer Kai Bierbaum auf einem Turnier entdeckte. "Ich habe ein Spiel beobachtet, dass aufgrund der äußeren Bedingungen komplett aus dem Ruder lief. Aber der Schiri, der alleine gepfiffen hat, hat sein Ding durchgezogen und alle Entscheidungen zu 100 Prozent richtig getroffen", erinnerte sich der deutsche Beachhandball-Pionier später. "Ich dachte mir: 'Der hat aber ein dickes Fell.’"
Ob es sich dabei um Deiters oder Stumpfe handelte, konnte Bierbaum später nicht mehr genau sagen. Als er sich jedoch den Gespannpartner ebenfalls anschaute, überzeugte ihn auch dieser: "Der war genauso cool und hat sich durch nichts aus der Fassung bringen lassen." Bierbaum organisierte sich sofort die Telefonnummern der damals 16-Jährigen - und gab damit der Karriere des heutigen deutschen Top-Gespanns den entscheidenden Schubs.
Nach ihren ersten Einsätzen auf den German Beach Open (GBO) wurde das Team Deiters/Stumpfe im Folgejahr für einen EHF-Lehrgang in Griechenland gemeldet - und überzeugte die Verantwortlichen trotz des jungen Alters auf Anhieb. Neben der EHF-Lizenz gab es das Endspiel der Männer beim Finalturnier der European Beachhandball-Tour (EBT) obendrauf.
Und das war erst der Anfang, denn bis heute folgten - wie eingangs erwähnt - vier Europameisterschaften der Männer und Frauen sowie fünf EM-Turniere im Jugend- und Juniorenbereich. Sommer für Sommer ging es für Deiters/Stumpfe auf Tour - nach Kroatien und Montenegro, Polen und Bulgarien, Tschechien und Portugal. Weitere internationale Erfahrungen sammelte das Duo quer durch Europa auf verschiedensten EBT-Turnieren.
Der (bisherige) Höhepunkt ihrer Laufbahn war die Europameisterschaft 2021 in Varna: Deiters/Stumpfe wurden für das Finale der männlichen U18-Europameisterschaft nominiert. Am Strand des Schwarzen Meeres lieferten sich die Auswahlmannschaften aus Schweden und Spanien ein packendes Duell; die Entscheidung fiel erst im 22. (!) Wurf im Shoot Out.
"So ein Shoot Out haben wir noch nie erlebt", gab Deiters anschließend zu und ergänzte mit einem Augenzwinkern: "Es ist ein geiles Gefühl, so ein Finale zu pfeifen und man will eigentlich auch gar nicht vom Feld, aber irgendwann habe ich schon gedacht: Es könnte jetzt auch mal vorbei sein."
Direkt im Anschluss an die Junioren ging es jedoch bei den Aktiven weiter - und mit der Berufung für ein Männer-Halbfinale wurde die gute Leistung des deutschen Teams erneut belohnt. "Wir sind auf auf dem Platz deutlich präsenter und kommunizieren auch besser mit den Spielern; darüber schaffen wir mehr Akzeptanz“, freute sich Stumpfe über die Entwicklung, während Deiters trocken festhielt: "Wir durften das Finale bei den Junioren und ein Halbfinale bei den Senioren pfeifen - viel mehr geht fast nicht."
Auf ein Endspiel bei einer Aktiven-EM müssen Deiters/Stumpfe indes weiterhin warten: Bei der Europameisterschaft 2023 in Nazare hätten die Freunde zum Kreis der Kandidaten für ein Finale gehört, doch neben denen als Titelverteidigerinnen angetretenen deutschen Frauen stürmte völlig überraschend auch die deutsche Männer-Nationalmannschaft bis ins Endspiel vor - und machten damit die Finalchance von Deiters/Stumpfe zunichte.
"Wir kennen die Spieler und Trainer von der deutschen Tour und freuen uns für sie", betonte Deiters nach dem doppelten Finaleinzug. „Wir gönnen es beiden Teams von Herzen, das ist für den deutschen Beachhandball ein großer Erfolg", unterstrich auch Stumpfe. Mit dem Spiel um den dritten Platz zwischen Dänemark und Gastgeber Portugal erhielten sie ihren bestmögliche Abschluss.
Mit ihrer Performance in Nazare unterstrichen die Freunde, dass sie nicht nur das deutsche Top-Gespann im Sand sind, sondern sich auch in der europäischen Spitze etabliert haben. Und trotzdem waren Deiters/Stumpfe auch bei ihrer vierten EM-Teilnahme in Folge („dass wir so kontinuierlich dabei sind, ist toll und macht uns stolz.“) immer die jüngste Unparteiischen im Kader. "Das", grinste Deiters, "hat uns schon etwas überrascht." Die Ansetzung für das Frauen-Finale bei den European Olympic Games wenige Wochen später unterstrich ihre internationale Stellung.
Nachdem Deiters/Stumpfe über mehrere Jahren das einzige internationale Gespann aus Deutschland waren, haben sie inzwischen Verstärkung bekommen: Paolo D`Oria und Julius Hlawatsch sowie Philipp Herzog und Ole Horstmann sind inzwischen ebenfalls im europäischen Sand unterwegs. "Es freut uns sehr, dass es mit Paolo und Julius und Philipp und Ole zwei weitere deutsche Gespanne in der EHF gibt", sagt Stumpfe.
Parallel zum Sand machten Deiters/Stumpfe vor anderthalb Jahren auch in der Halle den nächsten Entwicklungsschritt: Die Nominierung für den Perspektivkader des Deutschen Handballbundes beförderte das Duo vom Landesverband in die Jugendbundesliga, die höchste deutsche Jugendspielklasse. "Dass wir auch in der Halle überzeugen konnten, haben wir sicherlich den Erfahrungen zu verdanken, die wir aus den letzten Jahren vom Beachhandball mitnehmen konnten", ist Stumpfe überzeugt.
"Solche Drucksituationen wie ein EM-Finale oder EM-Halbfinale erlebt kein Schiedsrichter oft, das wird uns sicherlich helfen", glaubt auch Deiters. Gerade im Auftreten und der Kommunikation haben sie, das sagen sie selbst, durch die internationalen Erfahrungen und die stetigen Coachings auf Großturnieren Fortschritte gemacht. Im September 2022 absolvierte das Duo seinen ersten DHB-Lehrgang im Hallenbereich, seitdem sind sie regelmäßig in der Jugendbundesliga aktiv.
Ausruhen können - und wollen - sie sich in der Halle auf ihren Beachhandball-Meriten nicht, wie beide nachdrücklich betonten. "Wir müssen uns gegenüber den Spielern und Trainern erst einmal beweisen", unterstrich Stumpfe. „Die Mannschaften kennen uns nicht, sie testen uns erst einmal und was wir im Beachhandball gepfiffen haben, ist ihnen egal."
Mit den Einsätzen in der Jugendbundesliga schließt sich für Deiters/Stumpfe ein kleiner Kreis, denn durch ihren früheren Fokus auf die Beachhandball-Karriere trat das eigene Spielen in die zweite Reihe. Bei ihrem gemeinsamen Heimatverein TSV Anderten stand Deiters in seinem ersten A-Jugend-Jahr im JBLH-Kader („Ehrlich gesagt habe ich aber viel auf der Bank gesessen.“), Stumpfe winkt die Frage hingegen sofort ab („Ich war zwar in der Jugendbundesliga einmal mit der Mannschaft in Berlin, aber stand nicht einmal auf dem Spielbericht.“).
Während sich das Duo bedeckt hält, was seine Ziele in der Halle angeht, ist ihr großer Traum im Sand kein Geheimnis: Eine Nominierung für den Weltverband IHF. „Wenn man auf dem Niveau einer Europameisterschaft pfeift, gibt es wahrscheinlich niemanden, der nicht zu einer Weltmeisterschaft will", sagte Stumpfe im Herbst 2023 im Sonderheft Bock auf Schiedsrichter.
Ein halbes Jahr später wird der Traum Wirklichkeit: Die IHF nominierte das Duo für die Weltmeisterschaft in China (18. bis 23. Juni 2024) - es ist das erste Mal, dass deutsche Schiedsrichter bei einer Beachhandball-WM im Einsatz sein werden. "Es ist eine riesige Ehre für uns, an einer WM teilzunehmen", betonen die beiden Freunde zu der Nominierung. "Es belohnt die Arbeit der vergangenen Jahre und wir freuen uns sehr auf das Turnier mit des besten Beachhandballmannschaften der Welt."
jun